Für den Frieden – Geflüchtete auf Lesbos widersetzen sich der Repression

Tausende gestrandete Geflüchtete demonstrierten auf der griechischen Insel Lesbos, nachdem das Camp, in dem sie sich bis dato aufhalten mussten, abgebrannt war. Die Bereitschaftspolizei trat ihnen mit Tränengas entgegen.

Mehr als 13.000 Geflüchtete haben fünf Nächte auf der Straße verbracht, nachdem ein großes Feuer in der Nacht am 8. August das Flüchtlingscamp „Moria“ zerstörte. Die Menschen wurden am Straßenrand sich selbst überlassen, ohne dass die Behörden sich um Unterkunft, Nahrung oder Wasser für sie gekümmert hätten – eingekesselt von der Bereitschaftspolizei, die sie davon abhielt, die Hauptstadt der Insel Mytilene zu betreten.

Die Geflüchteten fordern, dass die griechische Regierung es ihnen erlaubt, die Insel zu verlassen und in Europa Sicherheit zu finden. Tausende Menschen gingen am Freitag nach den Feuern auf die Straße und riefen: „Wir wollen gehen, lasst uns frei.“

Die Bereitschaftspolizei reagierte mit Tränengas und Schlagstöcken.

Michaelis Tsorbatzoglu, ein linker Aktivist aus Lesbos, erzählte gegenüber Socialist Worker, „Rund 500 neue Bereitschaftspolizist*innen wurden auf die Insel geschickt. Geflüchtete und Antirassist*innen haben am Freitag gemeinsam demonstriert und wurden von der Polizei attackiert. Es sind weitere Demonstrationen geplant.“

Lockdown

Das riesige Feuer begann, nachdem die zuständigen Behörden das gesamte Camp unter Lockdown gestellt haben, weil einige Geflüchtete positiv auf das Coronavirus getestet wurden.

Das bedeutet, die Menschen waren gezwungen, in dem Camp zu leben, unter ohnehin beengten, überfüllten und unhygienischen Umständen, die von der griechischen Regierung und der europäischen Union geschaffen wurden.

Die meisten Geflüchteten kamen nach einer sehr gefährlichen Überquerung des Mittelmeeres aus der Nähe der Türkei auf Lesbos an – in der Hoffnung, weiter in ein sicheres Europa zu gelangen. Doch die EU-Gesetze zur Situation an den Grenzen, die derart verfasst wurden, dass möglichst viele Geflüchtete der EU fernbleiben, halten sie für Monate auf der Insel gefangen, bis irgendwann ihre Anträge bearbeitet werden –viele davon enden mit Deportationen.

Im Zuge des Feuers forderten die Menschen im Camp, von der Insel evakuiert zu werden. Doch statt einer Evakuierung entschied die rechte griechische Regierung, dass alle Geflüchteten auf Lesbos bleiben müssen, und begann bereits mit dem Aufbau neuer Camps.

Freiwilligen- und Nicht-Regierungs-Organisationen versuchten, die Menschen im Camp mit Nahrungsmitteln zu versorgen, wurden dabei aber von der Polizei gehindert – mit oftmals chaotischem Ausgang.

Solidaritätsdemonstration mit Geflüchteten in Athen (Pic: Workers Solidarity)

Eine Gruppe syrischer und arabischer Geflüchteter – genannt die Weißen Helme von Moria – berichteten am Freitag, dass „viele Menschen im Camp keine Zelte, Decken oder Schlafsäcke haben. Wir haben nichts, um uns zu bedecken, oder auch nur eine Jacke, die uns nachts vor der Kälte schützt.“

„Manche von uns haben seit Tagen nichts gegessen. Gestern wurde ein wenig Essen gebracht, doch ohne Verteilungsplan, die Menschen stürmten einfach hin, dabei wurde viel von dem Essen zerstört.“

„Kein Ort mit Toiletten. Keine Duschen. Die Leute tragen immer noch Asche vom Feuer an sich – wo sollen sie sich auch waschen? Verwundete Menschen, die dringend medizinische Behandlung benötigen, bekommen kaum medizinische Versorgung.“

Manchen Berichten zufolge versuchten faschistische Gangs, die Geflüchteten zu attackieren. Allerdings organisierten lokale Organisationen Lebensmittellieferungen, auch wurden Solidaritätsdemonstrationen für die Menschen in Moria abgehalten.

Antirassist*innen protestierten am Freitag und Samstag nach den Bränden und auch Gewerkschaften riefen zu Kundgebungen und Aktionen am Montag und Donnerstag vergangener Woche auf.

Das Zentrum der Arbeiter von Lesbos erklärte, die Aktionen seien dazu da, um „zu fordern, dass alle Geflüchteten und Immigrant*innen jetzt sofort freigelassen werden und dass Lesbos und die anderen Inseln keine Gefängnisse für menschliche Seelen mehr sein dürfen.“

Die antirassistische Organisation Keerfa hielt am Samstag auch in Athen eine Solidaritätsdemonstration ab.

Ein Aufstand auf der Insel verteitelte im März die Versuche der Regierung, neue, abgeschlossene Camps nahe Mantamados im Norden der Insel zu errichten. Bewohner*innen und organisierte Arbeiter*innen verdrängten die Bereitschaftspolizei, die geschickt wurde, um Land in Beschlag zu nehmen.

Michaelis, der Teil des Aufstandes war, erklärte, dies könnte eine „zweite Runde des Staatsangriffes darstellen“.

Das Mantamados Struggle Committee, welches den Widerstand organisierte, versicherte, es würde sich Versuchen, neue Camps zu errichten, widersetzen.

„Wir unterstützen Geflüchtete, die inmitten einer Pandemie unter miserablen Lebensbedingungen leben müssen, unter denen nicht einmal grundlegendste Bedürfnisse gestillt werden können“, so das Statement der Gruppe. „Die gemeinsame Forderung von Einwohner*innen, Geflüchteten und Immigrant*innen ist die sofortige Freilassung.“

„Wir fordern die unmittelbare Ausreise der Geflüchteten und Migrant*innen von der Insel und ihre sichere Unterbringung in ihren angestrebten Zielstaaten.“

Dieser Artikel von Nick Clark erschien in englischer Sprache zuerst im Socialist Worker und wurde für Die Freiheitsliebe übersetzt.

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