In weniger als zwei Monaten findet die Bundestagswahl statt. Der Wahlkampf ist im vollen Gange.
Aber für viele Menschen hierzulande stellt sich nicht einmal die Frage welche Partei sie ihre Stimme geben, wen sie gerade überzeugend finden und welche Fraktionen sie unterstützen wollen. Denn mehr als 14 Prozent der Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben aber keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, sind von der Bundestagswahl ausgeschlossen.
Über 25 % der Deutschen Bevölkerung hat eine diverse Migrations- oder Zuwanderungsgeschichte und prägt so seit Jahrzehnten unsere Gesellschaft. Beim Wahlrecht offenbart sich aber ein krasses Demokratiedefizit, wenn jede und jeder Siebte nicht wählen darf. Das ist leider auch im Jahr 2021 nach wie vor der Fall. Doch immer mehr Menschen sind nicht bereit, dies weiter hinzunehmen. Unter dem Motto NichtOhneUns14Prozent haben sich Betroffene organisiert, um für ihr Recht auf Wahlrecht einzutreten. Damit leistet diese Kampagne einen enorm wichtigen Beitrag für die demokratische Teilhabe. Sie sind nicht die erste und werden nicht die letzte sein.
In meiner ersten Legislaturperiode habe ich für die Linksfraktion im Bundestag einen Antrag für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht und eine Einbürgerungsoffensive eingebracht, um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen und den grundlegenden Wandel in der Einbürgerungspolitik zu fordern. Wir brauchen ein Staatsangehörigkeitsrecht, das den Ansprüche unserer modernen Einwanderungsgesellschaft gerecht wird und dem rückläufigen Trend der Einbürgerungen entgegenwirkt. Denn statt Einbürgerungserleichterungen auf den Weg zu bringen, Mehrstaatigkeit zuzulassen und echte Partizipation zu ermöglichen wurde diese Chance in den letzten Jahren vertan. Mehr als das wurde die entsprechende Gesetzeslage für die Betroffenen sogar noch weiter verschärft.
Demokratiedefizit – 14 Prozent
Das Jahr 2021 wird ein super Wahljahr. Und knapp 10 Millionen Menschen, die hier leben, ihre Kinder aufziehen und sich am alltäglichen Leben beteiligen, können elementarste demokratische Rechte nicht wahrnehmen.
Die Hürden für die Einbürgerung sind in Deutschland so hoch, dass viele Menschen sich nicht in der Lage sehen die Kriterien für eine Einbürgerung zu erfüllen. Somit leben viele Menschen, die ein Recht auf die deutsche Staatsangehörigkeit hätten, mit einer anderen Staatsangehörigkeit in Deutschland.
(Symbolische) Abstimmung in der Neckarstadt
In Mannheim hat knapp die Hälfte der Menschen eine Migrationsgeschichte. Davon werden 75.000 von der Wahl ausgeschlossen. Ein unhaltbarer Zustand! Um auf dieses Demokratiedefizit aufmerksam zu machen, ist der Migrationsbeirat der Stadt der Initiative „Wir Wählen“ beigetreten und hat gemeinsam mit dem Quartiersmanagement der Neckarstadt-West eine symbolische Abstimmung durchgeführt. Ich finde es großartig, dass hier auf lokaler Ebene Druck gemacht wird. Ich bin zuversichtlich, dass die weiteren Aktionen des Migrationsbeirats zur Bundestagswahl ein voller Erfolg werden.
Nun noch ein Blick auf die Landesebene. Baden-Württemberg ist das Bundesland mit dem rückständigsten Wahlrecht von allen Bundesländern. Nur eine Stimme kann hier bei einer Landtagswahl abgegeben werden. In der Folge sind Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte im baden-württembergischen Landtag so schlecht repräsentiert wie in kaum einem anderen Landtag.
Die neue alte baden-württembergische Landesregierung aus Grünen und CDU hat nun angekündigt, dieses veraltete Wahlrecht endlich zu reformieren, Zeit wird es. Verbände laufen seit Jahren Sturm gegen dieses Wahlrecht, das kein anderes Bundesland mehr hat. Dieses Relikt aus einer fernen Zeit gehört endlich abgeschafft. Die Einführung einer Zweitstimme alleine reicht aber noch lange nicht aus. Als LINKE setzen wir uns zudem für die Absenkung des Wahlalters auf 16 ein und dafür, dass alle Menschen, die hier in Baden-Württemberg leben auch hier wählen dürfen. Daran arbeiten wir weiter, aus der außerparlamentarischen Opposition heraus. Das Recht zu wählen ist und bleibt ein demokratisches Grundrecht!