Als eines seiner ersten Projekte kündigte der neue Justizminister Marco Buschmann von der FDP im Dezember 2021 die Streichung des Paragraphen 219a aus dem Strafgesetzbuch an. Darin wird aktuell noch geregelt, in welcher Form Ärzt:innen über von ihnen selbst durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen. Nämlich im Detail gar nicht.
Zwar dürfen Ärzt:innen seit einer Gesetzesnovelle im Jahr 2019 beispielsweise auf ihrer Homepage aufführen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen – nicht jedoch über die von ihnen angewandten Methoden. Die bisherige Rechtslage führte zu einigen Aufsehen erregenden juristischen Auseinandersetzungen, allen voran der Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel.
Dass der Paragraph 219a nun endlich gestrichen werden soll, ist ein überfälliger Schritt. Das Informationsverbot wurde im Frühsommer 1933 von den Nationalsozialist:innen verabschiedet und fügte sich in ein größeres Bild ihrer Bevölkerungspolitik ein. Abtreibungen wurden grundsätzlich unter drakonische Strafe gestellt – zumindest, wenn es sich um „Arierinnen“ handelte. Für Menschen, die die Nazis als „minderwertig“ ansahen, blieben Abtreibungen straffrei. Die Botschaft war klar: „Deutsches Blut“ sollte um jeden Preis geschützt werden – alle anderen Menschen nicht. Dass sich ein Paragraph, der in diesem Kontext entstanden ist, bis in die heutige Zeit halten konnte, ist ein Skandal an sich. Auch wenn es in der BRD immer wieder kleinere Korrekturen daran gegeben hat.
Selbstverständlich begrüße ich die Abschaffung des § 219a – der große Wurf in Richtung mehr reproduktiver Selbstbestimmung ist er allerdings nicht. Die Frage, wie mit § 218 weiter verfahren werden soll, wurde in einer Kommission versenkt. SPD und Grüne, die im Wahlkampf noch klar sagten, dass gewollte [A1] Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetzbuch verschwinden müssten , konnten diese Forderung im Koalitionsvertrag mit der FDP nicht durchsetzen. Immerhin wurde mit aufgenommen, dass der kostenfreie Zugang zu Abtreibungen möglich sein und die Versorgungslage verbessert werden soll[KU2] . Die Übernahme der Kosten durch Krankenkassen ist jedoch unmöglich, solange Abtreibungen nur als unter bestimmten Bedingungen straffrei gelten – sie aber weiterhin dem Grunde nach rechtswidrig sind. Für Ärzt:innen sind die verschiedenen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs kein Bestandteil der medizinischen Ausbildung und da sie sich anschließend in einem juristisch unsicheren Feld bewegen, wenn sie diese anbieten, schrecken immer mehr vor dem Angebot zurück. Die klagefreudigen „Lebensschützer:innen“-Netzwerke haben hier ganze Arbeit geleistet.
Zwar hat die Ampel mit der Ankündigung einer verbesserten Ausbildung und mit dem Verbot der Gehsteigbelästigungen, die von ebensolchen Gruppierungen immer wieder vor Praxen und Beratungsstellen durchgeführt werden, neben der Abschaffung von § 219a bereits Schritte angekündigt bzw. unternommen, die in Teilen zu Verbesserungen führen könnten. Ohne die Streichung des gewollten Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch bleibt dies jedoch nur Stückwerk und ungeeignet, die schlechte Versorgungslage zu beenden. Seit Anfang der 2000er-Jahre ist die Zahl der Praxen, die Abbrüche vornehmen, um 45% zurückgegangen. Die Konsequenz ist klar: insbesondere im ländlichen Raum wurden die Wege damit immer weiter. Frauen mit weniger Einkommen werden hierdurch stark belastet. Zu den Kosten für den Abbruch an sich, die sich zwischen 200 und 570 € belaufen, kommen dann noch Reisekosten in nicht unerheblicher Höhe. Durch den aktuell festgeschriebenen Beratungszwang möglicherweise sogar doppelt – denn zwischen Beratung und Durchführung ist eine Bedenkzeit von drei Tagen vorgeschrieben. Hieran ist nicht nur der finanzielle Aspekt, sondern besonders auch das Frauenbild bemerkenswert.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Koalition aus diesem Dilemma herauskommen will oder ob letztlich nicht die Kommission zu dem Ergebnis kommen wird: Kostenfreier und flächendeckender Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen wird nicht ohne Streichung aus dem Strafgesetzbuch zu machen sein. Die bisherigen Erfahrungen mit strittigen Themen in dieser Regierung lassen mich erahnen, wer sich hierbei letztlich durchsetzen wird. Wir als LINKE werden auf jeden Fall weiter alles daran setzen, dass Frauen ihr Selbstbestimmungsrecht wahrnehmen können – ein Punkt der in der DDR im Übrigen bereits in den 1970er Jahren in dieser Beziehung besser umgesetzt war – und dass die Zeiten, in denen andere über Frauenkörper entscheiden, ein Ende haben!
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