Während sich die Spannungen zwischen den beiden Supermächten zuspitzen, knüpfen die Golfstaaten – historisch im Einflussbereich der USA verwurzelt – immer engere Beziehungen zu China.
Die zunehmenden Spannungen zwischen den USA und China haben weitreichende Auswirkungen auf die gesamte internationale Ordnung und schüren Probleme nicht nur für westliche Mächte, sondern auch für kleinere Staaten, die in verschiedene Einflussbereiche fallen. Dazu gehören auch die Golfstaaten, die zunehmend zwischen dem Konkurrenzdruck dieser Großmächte eingeklemmt werden.
Die Staaten des „Golfkooperationsrates“ (GCC) Saudi-Arabien, Kuwait, Oman, Katar, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate VAE sind historisch in der Einflusssphäre der USA verwurzelt. Sie stärken jedoch zunehmend ihre Beziehungen zu China, wobei sie ihre geostrategische Lage, ihre Finanzkraft und ihre Kohlenwasserstoffressourcen geschickt für sich ausspielen.
Indem sie die zwei Supermächte behutsam gegeneinander ausspielen, prosperieren sie – zumindest im Moment – als „Zwischenstaaten“.
Verschiebung der Machtdynamik
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben die USA eine liberale internationale Ordnung gefördert, die auf der Rechtsstaatlichkeit der freien Marktwirtschaft basiert. Davon profitierten fortgeschrittene kapitalistische Volkswirtschaften, insbesondere die USA. Doch der Einfluss dieser liberalen Ordnung beginnt zu schwinden – und mit ihr auch der Einfluss der USA auf die internationale Machtdynamik.
China hat eine Alternative zur westlichen marktwirtschaftlichen Orthodoxie entwickelt, indem es gelernt hat, seinen staatlich gelenkten Kapitalismus effizient an die Weltwirtschaft anzupassen und durch massive Investitionen in Technologie und Innovation die Vormachtstellung der USA in hochstrategischen Industrien effektiv in Frage zu stellen.
In Washington wächst die Besorgnis, dass die globale Hegemonie der USA schwinden wird, falls sie ihre Position als weltweiter Technologieführer verlieren würde. Diese Situation wird durch den Isolationismus und die konfrontative Haltung von Präsident Donald Trump gegenüber China und die wachsende militärische Machtprojektion Chinas im westlichen Pazifik noch verschärft.
Beide Mächte sind jedoch trotz des seltsamen Zusammenpralls nicht bereit, sich offen militärisch zu konfrontieren, da ihre Volkswirtschaften in hohem Maße voneinander abhängig sind und China tief in globale Lieferketten verstrickt ist. Bislang hat dies zu einer neuen Art von Kaltem Krieg geführt, bei dem die beiden Konkurrenten in Stellvertreterarenen wie Handelskonflikten aufeinandertreffen; etwa Handelskriege, Covid-19, die Proteste in Hong-Kong etc.
Aber wie beim ursprünglichen Kalten Krieg gibt es in anderen Regionen der Welt andere, weniger verbreitete Manifestationen dieses Stellvertreterkonflikts.
Wachsender Einfluss
Der Aufstieg Chinas in der Golfregion geht einher mit dem schwindenden Einfluss der USA, doch angesichts der bedeutenden US-Militärpräsenz im Golf hat dies noch keine signifikanten Auswirkungen. Dank jahrzehntelanger, westlich orientierter, militärischer Ausbildung und Rüstungsverkäufe wird der US-Einfluss im Sicherheitsbereich höchstwahrscheinlich noch eine Weile intakt bleiben. Auch werden westliche Finanzzentren weiterhin ein wichtiger Standort für Investitionen am Golf bleiben.
Dennoch wächst Chinas Einfluss in den Golfmonarchien unaufhaltsam und auf einer immer sichereren Grundlage. Der Golf ist von China abhängig, um einen bedeutenden Teil seiner Kohlenwasserstoffexporte zu kaufen, ebenso wie auch Chinas Industrie von diesen Importen abhängig ist. Aufbauend auf diesen Gemeinsamkeiten nehmen die chinesischen Investitionen in allen Monarchien zu.
Der Golf ist eine wichtige Drehscheibe im chinesischen Infrastrukturprogramm der Neuen Seidenstraße, was im Kampf um chinesische Investitionen den Wettbewerb zwischen den Golfstaaten anheizt. Die Investitionen in der Golfregion haben sich in den letzten Jahren in Richtung Osten diversifiziert, weg von ihren traditionellen Schauplätzen der westlichen Kapitalmärkte und Immobilieninvestitionen.
Im Sicherheitsbereich bespielt China wichtige Nischenrollen. Internationale Regularien hindern westliche Nationen daran, Militärequipment wie Drohnen zu verkaufen (obwohl die USA bereits versuchen, diese Beschränkungen zu lockern), weshalb Saudi-Arabien und die VAE diese von China erwerben und in Konflikten wie im Jemen und in Libyen einsetzen.
Während diese Art des Waffenhandels wahrscheinlich zunehmen wird, wird die Annahme, Chinas Militär könnte in der Region eine größere Rolle spielen, allgemein als unwahrscheinlich angesehen. Den chinesischen Streitkräften mangelt es an den Fähigkeiten, sich in nennenswertem Umfang in der Region zu engagieren. Auch bedingt die chinesische Doktrin, dass Chinas Militär nur widerwillig in regionale Konflikte hineingezogen wird – nicht zuletzt deshalb, weil sich China bei regionalen Auseinandersetzungen, auch zwischen den GCC-Staaten und dem Iran, einem weiteren wichtigen Kohlenwasserstofflieferanten Chinas, entschlossen zeigte, keiner Seite Partei zu ergreifen.
Herausforderungen und Chancen
Zwischen zwei solchen Kolossen zu stecken, kann zu schwierigen Entscheidungen führen. Dennoch bietet der gegenwärtige historische Übergang mit seinen geopolitischen Schwankungen sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint die Position der GCC-Mitglieder günstiger als die anderer Staaten.
Wirtschaftliche und politische Macht sind am Golf weit weniger getrennt als in Europa. Dies trägt dazu bei, Spannungen jener Art abzumildern, wie sie etwa die Spaltungen innerhalb der EU geschürt haben. Und während Europa einen unschätzbaren geostrategischen Vermögenswert darstellt, dem die USA den Luxus eines wartungsarmen Partners im Offshore Balancing* verdanken, haben die Golfstaaten stets den Schutz der USA benötigt. (*Offshore Balancing beschreibt ein Strategiekonzept internationaler Beziehungen der (neo-)realistischen Denkschule, nach dem eine Großmacht verbündete Regionalmächte einsetzt, um den Aufstieg potentiell feindlich gesinnter Regionalmächte zu unterbinden; Anm. d. Editors.)
Die Golfstaaten sind kostspielige Verbündete, die es den USA schwer machen, mehr als nur eine notwendige Sicherheitspräsenz aufrechtzuerhalten und gleichzeitig weiterhin Waffen zu verkaufen.
Nicht zuletzt aufgrund von Pekings Menschenrechtsbilanz und des Umgangs mit Hongkong haben die GCC-Mitglieder weniger Hemmungen, engere Beziehungen zu China zu knüpfen. Die Golfstaaten unterzeichneten gar einen UN-Brief, in dem sie Chinas Bilanz in Xinjiang befürworteten und Behauptungen zurückwiesen, Peking verfolge die uighurisch-muslimische Bevölkerung. Dennoch könnten die Golfmonarchien von den zunehmenden Spannungen im Südchinesischen Meer betroffen sein, da dieses Meer das Potenzial hat, den internationalen Ölfluss zu beeinträchtigen.
Während der Konflikt zwischen den USA und China einige Ähnlichkeiten mit dem Kalten Krieg aufweist, ist die globale Machtverteilung nicht mehr bipolar, wie es noch während des ursprünglichen Kalten Krieges der Fall war. Vielmehr befinden wir uns in einer post-amerikanischen Ordnung, die sich in eine unsichere, fragmentierte Richtung entwickelt.
Für die Mitglieder des GCC könnte dies in beide Richtungen gehen. Sie könnten weiterhin von den sicherheitspolitischen Vorteilen einer fortgesetzten US-Präsenz in der Region profitieren und gleichzeitig in den Genuss der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit China kommen. Aber wenn die Spannungen zwischen den USA und China in der Welt weiter zunehmen, könnte der Golf als Stellvertreter in diesen neuen Kalten Krieg hineingezogen werden.
Dieser Artikel von Zeno Leoni und David B. Roberts erschien zuerst auf Middle East Eye und wurde von Manuel Bühlmaier für Die Freiheitsliebe übersetzt.
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