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Her mit dem Weltfrieden!

Uns wird erzählt, dass starke Armeen und Staatenbündnisse, die die Weltordnung regeln, den Frieden sichern. Von diesem System profitieren aber nur die Reichsten – und Frieden erwächst daraus erst recht nicht.

Wir erleben in Deutschland eine militaristische Zeitenwende. Aus dem Nichts werden 100 Milliarden Euro für Rüstung bereitgestellt. Plötzlich heißt es, es brauche eine starke Bundeswehr in einer großen NATO, um eine »regelbasierte Weltordnung« durchzusetzen und den nächsten Angriffskrieg zu verhindern. Schon lange warnen Sozialist*innen jedoch, dass dies ein Irrweg ist, denn: Die kapitalistische Wirtschaft, die auf endloses Wachstum setzt, trägt in sich den Krieg, »wie die Wolke den Regen« (Jean Jaurès).

Friedlicher Handel oder Imperialismus?

Die moderne Welt, in der Handel und Lieferketten alle Landesgrenzen überschreiten, verspricht Frieden auf Grundlage gegenseitiger Abhängigkeit. Dieser Logik folgend haben deutsche Regierungen versucht, durch den Gashandel mit Russland den Frieden zu festigen. Eine NATO, die stärker als jeder Einzelstaat ist, soll zusätzlich abschrecken.

Doch wurde damit der russische Überfall auf die Ukraine nicht verhindert. Das war absehbar: Schon vor dem Ersten Weltkrieg dachte man, dass die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Großbritannien und ein Bündnis der Briten mit Frankreich und Russland einen Krieg verunmöglichen würden. Damals haben Sozialist*innen wie Rosa Luxemburg gezeigt, warum Kapitalismus eben keinen Frieden schafft, sondern Krieg. Diese kritische Einordnung, die unter dem Stichwort Imperialismus bis heute weitergeführt wird, bleibt unabdingbar.

Gesetze der Konkurrenz

Die Grundstruktur unserer kapitalistischen Wirtschaft beruht auf Wachstum und Konkurrenz. Ein Unternehmen muss ständig wachsen, immer mehr Profite machen – sonst wird es von der Konkurrenz ausgeschaltet. Aus diesem Kampf entstehen riesige Betriebe und Konzerne, die Abertausende beschäftigen, Abermillionen einkassieren und massiv an Macht und Einfluss gewinnen. Spätestens, wenn ein Unternehmen zum Marktführer wird, muss die Chefetage anfangen, international zu denken: Wo können wir noch gut verkaufen? Billig einkaufen? Preiswert produzieren? Die Geschäfte strecken sich immer weiter über die Welt, und mit ihnen wird die Konkurrenz international.

Dabei entfallen nicht nur Landes-, sondern auch moralische Grenzen. Das Gesetz der Konkurrenz heißt Profitmaximierung um jeden Preis. Wer davor zurückschreckt, dort zu produzieren, wo zum niedrigsten Lohn am längsten gearbeitet wird, oder die preiswertesten Rohstoffe zu kaufen, weil sie durch Kinderarbeit gewonnen werden, kann nicht mehr so preiswert verkaufen wie die skrupellosen Konkurrenten. Schnell sinkt der Marktanteil, es droht die Pleite oder der Aufkauf.

Der Staat regelt

Pfiffige Geschäftsleute gehen also überall dorthin, wo man Kosten sparen oder Einnahmen steigern kann. Dort gibt es aber auch Probleme: Gesetze, die die Arbeiter*innen oder die Natur schützen. Einwohner*innen, die sich gegen den Raubbau stellen. Oder Politiker*innen, die behaupten, dass ihr Land ein Teil der Profite behalten sollte, wenn man dort Geschäfte macht. Dann wird die Regierung im Heimatland gebeten, sich für das Unternehmen einzusetzen. Schließlich ist es im Interesse des Landes, und damit der Regierenden, dass es einer Volkswagen AG, einer Bosch GmbH gut geht. Sie sind für jeweils hunderttausende Arbeitsplätze verantwortlich. Deswegen muss die Regierung nicht immer explizit um Intervention gebeten werden. Sie setzt sich sowieso dafür ein, dass die Arbeitgeber in ihrem Land eine gute Position im globalen Wettbewerb genießen.

Es werden Abkommen unterschrieben, die die Interessen der Firmen sichern. Dadurch geraten die jeweiligen Staaten in Konkurrenz miteinander: Wer sichert für seine Kapitalist*innen die besten Konditionen, den größten Marktanteil? Die Konkurrenz wird zunächst diplomatisch geschürt, es droht aber immer der Krieg – die sogenannte »Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln«. Den Zugang zu Rohstoffen, Arbeitskräften und Absatzmärkten zu sichern wird Teil der Staatsräson. Eine solche Durchsetzungskraft erfordert eine entsprechende Militärmaschinerie.

Der militärisch-industrielle Komplex

Moderne Kriege hängen eng mit der Wirtschaft zusammen. Ein Staat kann sich militärisch erst durchsetzen, wenn er unabhängig von anderen genug produzieren kann, um weiterzukämpfen, wenn ein Krieg die Lieferketten erschüttert. Entscheidend ist hierfür die Rüstungsproduktion. Die Politik muss sich also auch in Friedenszeiten um die eigene Kriegsindustrie kümmern, damit sie im Ernstfall einsatzbereit ist.

In einem profitorientierten Wirtschaftssystem mit privater Waffenindustrie wird es noch heikler. Damit diese nicht pleitegeht, muss sie auch in Friedenszeiten Waffen produzieren und verkaufen – vor allem an den eigenen Staat, der ebenso Interesse an einer hochgerüsteten, modernen Armee hat. Diese Interessengemeinschaft zwischen Politik und Rüstungsindustrie nennt man militärisch-industriellen Komplex.

Die militärische Macht, die mit der Hochrüstung entsteht, spielt dann in die wirtschaftliche Konkurrenz hinein. Niemand will sich mit dem großen Schlägertyp anlegen, dafür braucht es keine offenen Drohungen. Staaten, die militärisch unterlegen sind, können sich dementsprechend bei Verhandlungen kein großes Stück vom Kuchen abschneiden. Sie bekommen nur Krümel von den Großmächten und nur solange sie sich benehmen und die Mächtigen nicht ärgern. Es entstehen »Einflussbereiche«: Schwächere Staaten ordnen sich den stärkeren unter, um vor deren Militär sicher zu sein und vom großen Stück Kuchen ein paar Krümel zu erhalten.

Für billige Klamotten geknechtet

Nun hast du, genau wie ich, denkbar wenig davon, dass deutsche Konzerne ihren Reichtum aus ärmeren Weltteilen schöpfen können. Doch geht es uns in Deutschland tendenziell besser als den Menschen in schwächeren Staaten. Diese können sich nicht gegen »unsere« Konzerne und Regierungen durchsetzen. Sie produzieren, beispielsweise in Bangladesch unter unfassbar elenden Bedingungen billige Waren. Manche Staaten können nicht einmal ein Mindestmaß an politischer Stabilität sichern, wie etwa die Demokratische Republik Kongo. Kein Wunder, dass viele Menschen hierzulande auf den Staat und seine Macht beharren. Damit geht es ihnen nämlich besser als denen, die ihre Kleidung nähen oder die Rohstoffe für ihre Handys abbauen.

Konsequente Sozialist*innen wissen aber, dass dieses System trotzdem nicht in unserem Interesse wirkt, und stellen sich jeglicher Kriegstreiberei entgegen. Die Macht, die die Superreichen durch die globale Konkurrenz gewinnen, sorgt auch dafür, dass wir frieren dürfen, während sie Krisengewinne feiern. Wenn wir uns ihnen anschließen, garantieren wir nur, dass sie uns weiter knechten3.

Der Kapitalismus schenkt uns keinen Frieden

Doch wenn die Superreichen und ihnen wohlgesonnene Politiker*innen eines können, so ist es, ihr Image zu pflegen. Statt des alten Imperialismus, der sich als »Zivilisierungsmission« oder als »white man’s burden« verkaufte, nennt sich der neue nun »wertebasiert«. Wenn sich imperialistische Ziele mit solchen Werten zu decken scheinen, lesen wir davon täglich in der Zeitung. Wo sie das nicht tun, und die NATO und ihre Verbündeten systematisch Völkerrechtsverletzungen begehen (wie im Jemen oder Nordsyrien), schweigen unsere Medien.

Die Imperialist*innen der »anderen Seite« werden als die großen Bösewichte dargestellt, unsere als die Held*innen der Demokratie. Diesen Erzählungen der Mächtigen dürfen wir nicht auf den Leim gehen. Was immer sie auch von ihren Absichten erzählen, wir wissen, was ihre Interessen sind – und unsere sind es nicht! Auch Waffen, die für einen scheinbar guten Zweck abgesegnet werden, können morgen für einen ganz anderen eingesetzt werden. Ein Militärbündnis macht selbst im besten Fall die Welt nur für diejenigen sicherer, die ihm angehören. Alle andere müssen sich vor ihm fürchten – oder eigene Bündnisse schmieden, die wiederum uns bedrohen.

Eine Weltordnung, deren Regel die grenzenlose Konkurrenz ist, kann keine friedliche Welt grenzenloser Kooperation schaffen. Eine friedliche Welt braucht eine Wirtschaftsform, deren Grundsatz Demokratie ist. In der wir kollektiv entscheiden, was, unter welchen Umständen und in welcher Menge produziert wird. Der Kapitalismus schenkt uns keinen Frieden – schenken wir ihm ebenso keinen!

Dieser Beitrag von Michael Sappir erschien zuerst in der aktuellen critica.

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