By Mikhail Evstafiev, Wikimedia Commons, licensed under CC BY-SA 3.0 (edited by Jakob Reimann, Die Freiheitsliebe).

MONUSCO im Kongo: Eine UN-Blauhelmtruppe als Teil des Problems

In der Demokratischen Republik Kongo (DRK) leidet die Bevölkerung unter dem Terror bewaffneter islamistischer Milizen und IS-Rebellen. Erpressungen, Brandanschläge, Morde und Massaker sind an der Tagesordnung. Hunderttausende Menschen sind in den letzten Jahrzehnten in diesem Krieg getötet worden. Und die UN-Peacekeeping-Mission MONUSCO, die eigentlich seit 2010 die Menschen im Kongo beschützen soll, tut … nichts.

Die MONUSCO-Truppen und die von ihnen begleiteten Hilfsorganisationen werden seit Jahren von der Zivilbevölkerung dafür kritisiert, dass ihre Anwesenheit nichts dazu beiträgt, die Lage im Land zu verbessern. Die UN-Truppen seien untätig und machten sich gemein mit den bewaffneten Milizen, anstatt Gewalt zu verhindern. Es sei ihnen nicht gelungen, die vielen Massaker zu verhindern, selbst wenn diese nur wenige Meter von ihren Posten entfernt passieren. MONUSCO schlägt zunehmend Misstrauen und Skepsis entgegen.

Letzte Woche haben Bürgerrechtsgruppen, darunter viele Jugendliche, in mehreren Städten im besonders von gewalttätigen Übergriffen erschütterten Osten des Landes mit friedlichen Demonstrationen und Aufrufen zu zivilem Ungehorsam die Weltöffentlichkeit einmal mehr auf ihre verzweifelte Situation aufmerksam gemacht. Ihre Proteste vor den MONUSCO-Stützpunkten wurden von Polizei- und Militärkräften gewaltsam aufgelöst. Es kam zu Dutzenden Festnahmen, viele Demonstrierende wurden verletzt, mehrere getötet. Es gibt Meldungen, wonach auch MONUSCO-Blauhelmsoldaten auf die demonstrierenden Jugendlichen geschossen haben sollen.

MONUSCO läuft seit 2010. Das ursprüngliche Mandat, Schutz von Zivilistinnen, Zivilisten, humanitärem Personal, Menschenrechtsverteidigern und Menschenrechtsverteidigerinnen sowie „Unterstützung der Regierung in ihren Bemühungen um Stabilisierung und Friedenskonsolidierung“ wurde schon 2013 ergänzt um die Bevollmächtigung, Gewalt anzuwenden und Rebellengruppen zu „neutralisieren“. Der UN-Sicherheitsrat entsendet eine ca. 12.000 Personen umfassende Militärtruppe, darunter Artillerie-, Aufklärungs- und Spezialeinheiten. Die Kosten für den Einsatz: mehr als eine Milliarde US-Dollar pro Jahr.

Die Maxime, dass Instrumente der „traditionellen“ – defensiven – Friedenssicherung nicht ausreichen, um die hochkomplexen Gewaltdynamiken in zerfallenden Staaten zu bearbeiten, und man stattdessen Blauhelm-Kampftruppen schicken muss, wurde im Kongo schnell widerlegt. „Stabilisierung und Friedenskonsolidierung“ hatten zu keinem Zeitpunkt eine Chance. Man versäumte es auch in diesem von langjährigen Kriegen geschundenen Land, sich ernsthaft um die Demobilisierung der bewaffneten Milizen, um den Aufbau von Rechtsstaatlichkeit, nachhaltige Armutsbekämpfung und humanitäre Hilfe zu bemühen. Man schickte Soldaten statt qualifiziertes ziviles Personal zur Konfliktbearbeitung.

Dabei wäre ein solches ziviles Engagement dringend notwendig: Die DR Kongo gilt als eines der ärmsten und instabilsten Länder Afrikas. Das Land ist zwar reich an Bodenschätzen, aber die anhaltenden gewaltvollen Konflikte hindern die Bevölkerung, ihre Felder zu bestellen oder Handel zu treiben. Die Situation ist schlimmer denn je: Von den 70 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist, insbesondere im Osten des Landes, ein Drittel von Hunger bedroht, etwa 3,6 Millionen Kinder unter fünf Jahren leiden an akuter Unterernährung. Dazu kommen die Epidemien, Ebola, Masern (daran starben seit 2018 7.000 Kinder) und seit 2020 COVID-19, denen das Land mit seinem kaum vorhanden Gesundheitssystem nichts entgegensetzen kann. In dieser Situation ist es besonders pervers, eine Milliarde US-Dollar jährlich in eine Militärmission zu investieren, die im Wesentlichen damit beschäftigt ist, sich selbst zu schützen, statt in die Erfüllung der Grundbedürfnisse der Bevölkerung.

Am Montag hat der Gouverneur der Krisenprovinz Kivu im östlichen Kongo die Proteste gegen MONUSCO verboten, aber damit ist das Problem nicht aus der Welt. Das inzwischen zehn Jahre dauernde Scheitern von MONUSCO im Kongo zeigt einmal mehr, dass die Entsendung ausländischer Truppen in Kriegsgebiete diese Konflikte verlängert und eskaliert. Der UN-Sicherheitsrat ist jetzt gefordert, sich endlich damit auseinanderzusetzen, warum MONUSCO gescheitert ist und welche Konsequenzen aus dieser Erkenntnis abzuleiten sind. Tatsächlich wird im UN-Sicherheitsrat schon länger über eine Exit-Strategie nachgedacht. In der letzten Mandatsverlängerung unterstrich der Rat „die Notwendigkeit, die Aufgaben der MONUSCO schrittweise an die Regierung der DR Kongo … und andere relevante Akteure zu übertragen, um einen verantwortungsvollen und nachhaltigen Ausstieg der MONUSCO zu ermöglichen“.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Alternative zu einem bewaffneten UN-Einsatz nicht „Nichtstun“ ist, sondern die gerade auch im Kongo dringend notwendige aktive Unterstützung von Waffenstillstandsabkommen und Verhandlungslösungen, also der Einsatz nichtmilitärischer Instrumentarien, die auch bei der UN immer noch drastisch unterentwickelt und unterfinanziert sind. Die Finanzierungssystematik ist Teil des Problems: Während militärische UN-Missionen aus Pflichtbeiträgen finanziert werden, sind Armutsbekämpfung, humanitäre Hilfe und zivile Interventionen immer auf freiwillige Zuwendungen der Mitgliedsstaaten angewiesen. Und die Militärmissionen sind ein Gewinn für Truppensteller aus dem Globalen Süden: Bitterarme Staaten wie Bangladesch erwirtschaften einen bedeutsamen Teil ihres Staatshaushalts durch die Soldaten, die sie in die Blauhelmmissionen entsenden.

Die Bürgerrechtsgruppen und Jugendlichen, die letzte Woche in verschiedenen Orten der Provinz Kivu friedlich gegen MONUSCO und für eine echte Unterstützung bei ihrer Suche nach einem Ausweg aus der katastrophalen Lage demonstriert haben, sind mit ihrer Kritik nicht allein. In einem „Aufruf zum dringenden Handeln, um die Massaker in Beni zu stoppen“ fordern 80 gesellschaftliche Gruppen, die MONUSCO-Mission solle den Kongo verlassen. Sie sei nutzlos, da sie nicht in der Lage sei, die Bevölkerung vor Massakern durch die Milizen zu schützen.

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