Ahmad Mansour, Psychologe und Programmdirektor der European Foundation for Democracy, verbreitet in einem Interview mit Deutschlandfunk vom 20.7.16 wieder ein Mal seine Thesen. Er hat zwar recht, dass es wenig Sinn macht beim Attentat von Würzburg von einer Turbo-Radikalisierung zu sprechen, da es immer längere Prozesse sind, die solche Phänomene erst möglich machen.
Aber folgende Aussagen sind sehr weit hergeholt und ziemlich verkürzt: ‘‘Wenn Menschen mit Werten und Ideologien groß werden, wo das Leben eigentlich verachtet wird, wo man den Tod lebt (…) wenn Feind- und Opferrollen geschaffen werden, wenn man entmündigt wird durch ein Religionsverständnis, was von den Menschen eigentlich Gehorsamkeit erwartet, das man nicht denkt, nicht hinterfragt, dann kann man sich nicht wundern, dass diese Menschen bereit wären, sogar Menschen zu ermorden und in den Tod zu gehen, angeblich mit der Hoffnung, dass sie ins Paradies kommen oder dass sie sich vor der Hölle retten.‘‘
Mansour spricht sogar davon, dass wir Moscheevereine und Islamverständnisse haben, ‘‘die immer noch diese Werte in sich tragen, Feindbilder schaffen, das Leben verachten.‘‘ Aber wer außer einer klitzekleinen Minderheit von radikalen Islamisten oder Takfiris verachtet denn bitte das Leben und liebt den Tod? Wie alle anderen Menschen auch, liebt die überwiegende Mehrheit der Muslime sich und ihr Leben viel zu sehr als dass sie sich durch Attentate in den Tod stürzen würden. Den Islam als Haupterklärungsansatz für Radikalisierung heranzuziehen ohne ein Wort über den Imperialismus und Kapitalismus zu verlieren, die zum großen Teil durch Armut, Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit erst den Nährboden für diese Radikalisierung schaffen, ist ziemlich blindäugig. Dass man sich fragen müsse, „wie konnte so ein Monster innerhalb von uns [Muslimen] entstehen?“ wird nur einen sehr geringen Beitrag zur Ursachenforschung des Problems leisten.
Mansour kommt leider nicht darauf, dass es ein fundamentales Problem mit dem heutigen System gibt, welches die Entstehung solcher Monster erst möglich macht. Dass westliche Interventionskriege Menschen in die Flucht treiben und einige radikalisieren, dass der Rassismus und Neoliberalismus die Menschen entfremdet und so dermaßen desillusioniert, dass einige wenige lieber sterben als dieses miserable Leben zu führen. Dass einige wenige Muslime und Konvertiten den Islam mit dem Glauben benutzen durch die Ermordung von ‘‘Ungläubigen‘‘ ins Paradies zu kommen ist dabei weniger Ursache als Symptom der völligen Entfremdung. Aber Mansour und andere bürgerlichen ‘‘Terrorismusexperten‘‘ kratzen lieber an der Oberfläche als tiefgehende Ursachenforschung zu betreiben. Bei der ganzen Misere auf der Welt sollten wir uns eher darüber wundern, warum es eigentlich so wenige Anschläge von Entrechteten und Unterdrückten gibt, anstatt darüber erstaunt zu sein, dass sie überhaupt stattfinden.