Linksliberale Medien küren Angela Merkel zur Schutzpatronin der Geflüchteten. Dabei ist ihre Politik die Wurzel des Problems, meint Christian Ott.
Es gibt wohl kaum eine Spitzenpolitikerin, bei der die öffentlichen Meinungen so stark auseinandergehen wie bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zwar wurde und wird ihr Umgang mit Geflüchteten von der AfD, aber auch vom rechten CDU-Flügel scharf kritisiert und für rechte Propaganda genutzt, dafür erntet sie links von der CDU immer wieder Lob. Auch viele Menschen, die nicht die Union wählen, meinen, Angela Merkel hätte in dieser Hinsicht alles richtiggemacht. Nicht nur in Deutschland stieg ihre mediale Beliebtheit, auch die internationale Presse feiert sie: „Merkel hat dieses Thema wirklich und erfolgreich zur ihrer Chefsache gemacht“, schrieb beispielsweise die linksliberale österreichische Zeitung Der Standard. Der ebenfalls linksliberale britische Observer lobte: „Angela Merkels menschliche Haltung zum Thema Einwanderung ist eine Lehre für uns alle.“
Was die Presse nicht sowieso schon abdeckt, erfolgt durch massive Selbstinszenierung. Da werden Selfies mit Geflüchteten gepostet, Phrasen à la „Wir schaffen das“ verkündet und selbst innerparteiliche Konflikte zu ihren Gunsten genutzt.
Deals mit Despoten
Was bei all der Euphorie offenbar schnell vergessen wird: Merkels Deutschland ist nicht unschuldig, wenn es um die Schaffung von Fluchtursachen geht. So gehören die Türkei und Saudi-Arabien zu den größten Abnehmern deutscher Rüstungsexporte: 4 Milliarden Euro brachten diese der Bundesrepublik für das Jahr 2015 ein.
Wie „offen“ Deutschland für Schutzsuchende entgegen Merkels Selbstdarstellung tatsächlich ist, zeigen stark umstrittene Deals mit diktatorischen Regimen. Um Flüchtende auf ihrem Weg in die EU und nach Deutschland abzuwehren, lassen sich EU-FunktionärInnen – mit Deutschland an der Spitze – auch auf ein Abkommen mit Erdoğan ein, welcher nicht erst seit kurzem daran arbeitet, die Türkei in einen autoritären Führerstaat umzubauen, Oppositionelle verhaften lässt und Minderheiten gnadenlos unterdrückt. Deutschlands Anspruch als demokratisches, weltoffenes und tolerantes Land wird bei der Abwehr weiterer Zuwanderung schnell zweitrangig. Jüngst kündigte Merkel an, auch weiter an einer „Kooperation“ mit Libyen und der Türkei zu arbeiten.
Zu Merkels Land gehören auch in immer größerem Maße Abschiebungen. Ende 2016 wurde ausgerechnet Afghanistan zu einem „sicheren“ Herkunftsland erklärt, um drastische Abschiebeaktionen zu rechtfertigen. Auch nach Serbien und in den Kosovo – beides keineswegs krisenfreie Gebiete – wird erbarmungslos abgeschoben. Kritik aus linken Kreisen und von NGOs wird dabei munter ignoriert; Merkels „Wir schaffen das“ ist weniger wert denn je.
Wer einmal Bilder aus Geflüchtetenunterkünften gesehen hat, weiß, dass die Situation dort nicht erträglich, geschweigen denn menschenwürdig ist. Die Unterkünfte sind Massenlager, Menschen fühlen sich berechtigterweise eingeengt und aus der Gesellschaft ausgeschlossen – so weit geht die „humanitäre Verantwortung“ Deutschlands also. Anstatt auf staatlich finanzierte Fachkräfte zu setzen, wird die Arbeit in den Unterkünften oft hauptsächlich von Ehrenamtlichen übernommen. Geht es darum, diejenigen, die mit aller Kraft unentgeltlich Hilfsarbeit leisten und den Staat entlasten, zu unterstützen, ist von Deutschlands „Verantwortung“ keine Rede mehr. Wenn die Pflicht des Staates von Privatpersonen geschultert werden muss, zeigt sich, was „Wir schaffen das“ eigentlich bedeutet:
Ihr schafft das schon.
Die Aufgabe Linker ist es, eben diese Unterschiede zwischen öffentlicher Inszenierung und Tatsachen nicht nur zu erkennen, sondern auch klar zu benennen: Angela Merkel ist nicht die Barmherzige, die Menschen in Not aufnimmt und unterstützt. Hinter eben dieser Not steckt deutsche und europäische Außenpolitik. Werden Waffenexporte und Vereinbarungen mit autoritären Staaten nicht gestoppt, wird es keinen Stopp von Fluchtursachen geben. Allem Presse- und Eigenlob zum Trotz: Eine Kanzlerin, deren Staatsapparat nach Afghanistan abschiebt, kann keine Kanzlerin der Geflüchteten sein.