Alle Korrupt, diese Griechen?
Das Treiben der deutschen Rüstungskonzerne in Griechenland

Nach den gescheiterten Verhandlungen der griechischen Syriza-Regierung mit den Institutionen (vormals Troika) hat am Sonntag ein griechenlandweites Referendum über die Fortsetzung der EU-Austeritätspolitik stattgefunden. Die Griechinnen und Griechen haben dabei mit einer überwältigenden Mehrheit gegen das Sparprogramm gestimmt. Unter den aktuellen Bedingungen  ist eine Reform der Europäischen Union und des Euro-Währungssystems nicht möglich. Das haben die Härte, mit der die Gläubigerinstitutionen die Verhandlungen führten und der Druck, der auf die griechische Regierung zur Unterwerfung unter die neoliberale EUropäische Spar- und Kürzungspolitik ausgeübt worden ist, einmal mehr gezeigt. Die EU bleibt ein Projekt der wirtschaftlichen Eliten, das durch die spezifische Konstruktion des Euro als marktliberale Währung noch gefestigt wird.

Die EU bleibt ein Projekt der wirtschaftlichen Eliten

Bei den Verhandlungen hat die deutsche Bundesregierung eine entscheidende Rolle gespielt. Als stärkste Kraft der Eurozone hat insbesondere die exportorientierte deutsche Wirtschaft in den letzten zwei Jahrzehnten die schwächere griechische Industrie im einheitlichen Euro-Währungsraum niederkonkurriert und von ihr einseitig profitiert, ohne ökonomische und soziale Ausgleichsmechanismen bereitzustellen (sozialpolitische Umverteilung, Investitionen). Auch die deutschen Rüstungskonzerne haben mit Griechenland Milliardengeschäfte abgeschlossen.

Kein Zufall, dass die Angebote der Syriza-Regierung bei Militär und Rüstung einzusparen, auf den Widerstand der Institutionen stießen. Immer wieder wurde auf die Einhaltung der Verträge bestanden oder Kürzungen bei Gehältern statt bei Kriegsgerät vorgeschlagen. Im nächsten Atemzug wurde der Athener Regierung in den Verhandlungen vorgehalten, sie solle endlich anfangen, die Korruption im Lande zu bekämpfen. Deren Urheber wiederum sitzen nicht zuletzt in Deutschland.

In 90 Prozent aller Korruptionsfälle in Griechenland ist eine deutsche Firma involviert

Im Februar diesen Jahres, auf einer Pressekonferenz des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis mit seinem deutschen Pendant, Wolfgang Schäuble, meldete sich ein griechischer Journalist zu Wort: „In 90 Prozent aller Korruptionsfälle in Griechenland ist eine deutsche Firma involviert“. Varoufakis selbst sprach auf dem Treffen von „grenzübergreifenden Gesetzesverletzungen“ innerhalb der Euro-Zone. Er forderte Unterstützung für die Regierung in Athen, wenn sich der Bestechung Beschuldigte der griechischen Justiz entziehen. Der Finanzminister spielte auf ein schwelendes Korruptionsverfahren gegen frühere hochranginge Mitarbeiter der Siemens AG an. Siemens hatte an entscheidenden Stellen über 60 Mio. Euro bezahlt, um öffentlich ausgeschriebene Aufträge zu erhalten. Es ging um die Digitalisierung des griechischen Telefonnetzes ebenso wie um Kommunikationssysteme der Streitkräfte und das Sicherheitssystem für die olympischen Sommerspiele im Jahr 2004. Schmiergeldzahlungen durch deutsche Unternehmen sind zuletzt auch bei mehreren milliardenschweren Rüstungsgeschäften öffentlich geworden.

So wird der Panzerhersteller Krauss Maffei Wegmann (KMW) durch ein sich selbst belastendes Geständnis von Antonios Kantas, Leiter des griechischen Direktorats für Rüstung von 1992 bis 2002, beschuldigt, Schmiergeld in Höhe von 1,7 Mio. Euro gezahlt zu haben. Die Gegenleistung war der Verkauf von 170 Leopard-2-Panzern des Unternehmens an Griechenland zum Preis von 1,7 Mrd. Euro. KMW bestreitet den Korruptionsvorwurf mit dem Hinweis, dass Kantas zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Kaufvertrags im Jahr 2003 nicht mehr im Amt gewesen sei. Kantas selbst hingegen betont seine Rolle bei der Zusammenstellung der spezifischen Ausschreibungskriterien und der Vergabe des Auftrags. Die Vorwürfe decken sich mit den Ermittlungen der in Deutschland zuständigen Bremer Staatsanwaltschaft.

Letztere ermittelte auch gegen die Rüstungsunternehmen Rheinmetall und Atlas Elektronik, die 2003 zur Rheinmetall Tochterfirma Rheinmetall Defence Electronics GmbH (RDE) teilfusionierten. RDE musste im Dezember 2014 ein Bußgeld von 37 Mio. Euro an die Stadt Bremen zahlen. Panagiotis Efstathiou, ehemaliger Griechenland-Vertreter von Atlas, sagte aus, 18 Mio. Euro von Rheinmetall und Atlas Elektronik erhalten und mit etwa der Hälfte des Geldes griechische Offiziere und Beamte des Verteidigungsministeriums bestochen zu haben (den Rest habe er versteuert angelegt). Zum einen ging es dabei um den Kauf von 54 Flugabwehrsystemen des Typs ASRAD für Nahbereich und Truppenschutz im Wert von etwa 150 Mio. Euro und zum anderen um die umfassende Modernisierung griechischer U-Boote der Poseidon Klasse.

In dieses und andere U-Boot-Geschäfte mit Griechenland war auch die Handelsgesellschaft Ferrostaal verwickelt, die ihre Boote auf den Werften des Konzerns ThyssenKrupp gebaut hatte. Seit Ende 2013 ist sie mit 50 Prozent an der Rheinmetall International Engineering GmbH beteiligt. Nach Verurteilung durch die Münchner Staatsanwaltschaft musste Ferrostaal wegen Bestechungsdelikten 140 Mio. Euro Bußgeld zahlen und zwei seiner Manager wurden mit Freiheitsstrafen auf Bewährung belegt.

Insgesamt sind die Ermittlungsanstrengungen bei Bestechungsverdacht und auch die Strafverfolgung bei schweren Korruptionsdelikten mangelhaft. Häufig ist das Strafmaß im Vergleich zum vorher erreichten Geschäftsgewinn sehr gering, sodass keine besonders große Abschreckung vor Korruption aufgebaut wird. Ferner bedürfen in Deutschland eingegangene griechische Rechtshilfegesuche mit europäischem Haftbefehl der Bewilligung der zuständigen Landesjustizbehörden, die oft nicht erfolgt. Es ist davon auszugehen, dass weit mehr als die öffentlich bekannt gewordenen Korruptionsfälle existieren.

Wie deutlich geworden ist, ist diese durch die Milliardengeschäfte mit Griechenland unwidersprechlich gefördert worden in der Vergangenheit. Die deutsche Rüstungswirtschaft hat sich in den letzten Jahren zu einem großen Exporteur von Waffen entwickelt.  Da erhärtet sich der Verdacht, dass es sich bei der Bestechung nicht um Einzelfälle handelt und dass die Rüstungsindustrie sich ferner zwangsläufig zum Profiteur von bestimmten Konflikten macht. Beispielsweise profitiert KMW stark von der Ukraine-Krise. Mit skandinavischen und osteuropäischen Ländern hat es zuletzt mehrere Panzeraufträge abschließen können. Auch die Bundeswehr verkauft Rüstung an Griechenland. Einer Anfrage der LINKEN Bundestagsfraktion (Drs. 18/501) zufolge befinden sich darunter Haubitzen, Leopard- und Gebirgspanzer.

Griechenland ist hoch gerüstet und hochverschuldet. Dieser Umstand verleiht der aktuellen Behandlung des Landes, das durch die anhaltende europäische Finanz- und Wirtschaftskrise schwer gezeichnet ist, eine weitere Dimension. Profitiert von den Hilfskrediten haben allen voran die internationalen Gläubiger, die auf griechische Staatsanleihen gesetzt hatten, nicht die griechische Staats- oder Sozialkasse. Zusätzlich bestand Bundeskanzlerin Merkel bis zuletzt darauf, dass sämtliche Verpflichtungen aus Waffengeschäften eingehalten und bezahlt werden. Versuche der im Januar 2015 gewählten linken Syriza-Regierung zur sozialen Krisenlösung – durch Lohnerhöhung, Anhebung der Sozialausgaben und Investitionen in die Realwirtschaft – wurden von den Institutionen fortwährend blockiert.

Diese neoliberale Politik ist eine Politik im Interesse der Großkonzerne und Investmentbanken. Sie ist ausgerichtet auf deren Profit, nicht an den Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung. Zivile Investitionsmaßnahmen wären längst notwendig zur Überwindung der wirtschaftlichen Rezession in Griechenland, nicht langfristig abzuzahlende Rüstungsgeschäfte in Milliardenhöhe, die real nur die Verschuldung der Volkswirtschaft vorantreiben – und eben auch Korruption begünstigen, die häufig mit millionenschwerer Steuerhinterziehung Hand in Hand geht.

Franziska Lindner, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Inge Höger, MdB

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