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Für den Klimaschutz unerlässlich: radikale Abrüstung als erster Schritt zur Infragestellung der Armeen

Die bereits vor einiger Zeit gestartete Aufrüstungswelle aller imperialistischen Länder hat im Zuge des verbrecherischen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine einen zusätzlichen Schub erhalten. Diese Aufrüstungswelle ignoriert die drohende Gefahr durch die Erderhitzung. Die Klimabewegung muss sich dieser Aufrüstung entschlossen entgegenstellen und sich zugleich mit dem Widerstand der ukrainischen Bevölkerung gegen die russische Besatzung solidarisieren. Um die Tragweite der Rüstungsindustrie und Armeen aufzuzeigen, publizieren wir hier einen Auszug aus dem Buch „Revolution für das Klima. Warum wir eine ökosozialistische Alternative brauchen“ von Christian Zeller.[1]

Die Armeen zählen zu den größten institutionellen Emittenten von Treibhausgasen. In den USA betragen die direkt kriegsrelevanten Emissionen der Rüstungsindustrie und des Verteidigungsministeriums rund 153 Millionen Tonnen CO2e (Kohlendioxidäquivalente)[2] pro Jahr (ohne die Emissionen der rund 700 US-Militärstützpunkte im Ausland). Die gesamte Rüstungsindustrie ist für die Emission von rund 280 Millionen Tonnen CO2e verantwortlich. Im Jahr 2017 emittierte die US-Armee 59 Millionen Tonnen CO2e, deutlich mehr als viele industrialisierte Länder wie Schweden (48 Millionen Tonnen CO2e), Dänemark (33,5 Millionen Tonnen CO2e) oder die Schweiz (34,4 Millionen Tonnen CO2e). Das US-Verteidigungsministerium ist weltweit der größte institutionelle Verbraucher von Petroleum und Emittent von Treibhausgasen. Der Anteil der US-amerikanischen Rüstungsindustrie beläuft sich auf rund 15 Prozent der gesamten industriellen Treibhausgasemissionen in den USA.[3] Doch der militärisch-industrielle Komplex in den USA ist nur das krasseste Beispiel: Auch die anderen Armeen und Rüstungsindustrien zählen zu den großen institutionellen Treibhausgas-Emittenten in ihren Ländern.

Die Armeen dienen der Machterhaltung und Interessenwahrung der herrschenden Klassen. Die bedingungslose und radikale Abrüstung ist eine klassische Forderung der ArbeiterInnenbewegung und der pazifistischen Bewegungen seit ihrem Entstehen im 19. Jahrhundert. Diese Forderung hat nichts an Aktualität eingebüßt. Ganz im Gegenteil, im Wettstreit um die Wahrung ihrer imperialistischen Interessen erhöhen die USA, Russland, China und etliche EU-Länder ihre Aufrüstungsbemühungen. Die NATO verlangt von ihren Mitgliedsländern, die Militärausgaben auf zwei Prozent ihres Bruttoinlandprodukts zu erhöhen.

Die Europäische Union will gar eine eigene Armee aufbauen, die international interventionsfähig ist. Das unterstreicht den imperialistischen Charakter der EU. Aus sozialen und ökologischen Gründen sowie in einer Perspektive der internationalen Solidarität muss ein entschlossener Widerstand gegen alle Aufrüstungsbemühungen auch eine Achse der Klimabewegung sein. Daher ist es ein wichtiges strategisches Anliegen, die seit Jahrzehnten bestehenden friedenspolitischen und antimilitaristischen Organisationen und Netzwerke mit der Klimabewegung zusammenzuführen und in einen gemeinsamen Lern- und Aktionszusammenhang zu bringen.

Die Aufrüstung drückt angesichts der Investitionen, die erforderlich sind, um die Erderwärmung abzubremsen, die ganze Verachtung der Herrschenden in den imperialistischen Staaten für die am meisten von den Klimakatastrophen betroffenen Menschen in den abhängigen und peripheren Ländern aus. Für eine rasche Dekarbonisierung der Wirtschaft sind zusätzliche Investitionen in der Höhe von mindestens ein bis zwei Prozent des weltweiten BIP während mehrerer Jahrzehnte nötig[4] (vergleiche meine Ausführungen in Kapitel 8.2). Mit einem Verzicht auf die Aufrüstungswünsche der NATO wären diese Maßnahmen bereits „finanziert“. Allen Aufrüstungsbemühungen und der sie begleitendenden imperialistischen „Verteidigungsrhetorik“ ist eine Abfuhr zu erteilen. Die Armeen sind nicht nur große CO2-Emittenten, sie verschlingen auch ungeheure finanzielle Ressourcen, die für dringende ökologische Umbaumaßnahmen und soziale Investitionen nötig sind. Die erforderliche antimilitaristische Ausrichtung der Klimabewegung lässt sich in Zusammenarbeit mit friedenspolitischen und internationalistischen Zusammenhängen in den nachfolgenden sieben Forderungen zum Ausdruck bringen.

  1. Auf die vorgesehenen Aufrüstungsprojekte ist zu verzichten. Jegliche Erhöhung der Militärausgaben ist abzulehnen.
  2. Die Rüstungsausgaben sind generell und bedingungslos jährlich um zehn Prozent gegenüber dem Stand von 2020 zu reduzieren.
  3. Die NATO ist als Interessenverband der imperialistischen Staaten Nordamerikas und Europas aufzulösen.
  4. Die obligatorischen Militärdienste sind in Organisationen zur Katastrophenhilfe, für den Bevölkerungsschutz bei Umweltkatastrophen und in Dienste der gemeinnützigen und sozialen Arbeit sowie zur Pflege der Landschaft umzuwandeln.
  5. Es muss umgehend ein Konversionsprozess der Rüstungsindustrie eingeleitet werden. Die Rüstungskonzerne sind zu vergesellschaften. Unter gesellschaftlicher Kontrolle und Beteiligung der Beschäftigten sind die militärischen Aktivitäten der Konzerne herunterzufahren und komplett in nützliche und umweltverträgliche Produktions- und Dienstleistungstätigkeiten zu konvertieren.
  6. Die durch die kontinuierliche Reduktion der Rüstungsausgaben frei gewordenen finanziellen Mittel sind in einen Fonds zur Konversion des Militär- und Rüstungssektors zu überführen. Dieser Fonds finanziert emissionsmindernde Projekte. Damit können zumindest teilweise die im Laufe der Zeit kumulierten Treibhausgasemissionen der Armee und der Rüstungsproduktion ausgeglichen werden.
  7. Der Fonds zur Konversion des Militär- und Rüstungssektors finanziert den Aufbau öffentlicher Betriebe, die – gestützt auf die ehemals militärisch genutzten Fähigkeiten und Qualifizierungen der Beschäftigten – gesellschaftlich nützliche und ökologisch sinnvolle Produkte anbieten. Die Beschäftigten in Armee und Rüstungssektor erhalten die Möglichkeit, Umschulungs- und Qualifizierungsangebote kostenlos zu nutzen, die ebenfalls von diesem Fonds finanziert werden.

Diese sieben Maßnahmen führen in ihrer Gesamtheit zu einem kompletten Rückbau des militärisch-industriellen Komplexes in etwa einem Jahrzehnt. Allein die NATO und die EU-Staaten würden damit bereits eine substanzielle Reduktion der Treibhausgasemissionen erreichen. In einer Perspektive globaler Abrüstung sind die Bewegungen zu unterstützen, die sich in den anderen Militärmächten ebenfalls für eine radikale Abrüstung und Zerschlagung des militärisch-industriellen Komplexes einsetzen.

Quellen und Anmerkungen

[1] Dieser Artikel entspricht dem Kapitel 5.1 (S. 83–85) des Buches Revolution für das Klima. Warum wir eine ökosozialistische Alternative brauchen (München: Oekom Verlag) von Christian Zeller.

[2] CO₂-Äquivalente (CO₂e) sind eine Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase. Methan (CH4) und Distickstoffmonoxid (N2O), auch Lachgas genannt, heizen das Klima noch wesentlich stärker auf als (CO₂).

[3] Crawford, Neta C. (2019): Pentagon Fuel Use, Climate Change,and the Costs of War, June 12, 2019, Watson Institute International & Public Affairs, Brown University, 36 S. https://watson.brown.edu/costsofwar/files/cow/imce/papers/2019/Pentagon%20Fuel%20Use,%20Climate%20Change%20and%20the%20Costs%20of%20War%20Final.pdf Zugriff: 20. August 2019.

[4] UNCTAD (2019): Trade and Development Report 2019. Financing a Global Green New Deal, United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD), United Nations Publications: New York, 173 S.

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