Universität Wien untersagt öffentlichen Vortrag eines Afro-Amerikanischen Aktivisten

Die Universität Wien beugte sich dem Druck der österreichischen Israel-Lobby und verbat den öffentlichen Vortrag eines schwarzen Aktivisten aus den USA.

In der Zwischenzeit wurde ein bedeutender Sieg für die freie Meinungsäußerung in Deutschland errungen: das Ruhrtriennale-Festival machte die Ausladung der Young Fathers Band, weil sie die Rechte der Palästinenser unterstützen, rückgängig.

Das Referat des ehemalige Mitglieds der Black Panther Party, Dhoruba Bin-Wahad, war ursprünglich am Institut für Afrikanistik der Universität Wien geplant. Der Vortrag wurde von Dar al Janub, einer Anti-Rassismus- und Palästina-Solidaritätsorganisation, gesponsert.

Doch in den vergangenen Wochen wurde die Universität von der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) und den Österreichischen Jüdischen Hochschülern (JÖH) unter Druck gesetzt die Veranstaltung abzusagen.

Sie behaupten dass Dar al Janub eng mit der palästinensischen Solidaritätsgruppe BDS Austria verbunden sei und dass beide Organisationen antisemitisch seien.

Doch erst nach der Beteiligung der Israelitischen Kultusgemeinde (d.h. dem Zentralrat der Juden in Österreich) war diese Zensurkampagne erfolgreich.  Die Kultusgemeinde diffamierte Bin-Wahad als Anti-Semiten und Kriminellen auf Grund seiner Beteiligung am schwarzen Befreiungskampf der in den sechziger Jahren von den US-Behörden massiv unterdrückt wurde.

Drakonische Einschränkungen

Laut E-Mail-Korrespondenz der Universitätsverwaltung die der Electronic Intifada vorliegt wurden seitens der Universität zunehmend Einschränkungen auferlegt infolge derer die Veranstaltung nicht auf dem Campus abgehalten werden konnte.

Darunter:  jegliche Beteiligung von Dar al Janub zu verbieten und zu insistieren dass der Dozent sich strikt an das beworbene Thema hält und „antisemitischen Aussagen“ unterlässt.

Des Weiteren würde ein Dekan, Melanie Malzahn, der Veranstaltung beiwohnen und ermächtigt sein sie abzubrechen falls ihres Erachtens irgendeine der Bedingungen missachtet worden wären.

Auch entschied die Universität die Teilnahme der Öffentlichkeit zu untersagen und nur eine Handvoll von Studenten am Referat Bin-Wahads teilnehmen zu lassen.

Als die Electronic Intifada Dekan Malzahn erreichte antwortete sie:  „Ich bin in einer Besprechung, und habe jetzt keine Zeit.“  Dann legte sie barsch den Hörer auf.  Auf die Folgeanfrage per E-mail reagiert sie nicht.

Bin-Wahad und Dar al Janub lehnten die drakonischen Restriktionen der Universität ab und verlegten die Veranstaltung zum Afripoint – einem afrikanischen Kulturzentrum in Wien.

In einer Pressemitteilung, die den Wechsel des Veranstaltungsorts ankündigte, sagte Dar al Janub, die Universität habe sich „unakzeptablem Druck“ von Studentenvereinigungen und anderer Interessensgruppen gebeugt.

Kurz bevor die Einschränkungen von der Universität oktroyiert wurden fand ein geschlossenes Treffen zwischen Rektor Heinz Engl und den Vertretern der Österreichischen Hochschülerschaft sowie den Österreichischen Jüdischen Hochschülern statt.

Antisemitismusvorwurf

Eine weitere Interessengruppe, die Israelitische Kultusgemeinde in Wien, übermittelte der Universität ein Dossier bezüglich Bin-Wahad, das an  Dar al Janub weitergeleitet wurde.  Eine Übersetzung der darin enthaltenen Vorwürfe liegt der Electronic Intifada vor.

Laut IKG war Bin-Wahad, durch die Mitgliedschaft in den Black Panthers und der Black Liberation Army, Teil einer „kriminellen Organisation, die Bombenanschläge, Tötungen von Polizeibeamten und Drogenhändlern durchführte und für Raubüberfälle verantwortlich gewesen sei“.

Tatsächlich wurde Bin-Wahad 19 Jahre lang zu Unrecht inhaftiert wegen eines mutmaßlichen Versuchs im Jahr 1971 zwei Polizeibeamte zu töten. 1990 wurde er entlastet und erhielt daraufhin $900.000 Schadenersatz von der New Yorker Polizeibehörde und dem FBI.

Seine persönliche und politische Geschichte war das beworbene Thema seiner geplanten Vorlesung.

Die Black Panthers, zusammen mit Antikriegsaktivisten, linken Gruppen und dem American Indian Movement, waren Zielscheiben eines geheimen FBI-Programms (COINTELPRO) das die Störung und Sabotage ihrer Arbeit bezweckte, unter anderem indem das FBI mittels geheimer Agenten, kriminelle Aktivitäten initiierten, um diese Organisationen zu diskreditieren.

Berühmt-berüchtigt ist der Fall von Fred Hampton, dem stellvertretende Anführer der Black Panther Party im Bundesstaat Illinois,  Hampton wurde im Rahmen dieser Repression in 1969, in seinem Bett schlafend, von eine Todesschwadron der Chicagoer Polizei ermordet.

Bin-Wahad gab jn 1993 ein Buch „Still Black, Still Strong“ heraus, das Zeugnisse von Überlebenden des Kriegs der US-Regierung gegen die Schwarze Befreiungsbewegung beinhaltet.  In einem Video-Interview mit VladTV erzählt er seine persönlichen Erfahrungen (https://www.youtube.com/watch?time_continue=12&v=ErVqd72zEOA).

Die IKG behauptete auch, es gebe „berechtigte Gründe anzunehmen, dass der Redner bei der Veranstaltung am Donnerstag antisemitische Bemerkungen machen könnte“.

Als Beweis nannte die Gruppe zwei Aussagen Bin-Wahads.  In einer beantwortete er die Frage warum viele sogenannte politische Anführer der afro-amerikanischen Bevölkerung keine größere Solidarität mit Palästinensern bezeugten.

„Ich denke, dass das Schweigen der schwarzen politischen Elite und vieler sogenannter schwarzer Reformer und Aktivisten die Folge von Eingriffen in die politischen Kräfte der afrikanischen Gesellschaft ist „, hatte Bin-Wahad geantwortet. „AIPAC und die zionistische Lobby in Washington und jüdisches Geld im ganzen Land waren historisch ein wichtiger Faktor in der Bürgerrechtsbewegung.“

In einer anderen, von der Kultusgemeinde zitierten Erklärung, sagte Bin-Wahad, dass die US-Regierung „immer eine Politik verfolgt hat, deren Ziel es war die schwarze Gesellschaft und ihre Anführer von den Kämpfen der Menschen für Selbstbestimmung und Befreiung und insbesondere die der Araber und Palästinenser zu spalten.“

Die IKG erhob auch Einwände gegen Bin-Wahads Bezeichnung Israels als „europäischen Siedlerstaat“ und seiner Ablehnung von Israels „Recht auf Selbstverteidigung“.

Er beschuldige auch „eine schwarze Komprador-Klasse und schwarze gewählte Amtspersonen“, Geld von „der israelischen zionistischen Lobby und dem rechten Flügel in Amerika zu akzeptieren“.

Schwarze Stimmen zum Schweigen bringen

Die Macht der Israel-Lobby, einschließlich ihrer Beziehungen zu den politischen Führern und Eliten der Schwarzen, bleibt ein lebhaftes Diskussionsthema in den Vereinigten Staaten, auf der linken sowie auf der rechten Seite.  Meinungen über Israel stehen fast immer im Mittelpunkt dieser Debatten.

In einem Artikel aus dem Jahr 2007, zum Beispiel, trassierte  dieser Autor, wie der damals wenig bekannte Chicagoer Politiker, Barack Obama, im Zuge seines Aufstiegs zur nationalen Bekanntheit, zunehmend die harten anti-palästinensischen Gesprächsthemen der mächtigen israelischen Lobbygruppe AIPAC übernahm.

Im Jahr 2010, schrieb Glen Ford, Redakteur des Black Agenda Report, dass „der unerbittliche Druck der israelischen Lobby es geschafft hat, die meisten schwarzen Abgeordneten zum Kauern zu bringen, aus Angst, als anti-israelisch bezeichnet zu werden.“

„Seit mindestens Mitte der sechziger Jahre handelten viele jüdische Organisationen die schwarzen Sympathien für das palästinensische Volk als regelrechten Antisemitismus der Art wie es Juden von Weißen erlebten „, bemerkte Ford. „In manchen jüdischen Kreisen wird es als eine Binsenwahrheit akzeptiert, dass Schwarze antisemitisch sind.“

In einem kürzlich erschienenen Artikel für des rechtsextreme, anti-palästinensische Magazin, Commentary, recycelt der pro-israelische Aktivist Jamie Kirchick Behauptungen über die “ Sorglosigkeit gegenüber Antisemitismus und dessen weite Verbreitung in der afro-amerikanischen Gesellschaft“.

Mit einer ausgetretenen Taktik, verwendet Kirchick die marginalen Ansichten des Anführers der Nation of Islam, Louis Farrakhan, um Millionen schwarzer Menschen zu diffamieren und schwarze Aktivisten einzuschüchtern, und sie zum Rückzug von der Zusammenarbeit mit jüdischen Gruppen, die die Rechte der Palästinenser und die Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen (BDS) Bewegung unterstützen – insbesondere die Jüdische Stimme für den Frieden (JVP) – zu bewegen.

Die Hetzkampagne kommt inmitten einer Wiederbelebung der historisch starken schwarzen Solidarität mit Palästina in den Vereinigten Staaten.

Zu verhindern, dass Schwarze AktivistInnen auf die Geschichte und den politischen Kontext solcher Unterstellungen reagieren oder diese diskutieren – wie es die Universität Wien getan hat – befuerwortet, in der Tat, den Angriff auf ihre Bewegung  um sie zum Schweigen zu bringen.

Genozid Hetzer sind willkommen

Es ist ein fest etablierter Grundsatz, dass man nicht mit den Ansichten eines Referenten einverstanden sein muss um für sein Recht zu reden und das Recht von Studenten und Erziehern mit ihm öffentlich zu diskutieren einzustehen.

Dennoch praktiziert die Universität Wien einen geprägt parteiischen Standard wenn sie entscheidet wer gehört werden darf.

Im Gegensatz zur drakonischen Zensur von Personen und Organisationen, die der Unterstützung der Rechte der Palästinenser verdächtigt werden, begrüßt die Universität Wien Referenten, die die Ausrottung der Palästinenser befürworten.

Im Vorjahr, begrüßten Universitätsbeamten die israelische Justizministerin Ayelet Shaked auf dem Campus, obwohl sie einen Aufruf zum Völkermord an den Palästinensern verbreitet hatte, einschließlich des Abschlachtens von Müttern, die „kleine Schlangen“ zur Welt bringen.

Angesichts heftiger Einwände und Proteste verteidigte die Universität die Einladung zu Shaked im Namen des „Dialogs“ und des „akademischem Diskurses“.

Die Toleranz der Universität Wien gegenüber Leuten wie Ayelet Shaked, die auf Völkermord hetzen, und ihre Intoleranz gegenüber Bin-Wahad und Dar al Janub, die gegen Rassismus und das Erbe von Sklaverei und Kolonialismus kämpfen, ist angesichts der Nazi-Geschichte der Institution zutiefst beunruhigend.

Bin-Wahad sprach am Donnerstagabend zu einem überfüllten Haus am Afripoint, erzählte ein Teilnehmer der Electronic Intifada.

Deutsches Festival ändert Kurs

Das Vorgehen der Universität Wien ist Teil einer Zensurwelle gegen Unterstuetzer palästinensischer Rechte in Deutschland und Österreich.  Eliten in diesen Ländern sind bestrebt die historische Schuld für die Vernichtung der Juden durch die Nazis in die bedingungslose Unterstützung Israels umzulenken.

Aber, in einer überraschenden Entwicklung am Donnerstag, machte Deutschlands Ruhrtriennale-Festival eine Kehrtwende.  Die Entscheidung die in Schottland gegründete und anerkannte Gruppe „Young Fathers“ auszuladen, nachdem sie sich weigerten ihre Unterstützung von BDS und den Rechten der Palästinenser zu verzichten, wurde rückgängig gemacht.

Festivaldirektorin Stefanie Carp sagte, sie möchte „[ihre] Haltung korrigieren“ indem sie die Gruppe wieder einlud und gleichzeitig ihren persönliche Opposition gegen BDS aufrechterhielt.

Der in Beirut lebende Musiker Sherif Sehnaoui bestätigte, dass das Festival sich auch bemüht habe, ihn und vier weitere Künstler, die gegen die Absage von Young Fathers protestiert hatten, wieder einzuladen.

„Hut ab, schon eine ziemliche Errungenschaft im Kontext der deutschen Gesellschaft und gegen jene die BDS fälschlicherweise mit Antisemitismus gleichsetzen“, lobte Sehnaoui die Kehrtwende der Ruhrtriennale.

PACBI, die palästinensische Kampagne für den akademischen und kulturellen Boykott Israels, nannte die Entscheidung einen „Sieg für die freie Meinungsäußerung über die anti-palästinensische Zensur“.

Der Artikel von Ali Abunimah wurde zuerst bei Electronic Intifada veröffentlicht.

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