Andrej_Babiš ist am Boden, doch geschlagen ist er noch lange nicht.

By NATO, Flickr, licensed under CC BY-NC-ND 2.0 (cropped).

Tschechien: Ohne Opposition auf den Straßen wird Rechts regieren

Die britischen Massenmedien feierten die tschechischen Wahlen letzte Woche als eine weitere Niederlage für den Rechtspopulismus. In Wahrheit erlebte das osteuropäische Land jedoch einen deutlichen Rechtsruck – ohne linke Parteien mit Parlamentssitzen.

Babis‘ Beliebtheit erlitt im Vorfeld der Wahlen einen Einbruch, nachdem sein Name in den „Pandora Papers“ auftauchte und die Medien den Korruptionsskandal um Stork’s Nest wieder thematisierten. Doch obwohl er am Boden ist, ist er noch lange nicht geschlagen.

Babis entstammt einer Familie stalinistischer Bürokraten und nutzte seine Beziehungen, um nach dem Sturz der Diktatur 1989 ein Unternehmensimperium aufzubauen. 2011 gründet Babis mit der ANO eine „Anti-Korruptions“-Partei und tritt zwei Jahre später einer Koalitionsregierung bei. Als Finanzminister setzte er eine politische Agenda durch, von der insbesondere große Unternehmen, wie sein Konzern „Agrofert“ profitieren. Dieses kaufte zwei der größten tschechischen Zeitungen, einen Fernsehsender sowie den beliebtesten Radiosender Tschechiens. Babis nutzte daraufhin die Flüchtlingskrise, um seinen Ruf als Außenseiter zu stärken, der es mit den Eliten der Europäischen Union aufnimmt, während er sich deren Subventionen einsteckt. So forderte er beispielsweise eine NATO-Allianz zur Zerstörung von Booten mit Geflüchteten, die versuchen das Mittelmeer zu überqueren. 2017 bildet er dann eine von der sozialdemokratischen und der kommunistischen Partei unterstütze Minderheitsregierung. Die Sozialdemokrat*innen traten als Neuzugang bei, während die Kommunist*innen Babis bereits in wichtigen Parlamentsabstimmungen Aushilfe geleistet hatten.

Bestraft

Die Wähler*innen bestraften bei der Wahl diese Parteien für das Unterstützen der Minderheitsregierung. Beide verfehlten die 5-Prozent-Hürde, die für das Einziehen in das tschechische Parlament vorausgesetzt wird, zum ersten Mal. Ihre sozialdemokratischen und kommunistischen Vorsitzenden wiesen darauf hin, dass sie von Babis eine Erhöhung des Mindestlohns sowie Boni für Rentner*innen erzwungen haben. In Wirklichkeit demoralisierte die linke Beteiligung an seiner Regierung jedoch ihre gesellschaftliche Basis, trennte sie von der außerparlamentarischen Opposition, auch auf der Straße, und stärkte damit die Rechten. Darüber hinaus nutzte Babis sein Medienimperium, um sich die verbesserten Sozialversicherungsmaßnahmen selbst zuzuschreiben.

Für Tschechien und Europa ist das ein furchtbares Ergebnis. Es bedeutet, dass die nächste rechte Koalition alle Kürzungen vornehmen kann, die sie will.

Einige Linke haben Hoffnungen in die „Piraten-Partei“, die von einer partiellen Entmachtung der Unternehmen gesprochen hatte. Allerdings erklärten ihre Vorsitzenden, dass eine Links-Rechts-Trennung obsolet und ihre Politik ausschließlich faktenbasiert sei. Vor dem Wahlkampf bildeten sie eine Koalition mit der „Bürgermeister-Partei“, die zuvor Verbündeter der neoliberalen Partei „TOP09“ war. Dadurch rückten die Piraten weiter nach rechts. Ihr klägliches Ziel, jede mögliche Kontroverse zu vermeiden, führte dazu, dass sie sich für alles entschuldigten, was auch nur als leicht links eingestuft wurde. Der finale Schlag erfolgte am Wahltag, als die Piraten durch das präferenzbasierte tschechische Wahlsystem nur vier der 37 Sitze der „Piraten und Bürgermeister“ gewannen.

Die 2020 gegründete Partei „Strana demokratického socialismu“ (Partei des Demokratischen Sozialismus), eine Vereinigung kleinerer linker Gruppen erhielt einige hundert Stimmen. Revolutionäre Sozialist*innen, welche Teil dieses Zusammenschlusses sind, werden auf einen gemeinsamen Kampf gegen die kommenden Kürzungen drängen.

Nur auf dieser Basis können wir die politische Linke wieder aufbauen!

Der Beitrag von Jan Májíček erschien im Socialist Worker und wurde von Felix übersetzt.

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