Im Jahr 2021 zahlen die Bundesländer insgesamt 581 Millionen Euro an die Kirchen – ohne eine Gegenleistung. Seit 1949 rund 19,5 Milliarden Euro. Der Grund hierfür sind die sogenannten Staatsleistungen. Dies ist eine Entschädigung für die Überführung des Kirchenbesitzes in staatliche Hand 1803. Dies Entschädigungen waren auch einst gerechtfertigt. Jedoch sieht unser Grundgesetz und sein Vorgänger, die Weimarer Reichsverfassung, seit nunmehr über 100 Jahren vor, dass diese Staatsleistungen abgelöst gehören. Ein echter Verfassungsauftrag! Und was tut die Bundesregierung? Nichts. Reine Arbeitsverweigerung.
Aus diesem Grund haben Grüne, LINKE und FDP einen Gesetzentwurf vorgeschlagen, der genau dieses Ziel verfolgt. Nach der grundgesetzlichen Konstruktion muss der Bundesgesetzgeber die Grundsätze aufstellen, nach denen die Länder die Staatsleistungen ablösen können. Unser Gesetzentwurf sieht vor, dass die Länder nach Verabschiedung des Gesetzes fünf Jahre Zeit haben, sich mit den Kirchen zu einigen, und weitere 20 Jahre bis zum Ende der Ablösungszahlungen. Wir denken, nach 120 Jahren muss auch mal Schluss damit sein, die Verfassung zu ignorieren.
Dabei müssen die Länder eine Entschädigungszahlung an die Kirchen leisten. Dies sieht das Grundgesetz vor, indem es in Art. 140 GG von „Ablösung“ spricht. Als Linker war ich für eine geringe Entschädigung. Fernab vom sogenannten „Äquivalenzprinzip“, demzufolge die Entschädigung annährend dem verlorenen Besitz entsprechen soll. Meiner Auffassung nach kann diese Entschädigung geringer ausfallen. Denn wie wir auch aus Art. 15 GG – der Sozialisierung – lernen können, muss die Entschädigung nicht in Höhe des Äquivalents erfolgen. Allerdings waren wir Linken hier im Interesse des Voranbringens des Themas kompromissbereit, um den politischen Druck durch eine gemeinsame Initiative stark zu machen. Unser Vorschlag sieht eine Entschädigungshöhe vom 18,6-Fachen der Jahreszahlung von 2020 vor. Aber auch dieser Wert ist nur ein Richtwert. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass sich Länder und Kirche gemeinsam auf niedrigere Werte und andere Entschädigungsarten einigen können.
Nicht antikirchlich
Unserem Gesetzentwurf wird zuweilen vorgeworfen, dass er kirchenfeindlich sei. Dem möchte ich hier bestimmt entgegentreten. Wir Linken sind nicht antikirchlich, aber eben auch nicht pro-kirchlich, sondern eben bekenntnisneutral und das ist auch gut so. Tatsächlich aber ist unser Vorschlag zum Vorteil beider Seiten – Kirche und Staat. Die Vorteile für den Staat in Form der Entlastung der Haushalte und letztlich der Steuerzahler*innen liegen auf der Hand.
Aber auch die Kirche zieht hieraus Vorteile. Einerseits sollte es für die Kirche wichtig sein, die Entflechtung von Kirche und Staat voranzutreiben. Denn nur so wird sie in die Lage versetzt, eine eigenverantwortliche und staatsunabhängige Finanzierung ihrer Strukturen zu verantworten, und sich so auch dem Vorwurf zu entlasten, „Staatsgelder“ abzugreifen. Andererseits sollte der Kirche die gesellschaftliche Lage wichtig sein. Eine zunehmende Kirchen- und Glaubensferne in unserem Land schafft zusätzlich ein Klima des Sich-stärker-rechtfertigen-Müssens, wenn Kirchen Geld aus Staatskassen erhalten, mag der Rechtsgrund auch noch so historisch ableitbar sein. Kirche kann hier mit einem klaren Trennungsstrich neue Legitimation erhalten und ihre manchmal auch kritische Sicht auf staatliches Handeln unbefangener kundtun.
Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir endlich einen Schlussstrich unter die finanzielle Seite der Staatsleistungen ziehen. Die Achtung vor dem Verfassungsauftrag duldet kein weiteres Abwarten, über 100 Jahre Ignoranz reichen aus!