Im Oktober 2018 tagte die hochrangige Nato-Konferenz, zu der die Kalkarer Strategieschmiede der Nato „Gemeinsames Luft-Streitkräfte Kompetenz-Zentrum“ (Joint Air Power Competence Centre; JAPCC) in die Messe Essen eingeladen hatte. Das reißerisch formulierte Konferenzthema „Der Nebel des Tages Null –Luft und All an der Frontlinie“ kombinieren die Militärs mit der Frage, ob die Nato die Haltung hat, am Tag Null zu kämpfen. Und dabei geht es auch darum, den ihr entgegenstehenden Einfluss der Friedenskräfte zu neutralisieren.
In diesen Jahreskonferenzen, die es seit Gründung des Zentrums 2005 gibt, kommen circa 250 Führungskräfte der Nato, hochrangige Politiker bis in die Führung von Regierungsparteien, forschende Strategen und eine Elite der Rüstungsindustrie zusammen. Welt-führende Rüstungskonzerne wie Lockheed Martin aus den USA, Thales aus Frankreich oder Airbus Defence aus Deutschland sponsern diese Konferenzen und erhalten die Gelegenheit, ‚Produkte‘ von Interesse für die Militärs in sogenannten ‚Showcases‘ während der Konferenz zu präsentieren. Dafür ist die Messe ein unterstützender Ort. In ihrer Werbung für Teilnehmer preisen die Einlader an, dass sich hier Führungskräfte unter ‚intimen‘ Verhältnissen austauschen und vernetzen können. Nach der Münchner Sicherheitskonferenz, in der sich Regierungsvertreter/innen aus Ost und West versammeln, ist diese Konferenz schon angesichts ihrer Teilnehmer/innen von herausragender Bedeutung für die Nato, sie findet allerdings deshalb kein Medieninteresse – außer der Beachtung der Aufklärung durch die Friedensbewegung in linken und alternativen Medien – , weil die Nato die Medien erstens nicht über diese Konferenz informiert, um die intime Atmosphäre sicherzustellen. Zweitens kann nicht ausgeschlossen werden, dass interessierte Kreise so etwas wie eine Nachrichtensperre verhängen; diese Vermutung liegt deshalb nahe, weil Mainstream-Medien, die aus der Friedensbewegung darüber informiert wurden und werden, was in der Messe Essen läuft, sich zu diesen Konferenzen bis auf seltene Ausnahmen in Schweigen hüllen.
Die von allen Beteiligten als Erfolg aus gewertete Protest- und Aufklärungs-Demonstration >>No Natom-Krieg< in der Essener City am Wochenende vor der Konferenz und an der Messe Essen im Verlauf der Konferenz blieben entsprechend in den Lokalmedien unerwähnt.
Die Münchner Sicherheitskonferenz hat für die Nato die Aufgabe, die Öffentlichkeit für den Nato-Kurs der Spannungseskalation und Militarisierung zu gewinnen, was man beispielsweise am Presse-Echo auf den Dreiklang von Frau von der Leyens, Herrn Gaucks und Herrn Steinmeiers Plädoyer für mehr militärisches Engagement des größer gewordenen Deutschlands nachlesen kann.
Die Friedensbewegung hat das Mainstream-Presse-Schweigen nicht durchbrochen. Im Großraum Ruhr hat die Friedensbewegung dieses Jahr erfolgreich gehandelt. Am 3.10. kamen mindestens zweihundert Friedensengagierte zur Demonstration von der Kaserne der Luftleitzentrale zum Markt. Die Reden des Gewerkschaftsfunktionärs und von Kathrin Vogler (LINKE, MdB) stellten einen Bezug zur erfolgreichen Unterschriftensammlung unter den Appell ‚Abrüsten statt Aufrüsten‘ her und machten deutlich, dass die Friedensbewegung bundesweit aktiver wird.
Die Essener No-Natom-Krieg-Demonstration gegen die Konferenz war auch deshalb ein Erfolg, weil hier Kräfte kooperierten, die in der Friedensbewegung der 1980er-Jahre hunderttausende mobilisierten: Der Gewerkschaftler Peter Köster, der Grüne Ratsherr Walter Wandtke, der Obmann der Linkspartei für den Verteidigungsausschuss im Bundestag Alexander Neu und der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Arno Klare sprachen auf der Demonstration neben zwei Vertretern der Friedensbewegung, darunter der kritische Soldat vom Darmstädter Signal Jürgen Rose.
Junge Engagierte brachten sich kreativ ein, und Klaus der Geiger, der schon in den 70er Jahren aktiv war, ebenso. Allerdings bleibt es für die Friedensbewegung immer noch eine Schwierigkeit, junge Menschen ganz grundsätzlich genauso erfolgreich für ihre Zukunftsinteressen beim Thema Kriegsgefahr anzusprechen, wie das der Antifa- und Solidaritätsbewegung gelingt.
Das Klima der Friedensbewegung im Ruhrgebiet ist, wie auch die Essener No-Natom-Krieg-Demonstration zeigte, davon geprägt, dass unterschiedliche Meinungen den Diskurs anregen, ohne Andersdenke auszugrenzen. Es gibt noch Nachwirkungen des Konflikts um Kräfte im Umfeld der Friedensbewegung, was man vor allem daran erkennen kann, dass noch nicht wieder alle Spektren in der Kooperation aktiv sind, die das vor 4 Jahren gewesen waren. Die solidarische Diskussionskultur führt allerdings dazu, dass immer mehr Menschen, die sich zu engagieren begonnen haben, Interesse daran bekunden, sich kontinuierlich für den Frieden zu engagieren.
Die Linkspartei hat sich über die Jahre als wichtiger Part der Bewegung erwiesen, allerdings ist auch aus den anderen Spektren, die dieses Jahr beteiligt waren, eine längerfristige Verbreiterung der Friedensbewegung zu erwarten. Der Grüne Ratsherr zum Beispiel hat – motiviert durch die Demonstration – sich auch schon an der Mahnwache vor der Nato-Konferenz an der Messe Essen beteiligt.
Wichtig ist, dass auch der Sozialdemokrat gegen die Strategie von Nato-Militärs argumentierte, einen eventuellen Atomkrieg zu gewinnen.
Die Essener Aktion zeigt, es ist möglich und notwendig, dass die Friedensbewegung eine Kultur des Engagements und der Kommunikation untereinander (weiter)entwickelt, die den Kräften für das Leben die Stärke eröffnet, die die Welt des 21. Jahrhunderts brauch. Die Tatsache, dass die kritischen Atomwissenschaftler die Uhr zur Warnung vor dem Atomkrieg auf zwei vor zwölf gestellt haben, zeigt die Bedeutung des Friedensengagements für die Abwendung der gegenwärtigen militärischen Zukunftsbedrohungen.