Aachener Vertrag: Der nächste Militarisierungsschub

Anlässlich des 56. Jahrestages des Elysée-Vertrags wollen die Regierungen Deutschlands und Frankreichs am 22. Januar den „Aachener Vertrag“ unterzeichnen. Er wird als Nachfolgevertrag des deutsch-französischen Abkommens von 1963 gehandelt, das ein wichtiger Schritt in der Aussöhnung beider Länder war.

Doch während im Elysée-Vertrag noch der kulturelle Austausch und die zivile Kooperation im Vordergrund standen, reiht sich der Aachener Vertrag gänzlich in die Tendenzen der letzten Jahre auf EU-Ebene ein: Neben der „ständigen strukturierten Zusammenarbeit“ (PESCO) und dem rechtswidrigen Europäischen Verteidigungsfonds, gegen den DIE LINKE klagen wird, stellt er einen weiteren Militarisierungsschub dar.

Trotz blumiger Worte und durchaus positiver Aspekte in der Bildungskooperation und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit enthält der Vertrag an zentraler Stelle Artikel, die unzweideutig eine weitere Militarisierung fördern sollen. So sieht er vor, dass „Europas Leistungsfähigkeit, Kohärenz und Glaubwürdigkeit im militärischen Bereich“ weiterentwickelt werden soll. Deutschland und Frankreich verpflichten sich dazu, „die Handlungsfähigkeit Europas zu stärken und gemeinsam zu investieren, um Lücken bei europäischen Fähigkeiten zu schließen und damit die Europäische Union und die Nordatlantische Allianz zu stärken“. Wer vergleichbare Texte kennt, weiß, dass die Schließung von „Fähigkeitslücken“ bei der „Verteidigung“ nichts anderes bedeutet als Aufrüstung. Dementsprechend ist auch weiter die Rede davon, dass die „europäische verteidigungstechnologische und -industrielle Basis“ – im Klartext: Die Rüstungsindustrie – konsolidiert und gefördert werden soll.

Auch militärischer Beistand ist im Aachener Vertrag Thema. Dieser soll laut Vertragstext im Falle eines „bewaffneten Angriffs auf ihre Hoheitsgebiete“ greifen. Was sich zunächst nach einem Verteidigungsfall anhört, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen jedoch als Option für weltweite Militäreinsätze. Denn direkt anschließend wird (etwas kryptisch) die „territoriale Reichweite“ für diesen Beistand analog zu Artikel 42 Absatz 7 des Vertrags über die Europäische Union definiert. Wir erinnern uns: Es war eben dieser Artikel des EU-Vertrags, der mit einer abenteuerlichen juristischen Konstruktion dafür herhalten musste, den völkerrechtswidrigen Bundeswehr-Einsatz in Syrien („Operation Counter Daesh“) zu rechtfertigen. Zuvor hatten im November 2015 Attentäter in Paris insgesamt 130 Menschen getötet; der so genannte „Islamische Staat“ reklamierte die Anschläge für sich.

Ins Auge springt auch die hervorgehobene Stellung Afrikas im Aachener Vertrag. Neben dem wohlklingenden Ziel, den Ländern Afrikas „soziale und wirtschaftliche Perspektiven“ zu eröffnen, ist die Rede von Krisenprävention und Konfliktbewältigung, „auch durch friedenserhaltende Maßnahmen“. Nun ist allgemein bekannt, dass Frankreich für sich beansprucht, als Ordnungsmacht in den ehemals unter französischer Kolonialherrschaft stehenden Ländern zu agieren. Zahlreiche Militäreinsätze, die immer mit vorgeblich noblen Zielen wie der Friedenssicherung gerechtfertigt werden, zeugen von dieser Politik. Und auch die Bundeswehr ist bereits in sechs afrikanischen Ländern aktiv: Mali (EUTM, MINUSMA und EUCAP), Somalia (Atalanta), Sudan (UNAMID), Südsudan (UNMISS), Westsahara (MINURSO), Libyen/Tunesien (UNSMIL). Der Aachener Vertrag soll diese Tendenz anscheinend zementieren und gemeinsame deutsch-französische Interessen in Afrika durchsetzen.

Eine vertiefte Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich ist ohne Zweifel wünschenswert, wenn es dabei darum geht, die Menschen unserer Länder einander näher zu bringen, Bürokratie abzubauen und soziale Sicherheit zu schaffen. Der Geist des Aachener Vertrages ist jedoch leider ein anderer. Er steht nicht in der Tradition des Elysée-Vertrages, sondern reiht sich vielmehr in die Tendenz ein, auf die zunehmenden globalen Krisen und die durch den Neoliberalismus verursachten sozialen Verwerfungen mit forcierter Militarisierung nach innen und außen zu reagieren. Dem gilt es sich entgegenzustellen.

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