Nukleares Eskalationspotential und Risikofaktoren in der Ampel

Der Frieden und die Ruhe vor der Sommerpause sind trügerisch. Kurz bevor sich die Regierungsmitglieder in die Ost-, Nord- oder Südseeferien verabschiedeten, präsentierten sie der Bevölkerung einen Haushalt, bei dem die wichtigste Botschaft war, dass es zu einer Einigung der drei Koalitionäre gekommen ist. Dass sich aber inzwischen ein Viertel der Bevölkerung keinen Urlaub mehr leisten kann und auch der Haushalt daran nichts ändern wird, spielte in der Berichterstattung keine Rolle. Selbst DGB-Chefin Yasmin Fahimi lobt den Kanzler dafür, dass er Wort gehalten und die Sozialkürzungen abgewendet habe.

Aber stimmt das? Dieser Tage wurde bekannt, dass die Tarifbindung auf 49 Prozent gesunken ist, weil Hubertus Heil seit drei Jahren über die bloße Ankündigung eines Tariftreuegesetzes nicht hinauskommt. Auch ein Grund, warum für viele der Sommer auf Balkonien die einzige Option ist, um zur Ruhe zu kommen. Schaut man sich den Haushalt genauer an, fällt auf: Die Zuschüsse zur Rentenversicherung wurden erneut gekürzt. Auch die Kindergrundsicherung ist endgültig beerdigt – im übrigen vom Kanzler höchstpersönlich. Abgewehrt ist also gar nichts und mit dem Respekt, den Scholz im Wahlkampf versprochen hatte, hat dieser Haushalt auch nichts zu tun. Vielmehr liegen die ersten Anzeichen für einen sozialen Unfriedens in der Luft.

Doch der Kern der Zeitenwende besteht nicht nur in der Bedrohung des sozialen Friedens. Vielmehr gehen Sozialkürzungen und Militarismus Hand in Hand. Und so ist es wohl kein Zufall, dass in eben jener Woche, in der der Kanzler sagte, die Kindergrundsicherung komme in dieser Legislatur nicht mehr zustande, bekannt wurde, dass die Zahl der minderjährigen Rekruten in der Bundeswehr gestiegen ist. Fast 8.000 junge Menschen unter 18 Jahren warb die Bundeswehr in den letzten fünf Jahren an. Zyniker würden sagen: Die Kappung der Kundergrundsicherung war eine für die Zeitenwende folgerichtige Entscheidung, weil die wachsende Perspektivlosigkeit der Bundeswehr minderjährige Rekruten zuspült.

Doch natürlich erschöpft sich die von der Bundesregierung ausgehende militärische Bedrohung nicht allein in der Rekrutierung unserer Kinder und Enkelkinder. Wir erleben seit zwei Jahren eine anhaltende militaristische Durchdringung nahezu aller Teile der Gesellschaft. Dabei fällt auf, dass die Bereitschaft, ein nukleares Armageddon um jeden Preis zu verhindern, bei den Parteien der Mitte immer weiter zurückgeht. Nicht nur, dass die Spitzenkandidatin der SPD im Europawahlkanpf, Katarina Barley, von nuklearer Abschreckung schwärmte als sei es ein äußerst effektives, aber harmloses Reinigungsmittel. Auch der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz kehrte erst kürzlich vom NATO-Gipfel in Washington zurück und verkündete stolz die Stationierung weitreichender und atomar bestückbarer Mittelstreckenraketen.

Namenhafte Sozialdemokraten wie Rolf Mützenich oder Ralf Stegner warnten vor dem erheblichen Eskalationspotential. Sie ernteten sofort eine öffentliche Belehrung durch Bundesaussenministerin Annalena Baerbock. Wenige Tage später bezeichnete Finanzminister Christian Lindner Mützenich als den größten Risikofaktor der Koalition. Mal abgesehen davon, dass Lindner dringend einen Auffrischungskurs zur richtigen Einordnung von Begriffen wie Eskalation, Sicherheit und Risiko bräuchte, zeigt der Vorstoß den laxen Umgang der Bundesregierung mit den Sicherheitsbedenken ihrer Bevölkerung. Weitreichende Sicherheitsentscheidungen ohne Parlamentsbeschluss und unter öffentlichen Massregelungen passen wohl kaum zu den Gepflogenheiten einer repräsentativen Demokratie. Die Entwicklung zeigt: Im Krieg gerät nicht zuletzt der demokratische Umgang unter Druck.

Im Übrigen äusserte sich nun Wolfgang Richter, Oberst a.D. und einer der führenden Sicherheitsexperten der Bundesrepublik, zur Stationierung der Mittelstreckenraketen. Sein Fazit: „Die erwartbare russische Gegenstationierung nuklearfähiger Raketen wird Deutschland einer erhöhten Gefährdung aussetzen. Die absehbare Eskalation der Spannungen mit Russland wird die Sicherheitslage Deutschlands grundsätzlich verändern und das atomare Risiko für Deutschland im Konfliktfall gravierend erhöhen. Dass eine Entscheidung von solcher Tragweite für die Sicherheit Deutschlands als exekutiver Akt mitgeteilt wird, ohne sie im Vorfeld im Deutschen Bundestag und in der deutschen Öffentlichkeit ausführlich zu diskutieren, ist nicht hinnehmbar.“

Wenn Olaf Scholz, Christian Lindner und Annalena Baerbock also nicht die nukleare Eskalation, sondern die Kritik daran als Sicherheitsrisiko einstufen und die Auseinandersetzung damit als lästig empfinden, dann ist es höchste Zeit, sie darauf hinzuweisen, dass sie im Sicherheitsinteresse der Bevölkerung vielleicht einfach ihren Hut nehmen sollten.

Widerspruch und Widersprüche – eine Kolumne von Ulrike Eifler

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