Uni Mainz: Warum wird eine Veranstaltung mit einem schwarzen Referenten verboten?

Die Veranstaltung ist bereits seit Wochen geplant und der Saal P2 im Philosophicum der Uni Mainz, Jakob-Welder-Weg 18, wurde von der Linken Liste rechtzeitig gebucht, doch die Universitätsleitung entzieht der Linken Liste einen Tag vor der Veranstaltung die Räumlichkeit und untersagt die Veranstaltung mit der vorgeschobenen und fadenscheinigen Begründung, es handele sich um eine „allgemeinpolitische Betätigung“.

Heute, Dienstag der 25. April wird der Soziologe Faisal Garba, der in seiner Dissertation über afrikanische Arbeitsmigranten in Europa forscht, auf Einladung der Linken Liste und des SDS Mainz über „Die Arbeiter- und Studierendenbewegung in Südafrika“ sprechen. Garba hat zuvor an der Universität Kapstadt Arbeitskämpfe gegen das neoliberale Outsourcing technischer Mitarbeiter der Universität, Studierendenkämpfe gegen Studiengebühren und für eine freie Bildung und die Bewegung für die Entfernung der Statue des britischen Kolonialisten und Sozialdarwinisten Cecil Rhodes an der Universität Kapstadt erlebt. Dieses Sinnbild der britischen Kolonisierung und der Unterdrückung durch die „Weißen“ in Südafrika, Simbabwe, Sambia und anderer Staaten wünschten viele schwarzen Menschen an der Universität sich seit langer Zeit weg, doch weder der südafrikanische Regierung des ANC noch die Universitätsleitung wurde tätig bis sich die Protestbewegung von unten 2015 endlich mit ihrer Forderung durchsetzen konnte. Der Guardian berichtete damals über die Entfernung der Bronzeplastik, die mit weißer und roter Farbe besprüht wurde, von Studierenden geschlagen und lautstark unter der Parole amandla („Power“) abtransportiert wurde. In einem Interview von 2015 berichtet Faisal Garba über seine Erfahrungen in Kapstadt.

Warum versucht das Präsidium der Universität Mainz unter dem Präsidenten Prof. Dr. Georg Krausch die Veranstaltung mit Faisal Garba zu zensieren?

Eine Rekapitulation der jüngsten Ereignisse: Letzte Woche Dienstag wurde die Linke Liste plötzlich von der Universitätsleitung aufgefordert, eine Stellungnahme über den Referenten abzugeben, wozu ihr gerade einmal eine Frist von zwei Tagen eingeräumt wurde. Die Begründung dafür war, dass es eine anonyme Beschwerde über die politischen Ansichten des Referenten Faisal Garba gegeben hat. Die Beschwerdeführer versuchen ihn als „Antisemiten“ zu verunglimpfen und stellen dabei nachweislich falsche und aus dem Zusammenhang gerissene Behauptungen über ihn auf, die in dem Schreiben des Präsidiums zitiert werden. Das Präsidium erklärt ferner in dem Schreiben, dass die Universität Mainz „Raum geben [wolle] für verschiedene Meinungen und auch für kontroverse Diskussionen“, und sich gegen „extremistische und radikale Bestrebungen, antisemitische oder gegen andere Religionsgemeinschaften gerichtete Bestrebungen, ausländerfeindliche und homophobe oder gegen Minderheiten gerichtete Ideologien“ richte und verweist auf die Resolution des Senates der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz für Toleranz auf dem Universitätsgelände.

Nachdem sich die Linke Liste am Donnerstagabend des 20. April kurzfristig zum Plenum zusammenfinden konnte, antwortete sie der Universitätsleitung in einer Stellungnahme am darauffolgenden Freitag auf die Anschuldigungen der anonymen Beschwerdeführer. Die Universitätsleitung zeigte kein Verständnis für die geringfügige Überziehung der unrealistischen Frist, da die Veranstaltung bereits am Dienstag stattfinde und signalisierte damit schon ihre Ablehnung, die dann auch am Montag, 24. April, mitgeteilt wurde.

Die Beschwerdeführer stammen mutmaßlich aus dem Umfeld des mehrheitlich „antideutsch“ dominierten AStA, insbesondere der Juso-Hochschulgruppe, und des AStA-Referats für „Politische Bildung“, denn deren Vertretern sich durch ähnliche Aktionen in der Vergangenheit bekannt geworden, bei denen sie vornehmlich und gezielt antirassistische schwarze Menschen und People of Colour als „Antisemiten“ zu verleumden suchten. Hinzu kommt, dass der AStA zeitgleich am Dienstag, 25. April, eine Veranstaltung mit der bekannten Rassistin Naida Pintul vom Zentralrat der Ex-Muslime am gleichen Ort im Nachbarsaal des für die Veranstaltung mit Faisal Garba gebuchten Raums durchführen will. Pintul schreibt auf Facebook Äußerungen wie „der“ Islam habe eine „misogyne Weltanschauung, die Frauen für weniger als Vieh erachtet“ (wörtlich übersetzt aus dem Englischen). Sie verteidigt ein Interview der Vorsitzenden des Zentralrats der Ex-Muslime, Mina Ahadi, mit der rechtspopulistischen „Politically Incorrect“ (PI-News). Zustimmend schreibt sie in einem Facebook-Post vom 20. April über den antimuslimischen Rassismus der AfD: „Es hilft der Sache nicht weiter, in reflexartige Empörung über die Feststellung auszubrechen, dass es vordergründige inhaltliche Schnittmengen zwischen der AfDschen ‚Islamkritik‘ und einer emanzipatorischen, ja feministischen Islamkritik geben könne.“ Ob das bei Pintul wohl auch entsprechend für das Frauenbild der AfD gilt? Unter dem Deckmantel von „Queerfeminismus“ und „feministischer Kritik“ verbreiten Pintul und ihre „antideutschen“ Gesinnungstätern antimuslimischen Rassismus, dessen Existenz sie überdies natürlich noch leugnen. Kurzfristig hat sich ein antirassistischer Widerstand von Studierenden gegen die Veranstaltung mit Pintul mobilisiert, der vor Ort dagegen demonstrieren will. Da stellt sich die Frage, warum hat das Präsidium der Uni Mainz mit einer solchen rassistischen Veranstaltung keinerlei Probleme, wohl aber mit einer wissenschaftlichen Veranstaltung über die Arbeiter- und Studierendenbewegung in Südafrika?

Interessant ist, dass das Präsidium einerseits suggeriert, Garbas politische Meinung und seine wissenschaftliche Arbeit würden der Resolution widersprechen, wobei sich das Präsidium dann in der schriftlichen Untersagung der Veranstaltung auf eine angebliche „allgemeinpolitische Betätigung“ (wie z. B. eine Wahlkampfveranstaltung) beruft. Wird hier der Auseinandersetzung mit der Meinung eines schwarzen Menschen gescheut, während man vor der Konkurrenzveranstaltung des AStA mit einer ausgewiesenen Rassistin die Augen verschließt? Wozu dann noch eine „Resolution für Toleranz“?

Was sind die Verleumdungen und konstruierte Unterstellungen der mutmaßlich „antideutschen“ biodeutschen rassistischen Beschwerdeführer vom AStA gegen Faisal Garba im Einzelnen?

 

Die anonymen Verfasser der Beschwerde haben laut dem Präsidium der Universität Mainz behaupteten, der Referent Faisal Garba habe „öffentlich zum totalen und explizit auch akademischen Boykott des Staates Israel und seiner Universitäten aufgerufen, unter anderem mit der Begründung, der Staat Israel sei ‚ein illegaler Besatzerstaat‘ und ‚ermorde täglich palästinensische Kinder‘“. Garba nahm dazu unmittelbar nach Bekanntwerden der Behauptungen über ihn persönlich Stellung.

In seiner uns vorliegenden Stellungnahme stellt Garba klar, dass er im Mai 2016 unter anderem zusammen mit dem Vizekanzler und Präsidenten der Universität von Kapstadt, Max Price, auf einer Veranstaltung des „Palestine Solidarity Forum“ darüber diskutiert hatte, ob die Universität Kapstadt (UCT) israelische Universitäten boykottieren sollte, die die völkerrechtlich illegale Besatzung der palästinensischen Gebiete unterstützen. Maßgeblich in der Debatte war die Entscheidung der südafrikanischen Universität Johannesburg, jegliche akademische Zusammenarbeit mit der israelischen Ben-Gurion-Universität-des-Negev in Be‘er Scheva/Bi‘r as-Saba (BGU) zu beenden und den akademischen Boykott gegen Israel zu unterstützen, zum Thema hatte. Garba schreibt weiter, dass „die Debatte und seine Ausführungen über den akademischen Boykott [Israels] sind“, er sich auf die UN berief, als er sagte, dass „Israel palästinensisches Land illegal besetzt hält“ und es „zahlreiche UN-Resolutionen gibt, die Israel dazu anhalten, seine völkerrechtlich illegale Besatzung und die Ausweiterung dieser zu beenden“. Die Aussage, dass Israel „täglich“ palästinensische Kinder töte, habe er nicht getätigt. Dagegen brachte er „die Verantwortung der Universität Kapstadt zum Ausdruck, wenn diese sich in Kollaborationen einbringt, die zu der neuesten Technologie führen, die dafür verwendet werden um Frauen und Kinder zu töten und zur weiteren Besatzung“.

Nachdem 250 südafrikanische Universitätsprofessoren mit Unterstützung von Anti-Apartheidskämpfern wie Bischof Desmond Tutu 2010 die Universität Johannesburg dazu aufforderten ihre Kollaboration mit der BGU zu beenden, forderte der Senat der Universität Johannesburg 2011 die BGU dazu auf, eine gemeinsame Absichtserklärung zu unterzeichnen, die die Inklusion palästinensischer Partneruniversitäten vorsah. Nachdem die BGU in einer gesetzten Frist die Kriterien für eine Zusammenarbeit nicht erfüllte, insbesondere eine palästinensische Universität mit in die Forschung zu integrieren, und nachdem dem Senat „detaillierte Beweise für die Restriktion der politischen und akademischen Freiheit, die unmittelbare und bewusste Kollaboration mit der israelischen Besatzungsarmee und die Beibehaltung von Resolutionen und Praktiken, die die diskriminierende Politik des israelischen Staates beibehalten“ vorgelegt wurden, beschloss der Senat der Universität Johannesburg die institutionelle Zusammenarbeit mit der BGU zu beenden, wovon gemeinsame Forschungsvorhaben von Akademikeren ohne formale institutionelle Übereinkünfte freilich nicht betroffen sind.

Die Verbindungen beider Universitäten reichen auf die 1980er Jahre zurück, als die BGU mit der damaligen Rand Afrikaans University Apartheid-Südafrikas zusammenarbeitete. Mitte der 1980er Jahre fädelten außerdem die Regierungschefs beider Länder, Peres und Botha, einen geheimen Deal über die Lieferung von Atomwaffen, Nukleartechnologie und atomwaffenfähigen Materials an Apartheid-Südafrika, das dadurch in der Lage war, auch eigene Atomwaffen herzustellen. Israel war international einer der wenigen Staaten, die auf dem Höhepunkt der BDS-Bewegung („Boykott, Desinvestitionen [d. h. Kapitalentzug], Sanktionen“) gegen Apartheid-Südafrika ihre Verbindungen zu diesem Staat noch weiter ausbauten und die ökonomische und militärische Zusammenarbeit intensivierten. Vor diesem Hintergrund erschien den Kritikern die erste Entscheidung der Universität Johannesburg 2009 die Kollaboration mit der BGU zu erneuern, als eine Fortführung der intensiven Kollaboration während der Apartheid-Ära.

Palästina – Foto: Rusty Stewart
CC BY-ND 2.0

Im Oktober 2015 unterzeichneten nach dem südafrikanischen Vorbild 343 britische Universitätsprofessoren einen ähnlichen Aufruf für einen akademischen Boykott israelischer Hochschulen, die in der völkerrechtlich illegalen Besatzung involviert sind. Der BGU wird darin vorgeworfen, Forschung zu betreiben, die die andauernde und sich verschärfende Diskriminierung der des israelischen Wasserversorgungssystems zugunsten von israelischen Kolonien und zum Nachteil palästinensischer Dörfer unterstützt. Auch andere israelische Hochschulen und Universitäten sind in der Besatzung direkt involviert. Hier nur ein paar Beispiele: An der Universität Tel Aviv wurde beispielsweise die „Dayhiya-Doktrin“ entwickelt, die unverhältnismäßige Gewalt gegen zivile Infrastruktur in urbanen Kontexten vorsieht, erstmals 2002 in Nablus und Dschenin angewandt, findet diese Doktrin seitdem weithin Anwendung, auch während der letzten Bodenoffensive in Gaza 2014. Das Technion entwickelt israelische Drohnentechnologie und ferngesteuerte bewaffnete Bulldozer, die zur Zerstörung palästinensischer Häuser eingesetzt werden. Zahlreiche Universitäten in den besetzten palästinensischen Gebieten sind auf besetztem Gebiet errichtet worden und nehmen keine palästinensischen Studierenden auf. Durch die unzähligen Checkpoints und die alleinige Kontrolle aller Außengrenzen durch den Staat Israel und dessen Militärbesatzung werden palästinensische Universitäten massiv in ihrer akademischen Freiheit und den Möglichkeiten der Durchführung der Lehre beschnitten, es kommt nicht selten vor, dass Studierende nachts in der Universität übernachten müssen um am nächsten Morgen pünktlich dort sein zu können, palästinensische Akademikern und Intellektuelle dürfen das Land nicht verlassen oder werden wegen ihres gewaltlosen politischen Widerstands sogar in Administrativhaft ohne Anklage genommen.

Vor dem Hintergrund der Apartheid in Südafrika, der engen ökonomischen und politischen Zusammenarbeit des Apartheid-Regimes mit Israel, der rechtlichen Ungleichbehandlung und Apartheid in Israel selbst und in den palästinensischen besetzten Gebieten gegenüber der palästinensischen Bevölkerung muss Garbas Unterstützung der Kampagne für einen akademischen Boykott gegen Israel und israelische Hochschulen eingeordnet werden. Der Kampf um gleiche Rechte für die palästinensische Bevölkerung, die in Israel selbst durch über 50 Gesetze institutionell diskriminiert werden, ist kein „Antisemitismus“, sondern im Gegenteil ein Kampf gegen rassistische staatliche Unterdrückung.

Für gemeinsame Solidarität und eine offene Debatte, statt der ungeprüften und unkritischen Parteinahme für die Verleumdungen der Beschwerdeführer!

Die Linke Liste hat sich unmissverständlich hinter ihren Referenten Faisal Garba gestellt und verteidigt die Veranstaltung mit ihm. Für eine offene Debatte argumentierend, schreibt sie: „In Bezug auf unseren aktuellen Referenten Faisal Garba sind wir uns nach eingehender Prüfung einig, dass er keine extremistischen oder antisemitischen Positionen vertritt. Jedoch sind wir uns über die Tragweite und Kontroverse des akademischen Boykottes der südafrikanischen Universitäten von Johannesburg und Kapstadt bewusst. Bewertungen eines solchen akademischen Boykotts fallen innerhalb unserer politischen Hochschulgruppe unterschiedlich aus. Differenzen innerhalb unserer Linken Liste sollen nicht von einer konstruktiven Kritik mit diversen wissenschaftlichen und politischen Analysen abhalten, sondern produktiv für einen akademischen Dialog genutzt werden.“

Die Veranstaltung mit Faisal Garba wird stattfinden, wenn kein Raum offen steht, dann notfalls auf dem Flur!

Alle an der Veranstaltung mit Faisal Garba Interessierten kommen bitte am

Dienstag, 25. April, um 18 Uhr

zum

Saal P2 im Philosophicum,

Jakob-Welder-Weg 18, Mainz

Ein Gastommentar von Francisco Simon.

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3 Antworten

  1. „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant!“
    Dieser Satz ist heute gültiger denn je. Kann nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte vor Ekel!

  2. Mein Eindruck ist, dass heute keine Diskurse mit stattfinden sondern, dass es entweder in erster Linie auf Philosofische „Schwanzvergleiche“ hinausläuft (Realpolitisch hat das wohl kaum noch einen Effekt) oder das im Hintergrund Gruppen gesteuert werden um ein Narrativ möglichst pauschal durchzusetzen – aber für diese These habe ich zu wenig Kenntnisse, wie diese Gruppen entstehen und wo deren Meinungsfindung entstehen, um das wirklich zu glauben.

    Wir sollten unsere Meinungsfreiheit noch geniessen, solange sie noch vorhanden ist. Wir müssen mittlerweile alle aufpassen, was wir schreiben oder sagen. Überall existieren diese Narrative der Gewalt, denen man nicht mehr widersprechen darf. Ein typsches Zeichen einer Vorkriegszeit.

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