Öffnung der algerisch-marokkanischen Grenzen – Schritt in Richtung Versöhnung

Der 23. August 2016, 63. Jahrestag ,,de la Révolution du roi et du peuple’’, erinnert an die französische Deportation des Königs Mohammed V nach Madagaskar und den daraus resultierenden Anstieg des Widerstands der Bevölkerung gegen die koloniale Besatzungsmacht. Diesen Tag nahm nun Mohammed VI symbolisch auch zum Anlass um die Aufgabe der algerisch-marokkanischen Beziehungen ,,avec sincérité et de bonne foi‘‘ zu anzugehen.
Neue diplomatische Verhandlungen und Bemühungen zwischen den beiden nordafrikanischen scheinen in Richtung Versöhnung zu gehen. Offizielle marokkanische und algerische Stimmen schließen die Möglichkeit der Öffnung der seit 20 Jahren geschlossenen gemeinsamen Grenze vor Ende 2016 nicht mehr aus. Die Hauptprobleme, die die Beziehungen belasten: Der Konflikt der Westsahara und die gemeinsame Grenze.

Der Westsaharakonflikt und die Mauer der Schande

Seit 1975 gehört der von Marokko und Algerien umkämpfte Status rund um die Westsahara zu eines der längsten internationalen Konflikten. Ein Streitpunkt ist sicherlich folgender Aspekt: Rohstoffe. Die Westsahara verfügt über Phosphat, großen Fischreichtum vor der Küste und womöglich unentdeckte Ölvorkommen. Heute ist das Gebiet von Westsahara geteilt in einen größeren westlichen Bereich unter der Kontrolle von Marokko sowie einer östlichen und südlichen unter der Frente Polisario. Die von Algerien unterstützte Polisario-Front hat 1976 die Demokratische Arabische Republik Sahara ausgerufen, die von lediglich 50 Staaten anerkannt wurde. Zwar wurde der offene Kampf 1991 durch einen Waffenstillstand beendet, doch seitdem trennt eine 2500 km lange Mauer beide Gebiete. Marokko begründet eine Wand auch mit dem Kampf gegen die Polisario-Kämpfer, terroristischer Bedrohung und den Drogenhandel. Da stellt sich doch die Frage seit wann in unserer Geschichte Mauern, wie die Berliner Mauer Frieden gebracht haben. Sie fördern eher den Schmuggel, die Gewalt, Demütig und von psychologischen Schicksalsschlägen ganz abgesehen. In der algerischen Provinz Tindouf, dem einzig algerischen Landzugang zur Westsahara, leben im Zuge des Konflikts ca. 165.000 Sahauris als Flüchtlinge abgeschottet unter miserablen Bedingungen. Eine verstärkte Zementierung der marokkanisch-algerischen Beziehung ist keine Lösung für den Kampf gegen Krieg und Armut. Aktive Zusammenarbeit ist gefragt.

Mauern und Abschottung sind keine Lösungen

Die sichtbare und unsichtbare (psychologische) Mauer geht leider unbemerkt von internationalen Regierungen und Berichterstatter unter. Die andauernde Spannung zwischen beiden Ländern ist tragisch, da sie historisch gesehen vieles einigt und beide Opfer des Kolonialismus wurden und um ihre Unabhängigkeit kämpften. Was gern übersehen wird, der West-Sahara Konflikt geht u.a. auch auf die französische und spanische Kolonisatoren zurück, sie sind bis heute nicht gerade unschuldig. Auf die grausamen Verbrechen und den Schaden auf Mensch und Umwelt, die Nutzung der algerischen Sahara während des Algerienkrieges für ober- und unterirdische Atomwaffenversuche, sind nur ein Beispiel und kann in diesem Kontext vorerst nicht eingegangen werden. Was tun denn genau diese Ländern um den Konflikt zwischen beiden Völkern zu schlichten? Aufrüstung, weitere Stationierung von Soldaten in Afrika, aber die gleichzeitige Abschottungspolitk mit Frontex, der unsichtbaren und schrecklichsten Mauer schlechthin, und die Ablehnung von Flüchtlinge schamlos vorantreiben. Ironischerweise diskutieren und plädieren doch tatsächlich in Deutschland mehrere Parteien wie die CDU/CSU über angebliche sichere Herkunftsstatten der drei Maghreb-Staaten. Dabei blenden sie geschickt die Ursachen von Flucht aus: Armut, Folter, eingeschränkte Meinungs-, Versammlungs-, Religions- und Pressefreiheit. Dies ist in beiden Ländern noch bittere Realität. Die Aufforderung der Bundesregierung zur Einhaltung der Menschenrechte in den drei Maghreb-Staaten und die gleichzeitige Markierung als sichere Herkunftsstaaten für die Lockerung des Asylrechts, wirkt unglaubwürdig und heuchlerisch.

Ein weiterer Schritt in Richtung Versöhnung ist sicherlich Marokkos Anfrage auf Rückkehr in die im Jahre 1963 gegründete Afrikanische Union, denn immerhin verließ Marokko 1984 die Union aus Protest gegen die Aufnahme der West-Sahara Union. Die von Marokko und dem Ausland mehrfach des Grundprinzips der Selbstbestimmung aller Völker entsprechendem, aber aufgeschobenem Referendums, macht heute eine gerechte Abstimmung fast unmöglich. So leben heute mehrheitlich Marokkaner in den Gebieten und ein großer Teil der Saharauis in algerische Flüchtlingslager. Das marokkanische Angebot für eine Autonomie des Gebietes unter marokkanischer Souveränität als Lösung, wird von der Gegenpartei nicht akzeptiert. Für die Lösung des Konflikts ist nun ein ehrlicher Dialog notwendig. Zu hoffen ist, dass es sich bei den Versprechungen von beiden Ländern nicht um leere Worthülsen handelt und insbesondere die mögliche Öffnung der Grenzen Ende 2016 den ersten Schritt in Richtung Frieden und Selbstbestimmung einleitet.

Ein Gastbeitrag von Yasmine Souhil, Lehramtsstudentin und studentische Mitarbeiterin an der Universität Duisburg-Essen. Als Referentin für Internationales engagiert sich u.a. für den interkulturellen und interreligiösen Dialog und beschäftigt sich inhaltlich mit dem Verhältnis von Staat und Religion.

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