http://www.izquierdadiario.es/La-derecha-llama-a-la-Espana-de-los-balcones-a-una-marcha-reaccionaria

Wenn die Mitte mit Nazis auf die Straße geht

Stellt euch vor in Deutschland würden CDU und FDP zu einer bundesweiten Demonstration mit AfD, NPD und faschistischen Kameradschaften aufrufen, zu der sie sogar Busse in beliebig vielen Städten zur Verfügung stellen. Genau das passiert heute in Spanien. PP und Ciudadanos (Cs) mobilisieren mit VOX, Falange und Hogar Social nach Madrid für die Einheit Spaniens, dem Rücktritt von Pedro Sanchez und Neuwahlen zu demonstrieren.[1] Ein ganz gefährliches Spiel des Zusammenrückens der „Mitte“ und extremer Rechte.

Seit dem politischen Erdbeben vom 2. Dezember tritt die politische Rechte gestärkt in Parlament und Straße auf. Die Regionalwahlen in Andalusien und der damit verbundene erstmalige Einzug der rechtsextremen VOX in ein Landesparlament markiert eine politische Zäsur. Nicht nur, dass nun eine Partei rechts von der nationalkonservativen PP in Erscheinung tritt, sie beteiligt sich nun auch aktiv an der Landesregierung mit PP und Cs. Nach 37 Jahren sozialdemokratischer Regierung hat die PSOE in ihrem Stammland eine schwere Niederlage eingefahren. Die konservative CDU Schwesterpartei war bereitwillig mit jeder Partei im rechten Lager zu koalieren solange sie hier an die Staatsapparate gelangt.

Die Wahlen geschahen in Zeiten starker Auseinandersetzungen mit der Unabhängigkeitsbewegung Kataloniens, in der viele Menschen in Andalusien eine Bedrohung sahen, da der Süden nicht unerheblich vom reicheren Norden finanzielle Unterstützung erhält. Der Diskurs wurde maßgeblich von PP und Cs, gepaart mit rassistischer Hetze gegen Flüchtlinge, geführt, die massenhaft Stimmen für VOX brachten. Auch hier kann man Parallelen zu Deutschland ziehen: VOX wurde von Ex-PP Mitgliedern gegründet und wirkt in den einstigen konservativen Hochburgen, wie zum Beispiel in Almeria, stark. In der von massenhaften Gewächshäusern geprägten Provinz, in der vor allem als illegalisiert geltende Menschen aus Afrika bei brutalsten Bedingungen arbeiten, gewann VOX sogar das Wahlbezirk El Ejido. Hier sprangen 20% der Wähler*innen von PP zu VOX über. Die ultra-Zentralstaatspartei VOX möchte jegliche Autonomiestatus auflösen, Flüchtlinge ausweisen und der feministischen Bewegung Einhalt gewähren. Zu letzterem plant sie bereits in Andalusien mit PP und Cs das Gesetz zum Schutz vor Gewalt in der Ehe streichen, obwohl seit 2003 mehr als 1000 Frauen durch ihre Lebensgefährten ermordet worden sind und die Dunkelziffer ein vielfach höheres darstellt.

Nach nicht einmal 40 Jahren Ende der faschistischen Diktatur unter Franco in Spanien scheint die extreme Rechte an Popularität zu gewinnen. Die viel zu geringe Auseinandersetzung mit dieser dunklen Vergangenheit führt eben auch dazu, dass Neoliberale und Konservative ohne Probleme mit offen faschistischen Kräften paktieren und nun sogar auf die Straße gehen. Erschreckend wie schnell aus Regierungsbeteiligung nun auch gemeinsame Mobilisierungen mit Falange (in positiver Tradition zu den Falangisten im spanischen Bürgerkrieg stehend) und Organisationen wie Hogar Social, denen Häuser in ganz Spanien gehören, in der Sozialdienste „nur für Spanier“ geleistet werden, nationalsozialistisches Gedankengut gefördert wird und Angriffe gegen Linke, Muslime und LGBT ausgeführt werden, geführt werden.[2]

Währenddessen hatte die sozialdemokratische PSOE Regierung gemeinsam mit dem linken Parteibündnis Unidos Podemos zum neuen Jahr einen deutlichen Anstieg des Mindestlohns auf 1050 Euro durchgesetzt.[3] In den aktuellen Umfragen sieht es trotz der Zusammenarbeit rechter Parteien nicht schlecht für die Sozialdemokraten aus, die in den aktuellen Umfragen bei 30 % stehen, gefolgt von Cs 17%, Unidos Podemos und PP mit jeweils 15 % und VOX 6,5%. Überraschenderweise stellt der zweitbeliebteste Politiker Spaniens Alberto Garzón von der kommunistischen PCE dar.[4] Trotzdem darf darauf nicht spekuliert oder gehofft werden. Laut mehreren Aktivist*innen sei die geringe 40% Wahlbeteiligung bei den Wahlen in Andalusien auch ein Grund für den erstarkenden Rechtsruck gewesen. Außerdem zerspaltet sich PODEMOS gerade an inneren Streitigkeiten. Die Ankündigung der Madrider Bürgermeisterin, die noch 2015 als Spitzenkandidatin des Linksbündnis antrat, mit einem weiteren hochrangigen Mitglied von PODEMOS eine eigene Liste für Madrid bei den anstehenden Wahlen aufzustellen, schwächt die gesellschaftliche Linke, während die „Mitte“ unverhohlen mit Rechtsextremen auf den Straßen Spaniens marschieren. Der parlamentarisierte und nicht organisierende Ansatz der Linkspartei schwächt die Aktivierung von Tausenden Menschen, obwohl alleine PODEMOS über eine halbe Millionen Mitglieder inne hat.

Die nächsten Monate werden spannend und wichtig sein für die Linke durch massenhafte antifaschistische Mobilisierungen die Rechten zurückzudrängen und zu isolieren, vor allem in Hinblick auf die kommenden Kommunal- und Regionalwahlen im Mai. In den letzten Wochen hat sie mehrfach im ganzen Land dies bewiesen und wird in Zukunft weiterhin tun. Vor allem die riesige feministische Bewegung gilt als Garant antifaschistischer Arbeit und ruft zum Frauenkampftag am 8. März wieder zu Streiks auf mit einem wahrscheinlich zusätzlichen antirassistischen Schwerpunkt.


[1] El Pais: PP y Ciudadanos fletan decenas de autobuses en toda España para la manifestación del domingo, in: El Pais, https://elpais.com/politica/2019/02/08/actualidad/1549632624_470159.html?id_externo_rsoc=FB_CM&fbclid=IwAR1h6fR8ZV4gluEMUMrOKxQXN1_ObLtECQo6MYiXiYZGGwXfFgPTJLI53Pc, Stand: 9.02.2019, Aufruf: 10.02.2019.

[2] Martín, Daniel: Hogar social Madrid: el colectivo neonazi que reparte comida „solo para españoles“, protesta frente al Ayuntamiento y ataca la mezquita, in: El Mundo, https://www.elmundo.es/madrid/2016/03/23/56f2d87a22601dd33d8b457a.html, Stand: 23.03.2016, Aufruf: 10.02.2019.

[3] Handelsblatt: Spaniens Regierung hebt Mindestlohn an, in: Handelsblatt, https://www.handelsblatt.com/politik/international/wahlgeschenk-spaniens-regierung-hebt-mindestlohn-an/23792540.html, Stand: 21.12.2018, Aufruf: 10.02.2019.

[4] Bárometro CIS: El PP pasa a cuarta fuerza política según el barómetro del CIS, in: El Pais, https://elpais.com/elpais/2019/01/31/media/1548939338_080397.html, Stand: 31.01.2019, Aufruf: 10.02.2019.


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Eine Antwort

  1. Einst sahen „Dominikaner“, „Lutheraner“ und „Calvinisten“ usw. in allen, die nicht ihrer Meinung waren „Ketzer“. Daraufhin lehrte Immanuel Kant mit seinem „sapere aude“, den Mut aufzu-bringen, sich des eigenen Verstandes zu bedienen und mit seinem „kategorischen Imperativ“ forderte er jenen Anstand, den Jürgen Habermas einmal als „herrschaftsfreien Diskurs“ in Zeiten anmahnte, als „Linke“, „Antifaschisten“, „Neoliberale“, „Antideutsche“ usw. noch nicht die Deutungshoheit für sich allein beanspruchten, mit ihrem gemeinsam entwickelten polemischen Vokabular („Nazis“, „Rassisten“, „Antisemiten“ usw.) jene aus dem öffentlichen Diskurs fernzuhalten, die ihren Idealen einer grenzenlosen Solidarität (oder geht es doch nur um einen grenzen-losen Zugang zu Märkten, Rohstoffen, billigen Arbeitskräften, um hohe Mieteinnahmen usw.) nicht ebenso nachzueifern Gedenken.

    Echte Nazis hatten übrigens die Absicht, Russland von seinem Herrscher zu befreien und in der Ukraine Lebensraum für Deutsche zu erobern. Wie es der Zufall so fügt, haben Neoliberale und Neocons die gleiche Absicht. Doch welche Absicht verfolgen denn nun die „Nazis“ in Spanien?

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