In Deutschland ist es immernoch illegal, wenn Menschen Lebensmittel aus Containern nehmen, obwohl das Essen schon weggeworfen wurde. Nun wird gegen den Pater und Aktivisten Jörg Alt ermittelt, weil er Essen aus Mülltonnen genommen und verteilt hat, wir haben mit ihm gesprochen.
Die Freiheitsliebe: Herr Alt am Tag vor Heiligabend wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen Sie ermittelt, wie kam es dazu?
Jörg Alt: Im August begleitete ich eine Gruppe junger Menschen bei ihrem Hungerstreik, mit dem sie unter anderem darauf aufmerksam machten, dass der Klimawandel schon jetzt, in diesem Moment, anderswo auf der Erde Leben kostet, ohne dass sich Kameras dafür interessieren. Für diese jungen Menschen war es eine logische Reihenfolge, als nächste Aktion gegen Lebensmittelüberproduktion -verschwendung und -vernichtung zu starten, bevor dann im dritten Schritt, Aktionen für eine angemessene Agrarwende folgen sollen. Das Motto unserer Aktion lautete deshalb passend „Essenretten = Lebenretten“ also. Wobei man nicht vergessen darf, dass auch in Deutschland Menschen oft genötigt sind, ihre Nahrung aus Containern zumindest ergänzen müssen
Die Freiheitsliebe: Das Essen, welches Sie verteilt haben, wurde containert, was genau bedeutet das?
Jörg Alt: Im Prinzip nur, dass man es aus dem Mülleimer/Müllcontainer wieder rausholt, wo die SupermarktmitarbeiterInnen es am Ende des Tages geworfen haben. Etwa, weil die Banane braune Flecken hat, weil in einer Packung von 5 Paprika einer leicht angeschimmelt ist, weil das MindestHALTbarkeitsdatum abgelaufen ist, obwohl die Produkte danach immer noch essbar sind…
Die Freiheitsliebe: Gegen Sie wird wegen „bes. schw. Fall des Diebstahls“ ermittelt, warum gilt es als Straftat Essen aus der Mülltonne zu nehmen und wieso ist dieser besonders schwer?
Jörg Alt: Normalerweise ist es nicht „besonders schwer“. Bei mir geht es darum, dass ich von Anfang an zugegeben habe dass ich, um zu den Mülltonnen zu kommen, in einem Fall eine Türe der Umzäunung mit einem überall erhältlichen Dreikantschlüssel geöffnet habe, was als Eindringen gewertet wird. Dennoch ist es absurd, diesen Vorfall auf eine Stufe zu stellen mit dem Diebstahl einer Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung oder eines Maschinengewehrs, einer Maschinenpistole, eines voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe, die auch in diese Kategorie fallen.
Die Freiheitsliebe: In einer Erklärung zu der Ermittlung sagen Sie, dass Sie es auf eine Verurteilung anlegen, halten Sie es für realistisch, dass in Deutschland ein Priester verurteilt wird, weil er containertes Essen an Bedürftige verteilt?
Jörg Alt: Nunja, ich BIN in diese umzäunte Anlage für Abfallbehälter eingedrungen und habe dazu Beweisfotos vorgelegt. Ebenso habe ich Sorge getragen, dass der Wert von allem, was ich später verteilt habe, über dem Geringfügigkeits-Schwellenwert von 25 Euro lag. Also warum nicht verurteilen – die Rechtslage ist nunmal so, wie das Bundesverfassungsgericht im Fall der zwei Olchinger Studentinnen ja auch bestätigt hat. Das müsse der Gesetzgeber ändern, sagte das Verfassungsgericht, welches zudem deutlich machte, wie das Problem gelöst werden und Containern entkriminalisiert werden könnte. Aber: Noch hat der Gesetzgeber den Wink des Verfassungsgerichts ignoriert.
Die Freiheitsliebe: Sie haben sich an die Bundesregierung gewandt mit der Forderung, dass Containern nicht mehr unter Strafe gestellt wird, wie könnte eine Änderung des Gesetzes aussehen?
Jörg Alt: Ein entsprechender Gesetzesvorschlag wurde von German Zero erarbeitet und liegt den im Bundestag sitzenden Parteien ausformuliert vor. Man müsste eigentlich nur noch die Hand heben. Abgeordnete nehmen auch von anderen Lobbyisten und Beratern Vorschläge zu Gesetzen gerne an. Nur ging es hier eben nicht um Finanzdienstleister, die sich neue Cum-Ex Tricksereien in Gesetzesformen gießen, sondern um etwas, das dem Gemeinwohl dienen würde.
Die Freiheitsliebe: Sie bezeichnen sich selbst als Aktivist, wären Sie schon zufrieden, wenn das Containern nicht mehr unter Strafe stünde oder bräuchte es mehr gesetzliche Veränderungen gegen das Wegschmeißen von guten Lebensmitteln?
Jörg Alt: Wie ich eingangs sagte: Diese Aktion war der Auftakt zu einer ganzen Reihe weiterer Aktionen. In dem von uns geforderten Lebensmittelrettungsgesetz geht es um einen veränderten Umgang von der Produktion der Lebensmittel über Verarbeitung, Transport, Lagerung, Verkauf bis zum Endverbraucher inkl. Aufklärung, etwa im Schulunterreicht. Das alles soll gefolgt werden mit dem Vorantreiben einer Agrarwende: Denn wenn die Wissenschaft recht hat (und leider hat sie allzu oft recht mit ihren Vorhersagen), kommt es in zehn-zwanzig Jahren schon zu klimawandelbedingten Versorgungsengpässen, wenn wir uns nicht bald an die erforderlichen Umstellungen machen. Das ist umso wichtiger, weil wir fruchtbare Landflächen für Aufforstungen brauchen – die immer noch die billigste und zugleich effizienteste Weise, der Atmosphäre CO2 wieder zu entziehen und zu binden.
Die Freiheitsliebe: Danke Ihnen für das Gespräch.
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