Ein angehender Lehrer wurde in Bayern aus dem staatlichen Schuldienst gedrängt. Als Grund wurde die Urheberschaft eines Songs aus dem Jahr 2006 genannt.
Lion Häbler ist Kunst- und Deutschlehrer. In seiner Freizeit machte als deutschsprachiger Rapper Musik. Vor 13 Jahren schrieb er den Song „Ausbürgerungsantrag“, in dem er sich u.a. gegen Einbürgerungstests positioniert, die von Migrantinnen und Migranten mehr Kenntnisse über Deutschland und ein staatstreueres Verhalten verlangen würden, als es je von Menschen mit einem deutschen Pass getan werde. Das Lied bezeichnet er heute als antirassistische Solidaritätserklärung und einen Appell an Artikel 3 des Grundgesetzes »Gleichheit vor dem Gesetz«. Einer Deutung, der ich mich anschließen kann.
Die Regierung von Oberbayern deutet einzelne Textpassagen als „aus verfassungs- und beamtenrechtlicher Sicht äußert fragwürdig“ und verlangte von Lion Häbler „sämtliche Inhalte, die in irgendeiner Weise staatskritische Haltungen zum Ausdruck bringen, unverzüglich zu löschen.“ Die Zugänglichkeit der Werke stelle seine „Wahrung der Dienstpflicht“ in Frage.
Eine politische Position zu haben, staatliche Praxis und politische Entwicklungen zu bewerten, steht sowohl Künstlerinnen und Künstlern als auch Lehrerinnen und Lehrern frei. Bei Lehrerinnen und Lehrern ist selbstverständlich hervorzuheben, dass sie ihre politische Position im Unterreicht nicht zur Norm erklären, niemanden diskriminieren und benachteiligen dürfen.
Für mich ist nicht erkennbar, an welcher Stelle der Song von Lea-Won aka Lion Häbler verfassungsfeindlich oder gefährdend ist. Eine politische Kritik ist nicht mit einer Ablehnung des Staates oder demokratischen Grundsätzen gleichzusetzen. Diese populistische Verkürzung ist einer Landesregierung nicht würdig. Es liegt auf der Hand, dass es sich hier um ein machttaktisches Manöver der Regierung handelt, um bei der AfD Wählerstimmen zu fischen. Die AfD hat zuletzt Beschwerdeplattformen für Schülerinnen, Schülern und Eltern aufgefahren, auf denen diese ungewünscht politisch agierende Lehrerinnen und Lehrern melden können.
In Zeiten, in denen eine rechtspopulistische Partei Schülerinnen und Eltern animiert, unliebsame Lehrerinnen und Lehrer zu denunzieren, erwarte ich von Schulbehörden und verantwortlichen Politikerinnen und Politikern, dass Sie Lehrkräfte stärken. Das Agieren der oberbayerischen Regierung halte ich für anmaßend und politisch völlig das falsche Signal.
Hinzu kommt, dass über ein künstlerisches Werk diskutiert wird. Lion Häbler tritt unter einem Pseudonym auf – sein lyrisches Ich. Lion Häbler ist als Person Urheber des Liedes, doch das „ich“ seiner Texte ist Lea-Won. Umso absurder, dass erwartet wird, dass er sich von einzelnen Liedzeilen distanzieren solle. Dass von ihm erwartet wird, sich von seiner künstlerischen Arbeit explizit zu distanzieren und diese zu löschen, empfinde ich als einen Eingriff in die Kunstfreiheit und freie Meinungsäußerung. Für mich steht im Vordergrund, wie agiert Lion Häbler in der Schule? Was sind seine didaktischen Methoden als Deutsch- und Kunstlehrer. Nach eigener Angabe, macht Lion Häbler seine musikalische Tätigkeit im Unterricht nicht zum Thema. Werde er von Kolleginnen, Kollegen, Schülern, Schülerinnen oder Eltern darauf angesprochen, stehe er jedoch für Auskünfte zur Verfügung.
Doch um seine Qualitäten als Lehrer scheint es in der Diskussion eher nicht zu gehen, dafür interessieren die oberbayerische Regierung und sein Seminarleiter sich weniger. Wären sie das gewesen, hätte ihr Urteil unter Umständen anders ausgesehen. Denn ein Lehrer, der sich auch in seiner Freizeit mit Wirkung von Sprache, Sprachmelodie, jugendlicher Subkultur und zeitgenössischen Reimformen beschäftigt, scheint mir ein vorzüglicher Deutsch- und Musiklehrer sein zu können.
Lyrics und Lied sind hier nachzulesen und zu hören: http://Lea-Won.bandcamp.com