Manuell Kellner

ISO -Schritt zur Überwindung linker Zersplitterung – Im Gespräch mit Manuel Kellner

Das Trotzkisten sich gerne spalten ist eine Aussage, die häufig wiederholt, einen Gegenbeweis liefern aktuell der RSB (Revolutionär Sozialistischer Bund) und die ISL (Internationale Sozialistische Linke), die sich zur ISO (Internationale Sozialistische Organisation) vereinigt haben. Wir haben mit Manuel Kellner, Führungsmitglied der ISL, über den Vereinigungsprozess gesprochen.

Die Freiheitsliebe: Vergangenes Wochenende kam es zur (Wieder-)Vereinigung des RSB (Revolutionär Sozialistischer Bund) und der ISL (Internationale Sozialistische Linke). Welche Erwartung hast du an die neue Organisation ISO (Internationale Sozialistische Organisation)?

Manuel Kellner: Sie wird auf jeden Fall ein genossenschaftlicher Zusammenhang, in dem auf hohem Niveau über die Einschätzung der politischen Lage und linke Antworten auf die aktuellen Herausforderungen diskutiert wird. Die Teilnahme am Leben und an der Meinungsbildung der Vierten Internationale ist dafür von Vorteil. Dieser Zusammenhang wird für ihre Mitglieder nützlich sein, mehr noch als bisher in den beiden Quellorganisationen. Wir sehen eine wichtige Aufgabe einer solchen Organisation darin, die politische Selbstqualifizierung ihrer Mitglieder zu befördern – an einem Verein, der seinen Mitgliedern vorschreibt, was sie denken sollen und auszuführen, was sich ein paar führende Leute ausdenken, haben wir kein Interesse.

Die Gründung der ISO ist auch eine kleine Ermutigung gerade heute, wo ArbeiterInnenbewegung und politische Linke so sehr und so nachhaltig in der Defensive sind. Denn sie ist ein Schritt zur Überwindung linker Zersplitterung, und sei es auch in einem noch so bescheidenen Maßstab.

In der Zeit der Vorbereitung dieser Vereinigung haben wir gelernt, unsere jeweiligen Stärken und Schwächen besser zu verstehen. Der RSB hatte mehr Kontinuität und Verbindlichkeit in seinem Organisationsleben, die isl mehr Offenheit und Ausstrahlung in breiteren linken Zusammenhängen. Wir wollen versuchen, beides miteinander zu verbinden.

Entscheidend wird sein, inwieweit es uns gelingt, in Zusammenarbeit und politischen Dialog mit den sich heutzutage im emanzipatorischen Sinne neu politisierenden jüngeren Menschen zu kommen. Auf diesem Gebiet gibt es bei uns neuere Ansätze, aber das sind noch zarte Pflänzchen. Wir haben genug Selbstbewusstsein zu denken, dass wir einiges beitragen können zur Debatte über den Sozialismus des 21. Jahrhunderts.Wir sind auch bescheiden genug zu wissen, dass wir von anderen Linken viel zu lernen haben. Wenn jedoch die Älteren von uns, von denen viele in den späten 60er und frühen 70er Jahren politisiert worden waren, alle den Löffel abgeben, ohne ihre Kenntnisse und Erfahrungen genügend Jüngeren weiterzugeben, die diese auf ihre eigene Weise aufgreifen werden, dann wäre das doch sehr schade.

Die Freiheitsliebe: Laut Berichten kam es vor allem im NAO-Prozess zu einer Annäherung, teilst du diese Einschätzung? Welches Fazit würdest du aus dem Prozess ziehen?

Manuel Kellner: Wir von der isl konnten im NaO-Prozess sehen, dass die RSB-Mitglieder sich nicht mehr damit begnügt haben zu argumentieren, warum andere Linke sich irren und sie eben Recht haben. Vielmehr hatte der RSB im NaO-Prozess gezeigt, dass er dazu bereit war, mit anderen Linken auf gleicher Augenhöhe zu diskutieren und auch die eigene Organisation in einen breiteren Zusammenhang einzubringen, wenn damit eine stärkere revolutionär-sozialistische Kraft aufgebaut werden kann.

Damit ist dann auch unser Vertrauen gewachsen, dass eine Vereinigung unserer isl mit dem RSB möglich ist, ohne dass wir uns verbiegen müssen. In den drei Jahren vieler gemeinsamer Seminare, Konferenzen, Leitungssitzungen und Teilnahme an Bewegungen und Aktionen – Zusammenarbeit im Rahmen der Gewerkschaftsklinken gab es ja schon früher – hat sich dieser Eindruck immer mehr verfestigt. Zunehmend liefen Kontroversen auch quer durch die Mitgliedschaft beider Gruppen.

Der NaO-Prozess ist an verschiedenen ungelösten Problemen gescheitert. Eines davon, um es bildlich auszudrücken, war das Missverhältnis zwischen der bescheidenen Größe der beteiligten Kräfte und der überdimensional großen Trompete, in die sie blasen wollten. Das Vorbild, die NPA Frankreichs, war schon in eine bittere Krise geraten. Die Zeichen standen in Deutschland keineswegs auf Revolution, aber im NaO-Prozess gab es ein Wetteifern, wer denn nun die radikal-revolutionärste Position habe. Das konnte nicht gut ausgehen.

Aus unserer Sicht als isl konnte das Ziel der Zusammenführung der antikapitalistischen Kräfte nicht die entsprechend denkenden Kräfte in der Partei Die Linke einerseits und die IL andererseits ausklammern. Da die kleine NaO im Vergleich mit beiden nicht viel Autorität ausstrahlen konnte, musste der Prozess, den sie auslösen wollte, eigentlich auf längere Sicht offen gehalten werden. Doch allzu viele in der NaO wollten lieber gründen und proklamieren. Und Teile der NaO wollten den Prozess nur dafür nutzen, sich selber zu stärken. Insofern war der Wurm drin – irgendwann hatte sich das totgelaufen.

Die Freiheitsliebe: ISL und RSB sind beide Teil der vierten Internationalen, doch gibt es grade in organisationspolitischen Fragen größere Unterschiede. Wie wollt ihr diese beilegen? Wollen die ehemaligen RSB-Mitglieder nun in der Linken arbeiten oder will sich der ehemalige ISL Teil zurückziehen?

Manuel Kellner: Die Strömungen, aus denen isl und RSB hervorgegangen waren, waren zwar beide Teil der Vierten Internationale, aber innerhalb dieser Organisation Jahrzehnte lang auf verschiedenen Flügeln. Während die isl Teil der überwiegenden Mehrheit war, die immer wieder dafür war den Versuch zu machen, sich mit anderen Linken zusammenzutun, unterstützte der RSB eine Minderheit, die in diesen Versuchen – die ja auch oft letztlich scheiterten – eher einen schädlichen Hang zur Selbstzerstörung.

Damit in Zusammenhang waren Innenleben und politische Kultur in RSB und isl ziemlich unterschiedlich. In den Jahren der Vorbereitung der Vereinigung haben wir intensiv darüber diskutiert. Wir von der isl waren dann doch recht erstaunt, wie weit die Annäherung auch in dieser Hinsicht möglich war. Während wir unsere organisationspolitischen Schwächen einräumen mussten, entwickelten die RSB-Mitglieder ein Verständnis davon, Teil eines linken Neuformierungsprozesses zu sein, der sich unserem Verständnis doch sehr annäherte.

Wir waren daher in der Lage, nicht nur unsere gemeinsamen programmatischen Grundüberzeugungen einmütig zu formulieren, sondern auch unser Selbstverständnis und ein einfaches, einer kleinen Organisation angemessenes Regelwerk für das Funktionieren. Unter anderem hat der RSB auch akzeptiert, dass Mitglieder der gemeinsamen Organisation auch in der Parei Die Linke und ihrem linken Flügel (vor allem in der AKL) mitarbeiten. Die Diskussion hat auch dazu geführt, dass sich diese unsere Mitglieder verstärkt darüber Gedanken gemacht haben und weiter machen, mit welchen genaueren Zielen diese Mitarbeit erfolgt, und darüber wird in der ISO insgesamt immer wieder nachgedacht und diskutiert werden.

Die Freiheitsliebe: Auf welcher Grundlage erfolgte die Vereinigung?

Manuel Kellner: Auf der Grundlage einer gemeinsamen programmatischen Erklärung, eines gemeinsamen Selbstverständnisses und Statuts sowie eines Entschließungstexts zur politischen Lage und den in der nächsten Zeit anstehenden Aufgaben.

Nach der Einarbeitung der letzten kleineren Änderungen werden diese Texte veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Sie sind aus unserer Sicht ja nicht in Stein gemeißelt, sondern vielmehr Angebote zur weiteren Reflexion gemeinsam mit anderen Linken, um unsere eigenen Positionen in Verbindung mit den Kenntnissen, Erfahrungen und Denktraditionen dieser anderen Linken weiterzuentwickeln.

Die ISO wird die SoZ als unabhängige Zeitung unterstützen und darüber hinaus neue Publikationen schaffen, so ein Organisationsmagazin als Printmedium und einen Webauftritt. Schon bislang haben isl und RSB gemeinsam die Inprekorr mit Beiträgen von Mitgliedern der Vierten Internationale aus verschiedenen Weltregionen und Ländern herausgebracht. Nun haben wir vor, diese bestehende Publikation mit einem Organisationsmagazin mit Beiträgen zur politischen Auseinandersetzung in Deutschland zu kombinieren.

Die Freiheitsliebe: Was sind eure Projekte und Schwerpunkte für die kommende Zeit?

Manuel Kellner: Wir sehen den Aufschwung der rechten und extrem rechten Kräfte als zentrale Herausforderung, die mit der anhaltenden Kapitaloffensive und den entsolidarisierenden Tendenzen der Gegenwart in enger Verbindung steht. Der Antifaschistische Kampf mit möglichst breiten Bündnissen ist uns sehr wichtig, zugleich aber auch die Artikulierung einer radikalen – an die Wurzeln der Macht- und Eigentumsfrage gehenden – Kritik an der etablierten Politik im Kapitalinteresse.

Die Arbeit in Betrieben und Gewerkschaften ist für uns ein wichtiger Schwerpunkt geblieben, und da wollen wir unsere Konzepte wie die des Kampfs für eine klassenkämpferische Orientierung ergänzen um neue Erfahrungen organisierender Interessenvertretungs- und Gewerkschaftsarbeit, gerade auch in den als schwer zu organisierenden Bereichen des Prekariats.

Weiterhin verstehen wir uns als Teil der Umweltschutzbewegung und nehmen insbesondere an der Bewegung gegen die Nutzung der fossilen Brennstoffe und besonders gegen den Braunkohleabbau teil. In dieser Bewegung stellen wir unsere ökosozialistischen Ideen zur Diskussion. Gegen den Klimaschutz stehen nämlich die handfesten Interessen der großen Konzerne und Kapitalgruppen. Aus unserer Sicht kann dieser Kampf nur gewonnen werden, wenn die Interessen der Beschäftigten an gut bezahlten und sinnvollen Arbeitsplätzen mit den ökologischen Erfoerdernissen verbunden werden.

Das gilt natürlich auch für die internationale Ebene: Klimagerechtigkeit ist heute Teil des Kampfs gegen die weltweite soziale Ungleichheit, und ohne die Verbindung der sozialen mit den ökologischen Problemen, zugespitzt auf die Umverteilung von oben nach unten, auf die Eigentums- und Machtfragen, werden die so sehr bedrängenden Probleme nicht gelöst werden.

Internationale Solidarität mit allen, die sich gegen Unterdrückung, Ausplünderung und Krieg auflehnen, sehen wir als zentrale Aufgabe. Dabei kehren wir zuerst vor der eigenen – westlichen – Haustür, beugen uns aber nicht dem Lagerdenken und der fatalen Logik, die „im Feind meines Feindes meinen Freund“ sieht.

Verstärken wollen wir auch die Bildungsarbeit in der Organisation, auch in Zusammenarbeit mit anderen Bildungsträgern, wie der RLS, den örtlichen Rosa-Luxemburg-Clubs und SALZ e.V.

Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Gespräch.

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