Zehntausende Geflüchtete aus Eritrea und dem Sudan sind in den vergangenen Jahren nach Israel gelangt. Der Staat bezeichnet sie offiziell als Eindringlinge. Während ein 245 Kilometer langer Zaun zu Ägypten einen weiteren Zuzug komplett verhindert, konnte eine Politik der willkürlichen Internierung und des Schikanierens, gepaart mit kampagnenartigem und alltäglichem Rassismus mehr als 20.000 Asylsuchende dazu bewegen, Israel zu verlassen. Nun will die Regierung alle im Land verbliebenen nicht jüdischen Flüchtlinge abschieben.
Heute leben zirka 38.000 afrikanische Asylsuchende in Israel. Die meisten von ihnen sind Eritreer, die vor einem diktatorischen Regime und dessen Militärdienst, der Zwangsarbeit und Sklaverei – auch sexuelle Sklaverei von Frauen – einschließt, geflohen sind. Und die anderen sind Überlebende des Völkermordes und des Krieges im Sudan. Sie halten sich seit ungefähr zehn Jahren in Israel auf. Angesichts des fehlenden Zugangs zu einem Asylverfahren besitzen sie jedoch keinerlei Rechte, abgesehen von dem Schutz vor Abschiebung. Sie besitzen keine Arbeitserlaubnis. Ihre Arbeitsmöglichkeiten beruhen darauf, dass der Staat ein Auge zudrückt und sich verpflichtet hat, die gesetzlichen Vorschriften gegenüber ihren Arbeitgebern nicht durchzusetzen, obwohl auf ihren Aufenthaltsgenehmigungen ausdrücklich vermerkt ist, dass sie keine Arbeitserlaubnis haben. In Ermangelung eines rechtlichen Status in Israel haben sie kein Anrecht auf medizinische Versorgung und Sozialleistungen. Die Vergabe der Aufenthaltsgenehmigung ist an die Bedingung gebunden, dass sie sich bereit erklären, bei ihrer Abschiebung in ihr Heimatland, falls diese möglich wird, mit den Behörden zu kooperieren. Die Aufenthaltsgenehmigung muss alle zwei Monate von der Behörde für Bevölkerung, Einwanderung und Grenzübergänge des Innenministeriums verlängert werden – es gibt nur ein solches Büro für alle Asylsuchenden in Israel (mit Ausnahme derer, die in Eilat leben). In dem Büro gibt es lange Warteschlangen, ohne einen Warteraum; die Fragen, die für die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung gestellt werden, sind beleidigend und verletzend, und die Einstellung ihnen gegenüber verächtlich. Sie werden in die Position von Bittstellern gezwungen, denn Menschen ohne eine Aufenthaltsgenehmigung droht Strafe und Inhaftierung durch Beamten.
Das Asylverfahren in Israel ist relativ neu. Erst vor knapp zehn Jahren hat Israel die Verantwortung dafür übernommen, Asylanträge zu bearbeiten und zu prüfen. In den ersten Jahren wurde es Asylsuchenden aus dem Sudan und Eritrea nicht gestattet, Asylanträge zu stellen. Der Kollektivschutz vor Abschiebung war nach Ansicht der Regierung hinreichend. Erst seit Anfang 2013 können diese Menschen Asylanträge stellen. Das Asylverfahren dauert lange und die zuständigen Behörden sind überlastet. In weniger als einem Prozent der Fälle wird dem Asylantrag stattgegeben. Die allermeisten Anträge von Asylsuchenden aus Eritrea wurden aufgrund eines Rechtsgutachtens der Behörde für Bevölkerung, Einwanderung und Grenzübergänge abgelehnt. Demnach haben Menschen, die in Eritrea aus der Armee desertiert sind, kein Anrecht auf einen Flüchtlingsstatus. Gegen das Gutachten wurde geklagt; das Gerichtsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Es gibt noch keine Entscheidung über die Asylanträge der Asylsuchenden aus Darfur. Selbst die israelische Regierung weiß, dass es keine wirkliche Möglichkeit gibt, die Asylanträge von Menschen abzulehnen, die vor dem Völkermord geflüchtet sind. Um es dennoch zu vermeiden, diesen Menschen einen Flüchtlingsstatus zu verleihen, der es ihnen ermöglichen würde, sich in Israel niederzulassen, wird über ihre Asylanträge einfach nicht entschieden – ihnen wird weder stattgegeben noch werden sie abgelehnt. Und dies für einen Zeitraum von mehr als vier Jahren. Viele von ihnen stellen überhaupt keine Anträge. Nicht, weil sie sich selbst nicht als Geflüchtete sehen, sondern weil sie kein Vertrauen in das System haben und keinen Vorteil darin sehen, sich an jemanden zu wenden, den sie von Anfang an als ihnen gegenüber feindlich gesinnt wahrnehmen.
Kampf gegen „illegale Infiltration“
Seit 2011 versucht die israelische Regierung eine Lösung dafür zu finden, was sie als „das Problem der illegalen Infiltration“ bezeichnet. Bevor ich mich mit der Regierungspolitik in dieser Angelegenheit befasse, sollte der Begriff „Infiltration“ erklärt werden. Das Gesetz zur Verhinderung von Infiltration wurde in den frühen 1950er Jahren verabschiedet. Es diente dazu, gegen Palästinenser vorzugehen, die geflüchtet oder vertrieben worden waren und versuchten nach Israel zu gelangen, um ihre dort zurückgelassenen Sachen zu holen oder um in ihre verlassenen Häuser zurückzukehren. Und es diente dazu, gegen das Phänomen der Fedajin („der sich Opfernden“) vorzugehen, die nach Israel kamen, um Terrorakte durchzuführen. Es ist nicht klar, ob irgendjemand unter den Entscheidungsträgern in Israel bewusst darüber nachgedacht hat, doch die Verwendung des Begriffs „Infiltranten“ in Bezug auf die Asylsuchenden brandmarkt diese Menschen als gewalttätig und gefährlich, so dass sie nicht mehr als Asylsuchende oder Geflüchtete gesehen werden, die Hilfe und Schutz brauchen. Gefahren für die Sicherheit und für die demographische Zusammensetzung des Landes lösen in der jüdisch-israelischen Öffentlichkeit tiefe Ängste aus. Die Asylsuchenden, die über die ägyptische Grenze nach Israel gekommen sind, werden nicht mehr als Geflüchtete angesehen, sondern als gefährliche Infiltranten, die nach Israel kamen, um die Sicherheit dieses Landes zu bedrohen und seinen jüdischen Charakter zu verändern.
Mit dem Regierungsbeschluss von 2011, der darauf abzielte, „die illegale Infiltration zu bekämpfen“, begann eine Politik der Einkerkerung und polizeilichen Überwachung von Asylsuchenden aus Eritrea und dem Sudan. Mit diesem Vorgehen wurde das Ziel verfolgt, die Asylsuchenden sowohl gesellschaftlich als auch räumlich zu marginalisieren und dafür zu sorgen, dass ihr Aufenthalt in Israel so kurz wie möglich ist. Diese Politik wurde öffentlich hauptsächlich mit der Situation der Bevölkerung im Süden von Tel Aviv und anderen benachteiligten Gebieten, in denen die meisten der Asylsuchenden aus Eritrea und dem Sudan wohnen, begründet. Allerdings diente diese Politik zusammen mit der Dämonisierung der Asylsuchenden und Migranten hauptsächlich anderen Interessen der Regierung. Zudem lenkte sie die öffentliche Debatte von Themen ab, die der rechten Regierung in Israel unangenehm sind.
Sowohl die Stadtviertel im Süden von Tel Aviv als auch andere benachteiligte Gebiete in Israel wurden über Jahrzehnte hinweg von allen israelischen Regierungen vernachlässigt. Sie litten unter unzureichenden öffentlichen Geldern und Diensten und wurden von Entscheidungsträgern meist nur vor Wahlen beachtet. Wobei sie ihnen dann im besten Fall Versprechen machten, die später nicht eingehalten wurden. Der Zuzug von Zehntausenden von Asylsuchenden in diese Gebiete, ohne den Aufbau einer angemessenen Infrastruktur und entsprechender Dienste, beeinträchtigt das Leben aller Bewohnern, der alteingesessenen ebenso wie der neuangekommenen. Die Regierung hat nichts gegen den Zuzug der Asylsuchenden in diese Gebiete unternommen. Ganz im Gegenteil, die Regierung gab den Asylsuchenden Busfahrkarten zu genau diesen Gebieten und tat nichts dafür, ihnen bei ihrer Ankunft zu helfen oder sie auf andere Gebiete zu verteilen. Und dies, obwohl verschiedene Maßnahmen zur Förderung einer breiteren geographischen Verteilung denkbar gewesen wären, wie zum Beispiel Subventionen für Arbeitgeber, Steuersenkungen und die Gewährung von Rechten. Die Regierung diskutierte nicht einmal über Vorschläge, die ihr diesbezüglich vorgelegt wurden. All dies hinderte Minister und Entscheidungsträger jedoch nicht daran, die Asylsuchenden anzugreifen und sie für jegliche Missstände verantwortlich zu machen, die als Folge der Vernachlässigung benachteiligter gesellschaftlicher Schichten in Israel entstanden sind. Die Knesset-Abgeordnete Miri Regev, die heute Ministerin für Kultur und Sport ist, sagte während einer Demonstration im Jahr 2012, die Sudanesen seien „ein Krebsgeschwür in unserem [Volks-]Körper“. Der damalige Innenminister Eli Jischai gab bekannt, dass er „ihnen das Leben vergällen wird“. Asylsuchende wurden von Premierminister Benjamin Netanjahu beschuldigt, eine Gefahr für die Sicherheit des Landes und eine demographische Gefahr zu sein. All dies wird bekundet, statt in Zusammenarbeit mit den Bewohnern der betroffenen Gebiete eine Lösung für die wirklichen Schwierigkeiten zu finden, mit denen sie konfrontiert sind.
Für eine Weile schien der Plan der Regierung aufzugehen. Die Politik der Inhaftierung setzte ein Zeichen und die in Israel lebenden Asylsuchenden mussten das Leben aufgeben, das sie sich zuvor aufgebaut hatten. Stattdessen hatten sich im abgelegenen Internierungslager Cholot („Sand/Sanddünen“) im Negev einzufinden, das speziell für diesen Zweck erbaut und Ende 2013 eröffnet worden war. Der Bau der Anlage kostete mehr als 300 Millionen Schekel (ca. 72,6 Millionen Euro) und der Unterhalt schlägt jährlich mit weiteren 200 Millionen Schekel (ca. 48,4 Millionen Euro) zu Buche. In Spitzenzeiten lebten ca. 3.600 Asylsuchende gleichzeitig im Lager. Die Bedingungen sind die eines „offenen Gefängnisses“ mit einem nächtlichen Ein- und Ausgangsverbot. Nach Ablauf ihrer temporären Aufenthaltsgenehmigung erhielten die Asylsuchenden die Aufforderung, sich nach Cholot zu begeben. Anfangs galt die Internierung in Cholot auf unbestimmte Zeit (während die unbegrenzte Inhaftierung Asylsuchender in dem „geschlossenen“ Gefängnis Saharonim, mit der andere Asylsuchende davon abgehalten werden sollen, nach Israel zu kommen, von einem Gericht für rechtswidrig erklärt worden war). Im Laufe der Zeit wurde auch die Dauer der Inhaftierung in Cholot von Gerichten begrenzt, zunächst auf 20 Monate und später auf zwölf. Angst vor Internierung in Kombination mit einer Politik der Schikane, der Entrechtung und des Rassismus brachte mehr als 20.000 Asylsuchende dazu, Israel zu verlasen. Zum Teil kehrten die Geflüchteten in ihre Heimatländer zurück. Vor allem waren dies Sudanesen, die nach Darfur zurückgingen. Nach Zeugenaussagen, die von Menschenrechtsorganisationen gesammelt wurden, mussten viele von ihnen erneut aus dem Sudan flüchten. Andere wurden von den Behörden dort verhaftet, verfolgt und gefoltert, einige andere kamen ums Leben. Menschen, die nicht in ihre Heimatländer zurückkehrten, reisten in Staaten aus, die die israelische Regierung als „Drittländer“ bezeichnet.
Aufgrund von Abkommen zwischen Israel und Ruanda sowie Uganda können Menschen, die in Israel Asyl suchen, in diese Länder ausreisen. Die israelischen Behörden spornen sie dazu an, dies zu tun, indem sie jedem Asylsuchenden, der ausreist, 3.500 US-Dollar zahlen. Diese Abkommen sind geheim. Anfangs war eine schriftliche Einverständniserklärung der Asylsuchenden Vorbedingung für die Ausreise. Allerdings scheint der freie Willen von Personen, die sich bereit erklären, Israel zu verlassen, während sie inhaftiert und ihrer Freiheit beraubt oder mit Inhaftierung bedroht sind, fraglich. Aber das störte weder die Entscheidungsträgern in Israel noch in Ruanda oder Uganda, die offenbar die Aufnahme der aus Israel kommenden Asylsuchenden von deren „freiwilliger“ Einreise abhängig gemacht hatten. Im Laufe der Zeit mehrten sich Berichte über die schlechte Situation derer, die ausgereist waren. Asylsuchende, die nach Ruanda ausreisten, konnten nicht dort bleiben. Ihre Reisedokumente wurden ihnen abgenommen; sie durften das ihnen zum Wohnen zur Verfügung gestellte Zimmer nicht verlassen; und später wurden sie von organisierten Menschenhändlern an die Grenze nach Uganda verschleppt. Auch Asylsuchende, die nach Uganda ausreisten, konnten dort nicht bleiben. Sie erhielten keine Möglichkeit, Asylanträge zu stellen, keine Arbeitserlaubnis, und weil sie aus Israel kamen, wurde angenommen, dass sie Geld haben, und deshalb wurden sie überfallen und ausgeraubt. Viele waren gezwungen, Ruanda und Uganda zu verlassen und sich erneut auf eine qualvolle Reise zu begeben. Einige von ihnen erreichten Libyen und wurden dort Opfer von Folter, Menschenhandel und Sklaverei. Sie überquerten das Mittelmeer in Booten und sahen ihre Freunde vor ihren Augen ertrinken. Die, die die Reise überlebt haben, befinden sich heute in verschiedenen Ländern in Europa, einschließlich Deutschland, Schweden und den Niederlanden, wo sie als Geflüchtete anerkannt wurden und nun volle Rechte genießen.
Im letzten Jahr hat die israelische Regierung ihren Angriff auf Asylsuchende verschärft, um zu demonstrieren, dass sie weiterhin etwas „für die Bewohnern der [betroffenen] Stadtviertel tut“, und versucht dabei, so viele Asylsuchende wie irgend möglich aus Israel abzuschieben. Zu diesem Zweck wurden zwei drakonische Maßnahmen vorangetrieben, um Asylsuchenden zur „freiwilligen“ Ausreise aus Israel zu „ermutigen“: Zum einen wurde beschlossen, dass in Cholot im Negev internierte Asylsuchende ohne einen laufenden Asylantrag (das heißt, ihr Antrag wurde abgelehnt oder sie haben keinen gestellt), zustimmen müssen, von Israel nach Ruanda oder Uganda auszureisen. Falls sie sich nicht damit einverstanden erklären, werden sie auf unbegrenzte Zeit ins Saharonim-Gefängnis verbracht. Außerdem wurde beschlossen, arbeitende Asylsuchende dazu zu verpflichten, ein Fünftel ihres Gehalts auf ein staatlich verwaltetes Konto einzuzahlen, und ihnen das angesammelte Geld nur bei ihrer Ausreise aus Israel am Flughafen auszuzahlen. Menschenrechtsorganisation haben gegen diese Maßnahmen Klage erhoben. Darin weisen sie darauf hin, dass dieses Vorgehen einen Versuch der Regierung darstelle, das internationale Verbot zu umgehen, wonach Asylsuchende nicht aus dem eigenen Hoheitsgebiet ausgewiesen werden können, indem diese Ausreise trotz des real ausgeübten, existenziellen Drucks als „freiwillige Ausreise“ dargestellt wird.
Im September 2017 entschied das Oberste Gericht, dass der israelische Staat Eritreern und Sudanesen in ein Drittland abschieben darf, wenn dieses Land bereit ist, sie aufzunehmen. Asylsuchende dürfen jedoch nicht gezwungen werden, freiwillig ihrer Abschiebung zuzustimmen. Das bedeutet: Falls diese Länder bereit sind, Menschen aufzunehmen, die zwangsweise abgeschoben werden, ist die Abschiebung zulässig. Das Gericht hat auch die geheimen Abkommen ex parte geprüft und entschieden, dass diese Abkommen zufriedenstellend seien. Wobei es möglich wäre, sich in Fragen bezüglich ihrer Umsetzung wieder ans Gericht zu wenden.
Nach dem Gerichtsurteil begann Premierminister Netanjahu eine lange Reihe von Besuchen und Treffen mit den Staatschefs verschiedener afrikanischer Länder, Ruanda was das erste. Im November 2017 gaben der Innenminister, Arje Deri (Schas), und der Minister für Innere Sicherheit, Gilad Erdan (Likud), dann bekannt, dass sie beabsichtigten, das Internierungslager Cholot zu schließen. Dieses sei kein ausreichendes Druckmittel, um die Internierten zur Ausreise zu bewegen. Stattdessen sei geplant, Asylsuchende nach Ruanda abzuschieben. In der Pressemitteilung, die von großem Medienlärm und einem gewalttätigem Narrativ begleitet war, erklärten die Minister, dass Asylsuchende, die sich weigern, in ein Drittland ausreisen, auf unbegrenzte Zeit inhaftiert würden. Wie in den Medien zitiert, sagte Innenminister Deri: „Wer nicht freiwillig ausreisen will, bleibt so lange in Haft, bis er sagt: Ich will.“ Diese Erklärungen stehen allerdings nicht im Einklang mit dem Gesetzentwurf, den die Regierung kürzlich der Knesset vorgelegt hat. Cholot war für einen Zeitraum von 3 Jahren errichtet worden, der am 16. Dezember 2017 endet. Wenn die Regierung wollte, hätte sie das Internierungslager jetzt schon schließen können. Stattdessen bat die Regierung die Knesset, den Betrieb der Anlage um weitere drei Monate zu verlängern. Allem Anschein nach, weil das Abkommen mit Ruanda noch nicht unterzeichnet ist. Bei diesem Vorgehen handelt es sich wieder hauptsächlich um einen Versuch, Stimmen zu kaufen und die schwierige soziale Lage sowie die diesbezügliche Hilflosigkeit und Untätigkeit der Regierung zu kaschieren. Des Weiteren soll von der Tatsache abgelenkt werden, dass polizeiliche Ermittlungen mit schweren Anschuldigungen gegen den Premierminister und ihm nahestehende Personen im Gange sind, die die gegenwärtige Regierung zu Fall bringen könnten. Die Erklärungen bewirkten zudem, dass die Asylsuchenden aus Eritrea und dem Sudan eingeschüchtert wurden, weil sie nicht wissen können, worin die Regierungspolitik besteht, und fürchten müssen, in andere Länder abgeschoben zu werden – insbesondere angesichts der Horrorgeschichten von Asylsuchenden, die aus Israel ausgereist sind und wieder flüchten mussten.
„Deal mit Ruanda und Uganda: Israel will 40.000 afrikanische Flüchtlinge in Drittländer abschieben“
Vor einigen Tagen deckten israelische Medien auf, dass Ruanda im Rahmen des sich abzeichnenden Abkommens von Israel 5.000 US-Dollar für jeden Asylsuchenden erhält, der dorthin abgeschoben wird. Dies ist erschütternd. Menschenleben, Moral und Verantwortung können nicht Gegenstand von Outsourcing sein. Inmitten der größten Flüchtlingskrise seit dem Holocaust bezahlt Israel einem armen Land wie Ruanda dafür, dass es die wenigen Geflüchteten, denen es gelungen ist, nach Israel zu gelangen, aufnimmt. Andere schickt es nach Europa, das sich eh schon um sehr viele Migranten und Asylsuchende, die in Not sind, kümmern muss. Die israelische Regierung betreibt eine Politik des divide et impera (teile und herrsche), angeblich um den „jüdischen Charakter“ des Staates zu schützen und um die Ansiedlung von fremden Bevölkerungsgruppen zu verhindern. Hierfür ist sie bereit, die eigene Bevölkerung gegen eine kleine und schwache Bevölkerungsgruppe aufzuwiegeln, nur weil diese nicht jüdisch (und – wie einige meinen – ihre Hautfarbe nicht weiß) ist. Statt ihrer internationalen Verpflichtung nachzukommen, Geflüchteten Asyl zu gewähren, zieht es die israelische Regierung vor, auf zynische Art und Weise die Notlage sowohl der Bewohnern der südlichen Stadtteile von Tel Aviv als auch der Asylsuchenden schamlos dazu auszunutzen, rassistische und fremdenfeindliche Tendenzen in der israelischen Gesellschaft zu festigen. Um diesen verheerenden Trend zu stoppen, muss die israelische Gesellschaft sich von der Politik der Angst und des Separatismus befreien. Sie muss den gesellschaftlichen Beitrag, den Migranten und Asylsuchende erbringen, ebenso anerkennen wie die eigene rechtliche und moralische Verantwortung, die Israel, als ein von Geflüchteten gegründeter Staat, gegenüber den Anderen hat.
Geschrieben wurde der Beitrag von Reut Michaeli und übersetzt von Ursula Wokoeck Wollin. Zuerst erschienen auf der Webseite des Israel-Büros der Rosa Luxemburg Stiftung, www.rosalux.org.il.
Die Rechtsanwältin Reut Michaeli ist seit 2010 Geschäftsführerin der Hotline for Refugees and Migrants („Hotline für Geflüchtete und Migrant*innen“), die sich zur Aufgabe gesetzt hat, die Rechte von Migrant*innen und Asylsuchenden in Israel zu schützen und den Menschenhandel zu bekämpfen. Nach ihrem Jurastudium an der Verwaltungshochschule (College of Management – Academic Studies) in Rischon LeZion und der Hebräischen Universität in Jerusalem arbeitete Michaeli seit 2002 in verschiedenen Funktionen im Rahmen des Israel Religious Action Center (Religiöses Aktionszentrum in Israel), das sich mit Öffentlichkeitsarbeit und juristischer Unterstützung der Anliegen der Bewegung des progressiven und Reformjudentums in Israel beschäftigt. In ihrer Arbeit bemüht sich Reut Michaeli besonders um den Schutz von Menschenrechten. Sie ist Expertin für Migrationsfragen.
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