Schon fast zwei Jahre dauern die Sanktionen, die der Westen Rußland auferlegt hat, als Sanktion für Rußlands Ukraine Politik. Die Sanktionen treffen, im Gegensatz zu den Behauptungen, die russische Bevölkerung nicht aber ihre Führung. Wir haben Julius Zukowski-Krebs, Bundessprecher der Linksjugend [solid] über seine Teilnahme an einer Konferenz der russischen Kommunisten, die Auswirkungen der westlichen Sanktionen und warum sie beendet werden sollten, gesprochen.
Die Freiheitsliebe: Julius du hast vor kurzem an einer Konferenz der kommunistischen Partei Rußlands teilgenommen, was stand im Fokus?
Julius Zukowski-Krebs: Das Hauptanliegen der Konferenz war es über die derzeitige Wirtschaftskrise in Russland zu sprechen. Den Menschen in Russland geht es ökonomisch sehr schlecht. Die Krise hat ihre Spuren im Leben jedes russischen Bürgers hinterlassen. Dieses Problem wollte die KP angehen. Und vergessen wir nicht im Herbst sind in Russland Duma Wahlen, die Konferenz war auch so etwas wie der heimliche Wahlkmapfauftackt. Denn um das Thema Krise wird sich der gesammte Wahlkampf in den nächsten Monaten auch drehen.
Die Freiheitsliebe: Warum denn eine Konferenz mit ökonomischen Fokus, wie ist die wirtschaftliche Lage Rußlands aktuell?
Julius Zukowski-Krebs: Nach dem die EU, USA, Australien und viele andere Sanktionen gegen Russland verhängt haben, ist der Rubel-Kurs stark gefallen. Wir erinnern uns, dass noch vor c.a. einem Jahr der Euro fast 100 Rubel kostete. Das ist schon eine ganze Menge wenn man bedenkt dass die letzten 10 Jahre der Euro fast konstant bei 40 bis 50 Rubel lag. Und nicht nur das, viele Produkte wurden von der Ein- und Ausfuhr nach Russland gestoppt, Teilweise aufgrund von Gegensanktionen die, die russische Regierung eingeleitet hatte. Für die einfachen Bürger Russland bedeutete das nicht nur, dass viele Produkte weg blieben, sondern auch die die noch in den Regalen standen teurer wurden. Gleichzeitig waren ihre Löhne und Renten aufgrund der, mit der Krise gekommenen Inflation, weniger wert.
Ein weiteres großes Problem russischer Wirtschaftspolitik ist es, dass Russland zu abhängig ist vom Rohstoffmarkt. In den letzten zwanzig Jahren, wurde die Russische Wirtschaft auf den Rohstoffexport ausgerichtet, dabei wurden viele Branchen die zur Zeit der Sowjet Union entwickelt wurden, stark vernachlässigt. So wie Beispielsweise die Agrarwirtschaft. Russland verfügt über riesige Kapazitäten für eine gute Entwicklung dieser. Nicht nur wenn man sich die Nutzfläche ansieht sondern auch die dazu gehörige Industrie und Technologien die noch zu Sowjetzeiten entwickelt wurden. Beides wurde stark vernachlässigt. Das ist nur ein Beispiel. Es ist aber bezeichnend für den Zustand der russischen Wirtschaft.
Ein weiteres Problem, ist die starke Stellung der Oligarchen im Land. Sie treten als monopolistische Kräfte in vielen Bereichen der Wirtschaft auf und wenn die Durchsetzung ihrer Interessen mit Marktmitteln nicht klappt, dann kommen etwas unkonventionellere Mittel zum Einsatz. Eigentlich gehört die Durchsetzung von Marktinteressen mit Gewalt den Wilden 90gern an, aber ab und an passiert so was noch heute. Das schadet vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen.
Die Freiheitsliebe: Wie stark wirken sich die Sanktionen aus?
Julius Zukowski-Krebs: Wie ich bereits gesagt habe, wirken die Sanktionen vor allem auf die Bevölkerung. Die Preise sind immens gestiegen, die Löhne hingegen gefallen und viele Produkte die früher importiert wurden, fehlen gänzlich in den Regalen. Für den durchschnittlichen Arbeiter heißt es vor allem den Gürtel enge schnallen zu müssen. Auch leiden die kleinen und mittleren Unternehmen unter der Krise, besonders die Gastronomie und der Tourismussektor. Nicht nur, dass viele Menschen gerade in Krisenzeiten auf Luxus verzichten, macht den Branchen zu schaffen, sondern auch, dass viele Produkte die früher günstig aus der EU importiert wurden, jetzt teuer aus den BRICS-Staaten eingekauft werden und nicht selten sind die Produkte minderer Qualität. Also man kann sagen das die Sanktionen gegen Russland weh tun, aber leider den Falschen. Zusätzlich verstärken sie anti-westliche Ressentiments. Wenn die Menschen davor diffuse Vorurteile gegenüber EU und USA hatten, jetzt haben sie konkrete Gründe diese zu haben.
Die Freiheitsliebe: Welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Lage schlägt die KP vor?
Julius Zukowski-Krebs: Die KP setzt, und das wurde unmissverständlich deutlich auf der Konferenz kommuniziert, auf klassische Keynesianische Methoden, die ja bereits während der Griechendlandkrise von vielen Linken favorisiert wurden. Zunächst ein wichtiges Element der Strategie der KP und für mich relativ überraschend war es, dass die KP für einen russlandweiten Mindestlohn wirbt. Eine konkrete Summe wurde noch nicht genannt, aber die Diskussion, die für Russland absolut neu ist, hatte damit begonnen. Was ein wirklich wichtiger Schritt hin zu einem Sozialstaat ist, in einem Russland das zwanzig Jahre lang auf die Deregulierung sowohl des Finanz- als auch des Arbeitsmarktes gesetzt hatte.
Als eine weiter Maßnahme zur Überwindung der Krise wurden größere Investitionen in kleine und mittlere Unternehmen vorgeschlagen. Die Wende hin zu kleinen und mittleren Unternehmern hatte die KP zwar bereits in den neunzigern gemacht. Diese blieb bisher jedoch ohne größere Erwähnung. Erst seit einigen Jahren drängt die KP verstärkt darauf dass gerade kleinere Agrarunternehmen, über die ich schon vorher gesprochen habe, stärker subventioniert werden. Das ist gerade in den Zeiten solcher Krisen entscheidend.
Und nicht zuletzt, die Verstaatlichung von großen Energiekonzernen und Banken. Ein alltime-favourite der KP seit den neunzigern, den sie zu jeder Wahl aus ihrem radikalen Täschchen raus kramen. Und auch wenn die Forderung mittlerweile alt und abgedroschen wirkt, hat sie zurecht den Status eines Dauerbrenners. Russlands Energiewirtschaft und das Bankensystem befindet sich fest in den Händen der Oligarchie. Was läge da näher als sie diesen zu entreißen. Zumal bedarf der russische Staat dringende Investitionen in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur.
Die Freiheitsliebe: Wie beurteilt die KP Rußlands den Eingriff in Syrien?
Julius Zukowski-Krebs: Ja hier greifen die alten Verbindungen. Die KP befürwortet die russische Intervention, schlimmer sogar einige Abgeordnete forderten sogar die Einführung von Bodentruppen. Das ist Teil eines ehemals staatstragenden Verständnisses. Ich sehe das oft bei russischen Linken bzw. Anhängern der KP. Das Trauma des Zusammenbruchs der Sowjet Union scheint noch nicht überwunden zu sein. Ich habe öfter das Gefühl dass Analysen, Konzepte und Handlungen der KP gemacht werden als existiere noch der Real Sozialismus. Und das nicht nur was die innere sondern auch außen Politik angeht.
Die Freiheitsliebe: Hast du mit der Kommunistischen Partei über ihre diskriminierende Haltung zur Homosexualität geredet?
Julius Zukowski-Krebs: Nicht dieses spezielle Mal aber durch aus kam das Thema bei anderen Besuchen zur Sprache. Ihre Haltung ist zweifelsohne Falsch, es gehört jedoch auch zu verstehen warum dies so ist ohne das gut zu heißen.
Die Freiheitsliebe: Wie kommt eine solche Position zu Stande, die mit Emanzipation absolut nichts zu tun hat?
Julius Zukowski-Krebs: Russland und seine Demokratie existiert gerade einmal seit 20 Jahren, dem sind knapp 70 Jahre Sowjet Union vorhergegangen. Das heißt auch liberale Ideen sind noch neu und nicht besonders stark in der Gesellschaft verankert. Der Kampf um sexuelle Emanzipation oder gar Freiheit hat gerade erst begonnen. Überhaupt das Thema Sex. Es gibt einen sowjetischen Witz der genau das aufgreift. „In der Sowjet Union hatten wir keinen Sex, wir haben uns geliebt.“ Ich glaube das bringt es am besten zum Ausdruck. Das Thema Sex insgesamt war weitgehend Tabu. Viele Junge Menschen wussten nicht wie das mit Bienchen und Blümchen geht. Ich las neulich einige Interviews mit russischen Frauen zu diesem Thema und diese Sagten, dass sie nicht einmal wussten was ein Orgasmus war und ob man das in der Ehe überhaupt erreichen konnte. Die Sexualmoral also war sehr rigide. Und so finden erst jetzt viele Prozesse statt die in Europa teilweise bereits in den 60gern passiert sind und über Jahrzehnte mühsam erkämpft wurden. Auch in Europa ist die Emanzipation nicht vom Himmel gefallen. Und hier brachen all die Entwicklungen der letzten 50 Jahre des Westens in gerade mal zwei Jahrzehnten über Russland herein. Das ist schon etwas schwer für eine Gesellschaft. Deswegen sollten wir vll. aufhören die Russen als Mittelalterliche Wilde zu betrachten, genau so wie wir aufhören sollten US Amerikaner als durchgeknallte Waffennarren zu sehen. Ohne jedoch aufzuhören den Kampf für mehr Rechte zu unterstützen.
Die Freiheitsliebe: Welche Position nimmt sie zu anderen gesellschaftlichen Fragen wie dem Kampf gegen Rassismus und Rechtsradikalismus ein?
Julius Zukowski-Krebs: Naja der Anti-Faschismus ist teil der Parteiraison. Der Sieg im „Großen Vaterländischen Krieg“ und die daraus folgende Verpflichtung zum Kampf gegen jeglichen Faschismus, ist tief im Bewusstsein der KP verankert. Gerade bei Naziblockaden in vielen Städten Russlands sind sie öfter die einzige Kraft, eben dort wo eine radikale Linke gänzlich fehlt. Beispielsweise in der Peripherie. Auch hat wie ich bereits gesagt habe die KP ein sowjetisches Verständnis vieler Dinge und ist deshalb auch für ein Russland als Vielvölkerstaat. Was Russland so oder so bereits ist. Auch wenn viele es nicht wahrhaben wollen.
3 Antworten
Top, da hat sich aber jemand über Russland, speziell bei den russischen Kommunisten informiert! Desjenigem Informiertheit würde ich schon als katastrophal bezeichnen. Denn selbst russische Kommunisten sind hochgebildete Menschen. Julius Damal hat schlicht einen Wodka zuviel gesoffen: „In der Sowjet Union hatten wir keinen Sex, wir haben uns geliebt.“ Ich glaube das bringt es am besten zum Ausdruck. Kotz!!! Der Mann gehört mit dieser Meinung in die „Geschlossene“! Habt ihr mal überprüft, ob der nicht zufällig in den USA war?
Echt was ist denn daran uninformiert? Fragen zu Sanktionen und dem Zustand der KP sind es wohl nicht.
Schon die Überschrift ist dermaßen naiv. Wann treffen schon Sanktionen die Eliten,die Macht in einem Land,ziemlich selten,denn was durch Sanktionen verloren geht holt man sich eben auf andere Art und Weise, selbstverständlich bei der Bevölkerrung. Aber das ist auch nicht das Thema. Westliche Sanktionen sollen aber genau die Bevölkerung treffen, denn Länder werden seit eh und jeh von innen heraus destabilisiert. Wächst irgendwann der Unmut der Bevölkerung über die Sanktionen gibt man häufig auch der eigenen Politik die Schuld, auf jeden Fall wächst die Gefahr von inneren Unruhen, die werden darüber hinaus durch andere Massnahmen angeheizt. So stützt man heute Regierungen,scheint aber in Russland nicht aufzugehen, weil dieses perfide Spiel der westlichen Welt schon längst durchschaut wurde. lg