Linke und BGE – Bruch mit sozialistischem Anspruch

Knapp ein Drittel der Mitglieder der Linken hat beim Mitgliederentscheid über das Bedingungslose Grundeinkommen abgestimmt, davon sprachen sich 56,64 % dafür aus, 38,43 % dagegen aus. Die Entscheidung stellt einen Bruch mit der bisherigen Programmatik, wie auch mit dem Gründungskonsens der Linken dar.

Die niedrige Beteiligung am Mitgliederentscheid ist zum einen eine Folge des aktuellen Zustands der Partei, die geprägt ist von verschiedenen Auseinandersetzungen und zu erhöhter Passivität geführt hat. Zum anderen ist sie auch Folge eines Desinteresses am Grundeinkommen, da Gegnerinnen und Gegner nicht abgestimmt haben, da sie sich eines Misserfolgs des Mitgliederentscheids sicher waren. Das nun knapp 20% der Mitglieder beschlossen haben, dass die Partei für ein Grundeinkommen steht und damit ihre Konzepte zur Mindestsicherung aber auch Renten ad absurdum führt, ist ein massives Problem.

Bruch mit dem Solidarprinzip

Deutlich schwerwiegender ist, dass das BGE im Kern eine Aufkündigung des Solidargedankens darstellt. Dieser besteht darin, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestaffelt nach Einkommenshöhe in die Sozialversicherungen einbezahlen, um im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Alter sozial abgesichert zu sein. Das BGE ist jedoch eine Art Mindestsicherung, die unabhängig von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Alter immer gleich hoch bzw. gleich niedrig bleibt. Die Aufkündigung eines beitragsfinanzierten Versicherungssystems zugunsten eines steuerfinanzierten Mindestsicherungssystems wird den Sozialstaat nicht „solidarisch erneuern“, sondern die bestehende Ungleichheit weiter zementieren.

Der Gedanke der Solidarität wird ersetzt durch die Idee vermeintlicher Gleichheit, dabei würde selbst die Einführung eines linken Grundeinkommens keine Gleichheit bedeuten, sondern nur die gleiche finanzielle Unterstützung vom Staat für alle. Die spezielle Berücksichtigung von Menschen, die verschuldet oder unverschuldet in eine sozial prekäre Lage geraten sind, wird durch die Gleichbehandlung ersetzt und das BGE ignoriert rücksichtslos, dass Unterstützung konkret und fallbezogen sein muss

Gründungskonsens aufgekündigt

Die Entscheidung stellt auch einen Bruch mit dem historischen Gründungskonsens der Linken dar, die als Zusammenschluss von PDS und der WASG, die von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern gegründet wurde, dar. Denn das Bündnis mit den fortschrittlichsten Teilen der Arbeiterinnenbewegung wird durch eine programmatische Entscheidung, die den Wert der Arbeit aus dem Zentrum linker Debatten rückt, massiv geschwächt. Der Fokus auf Arbeit und der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen, der Emanzipationskampf der Arbeitendenklasse wird durch ein Grundeinkommen abgeschwächt. Die Beschäftigten und ihre Kämpfe um bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen rücken aus dem Fokus linker Politik.

Die Aufkündigung des Gründungskonsens, der Bruch mit dem Solidargedanken, wie auch mit dem Prinzip ungleiches nicht gleich zu behandeln, stellen eine Gefahr für die Linke dar. Eine Gefahr nicht nur in ihrer Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, sondern auch die Gefahr, dass die Partei jene aus den Augen verliert, die die Macht haben grundsätzlich gesellschaftliche Kräfteverhältnisse in Frage zu stellen: Die Erwerbstätigen

Ein Beitrag von Ulrike Eifler, stellvertretende Landessprecherin der Linken NRW, und Igor Gvozden, Mitglied im Landesvorstand der Linken.NRW

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6 Antworten

  1. Hallo Ulrike, du weißt ganz genau, (hab ich dir persönlich gesagt) dass auch die BGE-Befürworter*innen in der Partei Demokratischen Sozialismus anstreben. Dieser mangelnde Respekt für andere Perspektiven und die Ignoranz gegenüber den Entwicklungen des Weltmarktes haben die Debatte unsäglich erschwert.
    Du weißt auch, dass unser PV und der Parteitag von einem weit kleineren Teil der Partei gewählt werden. Willst du deren Legitimation auch anzweifeln. Wie wäre es stattdessen mal mit Offenheit und konstruktivem Diskurs? Sozialistische Grüße*
    Annika

  2. Interessante Thesen der Autorin, leider werden diese weder ausgeführt und vor allem nicht begründet. Schade, somit für mein Empfinden inhaltsleer.

  3. Das wird innerhalb der Linken keine Chance haben. Man sollte sich schn mal angucken, wer so was warum verfechtet, das sind ja vor allem die Grünne.

  4. Im dritten Band von „Das Kapital – Kritik der politischen Ökonomie“ ist zu lesen:

    »Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. Wie der Wilde mit der Natur ringen muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muss es der Zivilisierte, und er muss es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen.

    Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse sich erweitern; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehen, dass der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehen. Aber es bleibt dies immer in Reich der Notwendigkeit.

    Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühen kann. Die Verkürzung des Arbeitstages ist die Grundbedingung.«

    Die harsche Kritik von Ulrike Eifler und anderen Gewerkschafter:innen, das BGE sei ein „Bruch mit dem Solidarprinzip“ ist nicht gerechtfertigt, denn die Organisation des „Reiches der Notwendigkeit“ wird von einem BGE überhaupt nicht berührt. Das BGE ist aus einer ganz anderen Perspektive zu kritisieren.

    Ein BGE in hinreichender Höhe ist ein Vorgriff auf das „Reich der Freiheit“, ohne die Voraussetzungen dafür geschaffen zu haben. „Einkommen“ ist eine Kategorie der warenförmigen gesellschaftlichen Organisation. Diese „blinde Macht“, die aus den Basiskategorien Ware, Wert, Geld und (Lohn-) Arbeit erwächst, soll jedoch im Reich der Notwendigkeit überwunden werden, indem die assoziierten Produzenten ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln und sich eben nicht den Gesetzmäßigkeiten von Ware, Wert & Co unterwerfen.

    Das ist der logische Konstruktionsfehler eines BGE in hinreichender Höhe. Der Streit um das BGE in der Partei DIE LINKE ist ein Symptom für mangelnde gedankliche Klarheit auf vielen Seiten und in vielen Strömungen. Leider gilt dies nicht nur für das Thema BGE.

  5. Vorweg:
    Ich fordere die Gastautorin auf, sich zuerst mit dem BGE tiefer zu beschäftigen als dargestellt und erst danach sich zu äußern.
    Dann würde so ein oberflächlicher, für ‚BGE-Kenner‘ maximal langweiliger Artikel erst gar nicht entstehen. Dass die Autorin sowohl die ‚geldmechanischen‘ als auch die sozialen und solidarischen Konditionen hinter dem BGE nicht mal oberflächlich beleuchtet und fast bizarr verkennend darstellt, ist Zeugnis von Unwissenheit im Thema.

    Der erste Kritikpunkt der geringen Legitimation des Ergebnisses aufgrund einer niedrigen Wahlbeteiligung liegt unmittelbar ad acta, weil das so ein Gemeinplatz ist, der wohl die erschlagende Mehrheit aller Abstimmungen in allen Parteien und sogar Wahlen infrage stellt. Da gilt aber einfach: Wer macht, hat Macht. Wer sich nicht beteiligt, delegiert de facto seine Stimme an Beteiligte. Das ist nicht befriedigend aber heuristisch pragmatisch.

    Das BGE ist keine Aufkündigung, sondern eine Weiterführung des Solidarprinzipes – alle zahlen nach ihren Möglichkeiten in den ‚BGE-Topf‘ ein, alle erhalten daraus BGE. Der ‚Millionär‘ zahlt mehr ein als er BGE erhält. Das dürfte sogar für neoliberale, unechte GE-Modelle gelten. Die solidarische Sicherheit besteht beständig. Wie kann das Umfassende ein Rückschritt sein gegenüber dem situativen?

    „[BGE] … wird den Sozialstaat nicht „solidarisch erneuern“, sondern die bestehende Ungleichheit weiter zementieren.“
    Die Autorin bleibt Begründung und Logik dafür schuldig, eine bloße Behauptung. Es gibt hingegen BGE-Modelle, die den GINI-Index der Einkommen reduzieren und modellimanent auf einen Maximalwert begrenzen (der weit niedriger ist als heute).

    „…. das BGE ignoriert rücksichtslos, dass Unterstützung konkret und fallbezogen sein muss.“
    Spätestens an dieser Stelle winken BGEler gelangweilt ab. Wer selbst 2022 noch diese falsche Behauptung auftischt, outet sich instantan als entweder Lügner gegen besseres, etabliertes Wissen oder aber als substanziell uniformiert im Thema und damit in beiden Fällen als disqualifiziert, sich überhaupt ernsthaft zum Thema zu äußern.
    Individuelle Mehrbedarfe über das BGE hinaus bleiben mit dem BGE erhalten. Eben nur wie bisher bedingt, also bedarfsgeprüft.

    „… eine programmatische Entscheidung, die den Wert der Arbeit aus dem Zentrum linker Debatten rückt,“
    ‚Zentren‘ linker Debatten gibt es so einige, der ‚Wert der Arbeit‘ ist nicht das alleinige. Warum der Wert von Arbeit mit einem BGE an die Peripherie rücken sollte, legt die Autorin nicht dar – schon wieder eine Behauptung ‚in der Luft‘.
    Naheliegend ist gegenteilig, dass die Debatte über den Wert von Arbeit wächst, denn das BGE erweitert den Arbeitsbegriff. Viele rückwärtsgerichtete Linke hängen noch im alten Fehlschluss fest, dass nur was Einkommen bringt, auch Arbeit sei; sie setzen damit Einkommen mit Arbeit gleich und reduzieren so den Arbeitsbegriff verkennend und diskriminierend auf Erwerbsarbeit – alle anderen Formen der nichtbezahlten Arbeit werden damit weg diskreditiert. Dabei ist die Anzahl geleisteter unbezahlter Arbeitsstunden regelmäßig viel höher als die bezahlten Arbeitstunden (siehe Jahresberichte Destatis).
    BGE wertet bisher unbezahlte, gesellschaftlich elementare Arbeit auf.

    “ … Gefahr nicht nur in ihrer Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, sondern auch die Gefahr, dass die Partei jene aus den Augen verliert, die die Macht haben grundsätzlich gesellschaftliche Kräfteverhältnisse in Frage zu stellen: Die Erwerbstätigen. “
    Dazu gibt das BGE keinen Anlass, im Gegenteil. Das hier ist eine Konstruktion, die dem BGE Eigenschaften andichten möchte, die gar nichts mit ihm zu tun haben. Oft absurdet sowas in Fehlschlüsse, die einen heute bereits bestehenden Zustand mit einem erst zukünftigem BGE begründen möchten. Beispielsweise, dass mit BGE in bestimmten Milieus dann nicht mehr erwerbsgearbeitet würde – was eine heutiger Zustand ohne BGE und Folge heutiger systemischer Zustände ist.
    Kurz: Politische Inhalte liegen in der Verantwortung der politischen Akteure und Parteien. Daran ändert ein BGE nichts.
    Und: Gewerkschaften und Arbeitnehmer vergrößern mit BGE ihre Verhandlungsmacht. ‚BGE füllt die Streikkasse‘.
    (Das ist so naheliegend, dass man sich klischeehaft fragt, ob es wirklich die Befürchtung ist, Arbeitnehmer verlören ihren Einfluss auf die Arbeitswelt, oder nicht vielmehr die Befürchtung, die Gewerkschaft und -funktionäre verlören ihren Einfluss auf die Mitglieder. ;-) )

  6. Nun ist auch die Linke für diese Herdprämie.
    Die Wähler in Niedersachsen haben Euch richtigerweise die rote Karte gezeigt.
    Das schreibe ich als Exmitglied.
    Was es nun braucht, ist keine zweite grüne Partei, sondern eine neue Linke, die wieder Arbeiter ansprechen kann. Und der AfD endlich Wähler abnimmt.
    Kleiner Tipp: https://www.derwesten.de/politik/sahra-wagenknecht-die-linke-neue-partei-gruendung-umfrage-beliebtheit-russland-ukraine-id300035230.html

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