Die Verunsicherung in der Bevölkerung angesichts der aktuellen Preissteigerungen und der drohenden Energieknappheit ist groß. Nach Angaben der Verbraucherzentrale wuchs die Teuerung im Juni 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat um mehr als zwölf Prozent. Neben der Angst, im Winter im Kalten zu sitzen, sind die Menschen zu Recht besorgt durch Kommentare führender Politiker, nach denen sich die Gesellschaft auf gravierende Wohlstandsverluste einzustellen habe. Eine Opposition dagegen scheint es kaum zu geben.
Die Medien als sogenannte vierte Gewalt versagen erneut. Sie formieren sich mehrheitlich als Sprachrohr der Bundesregierung. So blieb beispielsweise der mediale Aufschrei aus, als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Anfang April den Satz „Wir werden ärmer werden“ gesagt hatte. Stattdessen erschien wenig später in der Frankfurter Rundschau ein Kommentar, der ausführte, dass Deutschland ein „vom Wohlstand verwöhntes Land“ sei (Frankfurter Rundschau, 05.04.2022).
Angesichts wachsender rechter Umsturzphantasien und den Vorbereitungen auf einen „deutschen Wutwinter“ (DER SPIEGEL, 23.07.2022) muss darum DIE LINKE ihre Rolle als einzige linke Oppositionspartei im Deutschen Bundestag klar definieren und ausfüllen. Die Verständigung von Partei- und Fraktionsspitze auf einen Fünf-Punkte-Plan und die Vorbereitungen auf einen heißen Herbst sind ein erster wichtiger Schritt. Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und linken Parteien muss dafür die Grundlage bilden. Der größte Landesverband der LINKEN, der Landesverband NRW wirbt dafür, die Kampagne auf eine einzelne zentrale Forderung zu konzentrieren: Die Einführung für einen Energiepreisdeckel.
Energiekrise spitzt sich zu
Dass die Kosten für Energie in den drei energiewirtschaftlichen Sektoren Strom, Wärme und Verkehr steigen, ist bislang vor allem an den Zapfsäulen zu spüren. So sind die Benzinpreise auf Rekordhöhe geklettert. Zeitweise mussten Autofahrer zwei Euro und mehr für einen Liter Benzin hinblättern. Dass auch die Kosten für Heizen und Strom steigen, ist gegenwärtig noch wenig zu spüren, denn derzeit wird der Energieverbrauch für 2021 noch zu den alten, niedrigeren Preisen abgerechnet. Aber spätestens bei den Nebenkostenabrechnungen 2022 drohen Mehrkosten von über 1.000 Euro pro Jahr. Gleichwohl fangen einige Vermieter schon jetzt an, die Vorauszahlungen für die Mietnebenkosten wegen der steigenden Energiepreise zu erhöhen. Besonders spürbar ist der Energiepreisanstieg jedoch beim Kauf von Lebensmitteln und Gebrauchsgütern, denn die Unternehmen geben die gestiegenen Herstellungskosten direkt an den Verbraucher weiter. Die Preise steigen.
Umfragen zeigen eindrücklich. 40 Prozent der Menschen und damit ein relevanter Teil der Gesellschaft sind wegen der steigenden Inflation ernsthaft besorgt (Handelsblatt, 16.05.2022). Im Einzelhandel hat diese Sorge in den letzten Wochen zum stärksten Umsatzrückgang seit Jahrzehnten geführt. Immer mehr Menschen sparen wo irgend möglich. Gleichzeitig aber verlieren sie mit den wachsenden Alltagssorgen ihr Vertrauen in die Politik. Laut einer repräsentativen Umfrage des Allensbach-Instituts haben mittlerweile 31 Prozent das Gefühl, „in einer Scheindemokratie zu leben“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.04.2022). Dieser bereits seit längerem spürbare Entfremdungsprozess zwischen Regierung und Bevölkerung ist seit ein paar Jahren der Boden für rechten Protest. Mit der Corona-Pandemie ist diese Entfremdung eher größer geworden. Rechte Parteien und Bewegungen hoffen daher für den Herbst auf einen nahtlosen Übergang von den Corona-Mobilisierungen zu Energieprotesten.
Globale Hintergründe
Die aktuelle Energiekrise, die auf der Ebene der Endverbraucher derart brachial durchschlägt, hat vor allem globale Ursachen. Diese beschränken sich nicht allein auf den Ukrainekrieg. Denn bereits im September 2021 und damit deutlich vor Beginn des Krieges in der Ukraine hatte der für Energiesicherheit zuständige Berater des US-Außenministeriums Amos Hochstein gesagt: „Wenn der Winter wirklich kalt wird, befürchte ich, dass wir in Teilen Europas nicht genug Gas zum Heizen haben werden“ (Capital, 29.09.2021). Hintergrund war der weltweit steigende Energiebedarf nach der Coronapandemie aufgrund der sich erholenden Weltwirtschaft.
Gleichzeitig hatten regionale Witterungsverhältnisse die Nachfrage nach Gas weltweit steigen lassen. In Deutschland beispielsweise hatten die Windkraftanlagen 2020 mangels Wind weniger Strom erzeugen können. Die fehlende Energie musste durch den parallelen Ausstieg aus Kohle und Atomenergie mit Gas ausgeglichen werden. In China und Indien hatten starke Regenfälle den heimischen Kohleabbau eingeschränkt und ein außergewöhnlich heißer Sommer die Nutzung der Wasserkraft reduziert. Zur Abfederung der Energiekrise wurde auch hier verstärkt Gas eingekauft und in einigen chinesischen Provinzen der Strom für Industriebetriebe rationiert. Auch in Brasilien, wo das Parana-Flussbecken 2020 den niedrigsten Wasserstand seit einem Jahrhundert aufwies, konnte deutlich weniger Strom mittels Wasserkraft erzeugt werden. Die Gasimporte des Landes erreichten im Juli 2021 ein Rekordhoch. Infolge dieser Entwicklungen kletterten die Preise für Gas 2020 bereits um fast 500 Prozent in die Höhe.
Krieg in der Ukraine
Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine löste die Angst vor einer weiteren Gasverknappung einen zusätzlichen Preisanstieg aus. Bereits im März und damit nur wenige Wochen nach Kriegsbeginn hatten sich die Gaspreise um 60 Prozent verteuert. Inzwischen warnt die Bundesnetzagentur vor einer möglichen Verdreifachung der Verbraucherpreise.
Der Krieg in der Ukraine hat sich vor dem Hintergrund der zugespitzten Verteilungskämpfe um Gas zu einem Energiekrieg entwickelt – ein Krieg, der von beiden Seiten geführt wird. Die USA, die noch im Irakkrieg 2003 den Hungertod von 500.000 Kindern in Kauf nahmen, um den Irak wirtschaftlich in die Knie zu zwingen, forderten als Vergeltung für die grausamen Verbrechen Putins ein Gas-, Kohle- und Ölembargo. Die EU hielt diesem Druck nicht stand und beschloss ein Teilembargo für russisches Erdöl. Gleichzeitig hat Russland die Gaslieferungen in einzelne europäische Staaten gestoppt, weil diese sich weigerten, die Gaslieferungen in russischen Rubeln zu bezahlen. Die Drosselung der Gaslieferungen nach Deutschland durch die russische Regierung liegt mittlerweile bei 80 Prozent – nur noch 20 Prozent der möglichen Liefermenge kommt derzeit in Deutschland an.
Auswirkungen auf den Strompreis
Dass diese Entwicklungen in der Konsequenz zu einem Anstieg des Strompreises führen, ist kein Zufall, sondern Folge des völlig ungerechten Merit Order-Effektes an den Strompreisbörsen. Diese Regelung besagt, dass der teuerste Strom den Preis bestimmt. Die günstigsten Stromerzeuger sind aktuell die erneuerbaren Energien, gefolgt von Atomkraft, Braunkohle, Steinkohle und Gas. Der Börsenpreis bestimmt sich aus dem Kraftwerk mit den höchsten Produktionskosten, während alle anderen Kraftwerke für den erzeugten Strom den gleichen Preis erhalten, auch wenn sie eigentlich günstiger produzieren.
Wenn also 99 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien käme und zu einem Preis von sechs Cent pro Kilowattstunde zu haben ist und nur ein Prozent käme aus Gas und kostete 60 Cent je Kilowattstunde, dann ergibt sich der Preis für den gesamten Strom aus dem einen Prozent. Produzenten, die für 99 Prozent des Stroms sorgen, würden dann das Zehnfache an Erträgen kassieren – und alles auf Kosten der Stromkunden. Diese Preisfindung ist ein Mechanismus, der gerade jetzt in der Energiekrise die Umverteilung von unten nach oben sicherstellt.
Arme besonders betroffen
Wenn, wie von einigen Stadtwerken vorausgesagt, die Gaspreise um bis zu 300 Prozent steigen werden, dann werden viele Menschen im Winter entweder frieren und krank werden. Oder aber sie werden damit rechnen müssen, dass ihnen die Heizungen abgestellt werden, weil sie die Heizkosten nicht mehr begleichen können. Dies betrifft besonders jene Menschen, die schon vor der aktuellen Inflation mit ihrem Geld kaum auskamen: Hartz IV- Beziehende und Menschen im Niedriglohnsektor. Eine solche Entwicklung wird dazu führen, dass Heizen in einem der reichsten Länder der Welt zu einem Luxusgut wird, ein Luxusgut allerdings, auf das die Menschen nicht verzichten können, weil ihnen sonst gesundheitliche Probleme drohen. Die Ampel-Regierung hat diese Probleme mitverursacht und steuert die Bundesrepublik nun sehenden Auges in eine drohende Katastrophe. Obgleich sie um die Folgen ihrer Politik weiß, weigert sie sich, im Interesse der Menschen umzusteuern.
Energiestrategie der Bundesregierung
Die Energiestrategie der Bundesregierung bewegt sich im Widerspruch zwischen Klima- und Energiepolitik. Der im Osterpaket angekündigte beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien ist unbestritten sinnvoll. Allerdings kommt selbst ein Papier des Bundeswirtschaftsministeriums zu dem Schluss, dass der aktuelle Fachkräftebedarf das Potential hat, die Energiewende auszubremsen. Bundesweit fehlen etwa 250.000 Fachkräfte. Ein zweites Element deutscher Energiepolitik ist der Rückgriff auf Stein- und Braunkohle in der Sicherheitsreserve. Vor dem Hintergrund der Energiekrise ist das zwar ein nachvollziehbarer Schritt, denn der Anteil des Erdgases bei der Stromerzeugung ist noch vergleichsweise hoch. Um ihn zu verringern, müsste der von Gaskraftwerken erzeugte Strom durch Strom aus Kohlekraftwerken ersetzt werden. Klimapolitisch ist der dadurch verschleppte Ausstieg aus der Kohle allerdings hochproblematisch. Ein drittes Element schließlich ist ein erhöhter Einkauf von Gas aus anderen Ländern. So steigen die deutschen Gasimporte aus Norwegen und den Niederlanden. Die niederländische Gasförderung in Groningen wird seit Jahren aufgrund von großen Schäden in der Provinz Groningen kritisch betrachtet und sollte ursprünglich bis zum Jahresende gestoppt werden. Weiterhin soll Flüssigas aus Katar, Ägypten und den USA importiert werden. Ökologisch, ökonomisch, aber auch sozial ausgesprochen fragwürdig: LNG hat durch Gewinnung, Verflüssigung und Transport nicht nur eine schlechtere Klimabilanz als russisches Pipelinegas, sondern ist auch doppelt so teuer ist. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher wird diese Strategie nicht zu Preisentlastungen führen.
Wie wenig die Bundesregierung in dieser Energiekrise bereit ist, mit der Politik der Umverteilung von unten nach oben zu brechen, hat nicht zuletzt die Rettung von Uniper gezeigt. Das Düsseldorfer Unternehmen ist Deutschlands größter Gashändler. Es war aufgrund der hohen Gas- und Strompreise in Bedrängnis geraten, weil es die steigenden Kosten nicht an die Kunden weitergeben durfte und deshalb auf den Verlusten sitzen blieb – bis zu einer Milliarde Euro im Monat (Handelsblatt, 22.07.2022). Um das Unternehmen zu retten und die Gasversorgung sicherzustellen, unterstützt die Bundesregierung das Unternehmen mit 7,7 Milliarden Euro und sichert sich im Gegenzug dafür eine 30-prozentige Unternehmensbeteiligung. Gleichzeitig ermöglicht sie den Gashändlern künftig, bis zu 90 Prozent der Mehrkosten an die Verbraucher weiterzugeben, was zu jährlichen Mehrbelastungen von 200 bis 300 Euro für eine vierköpfige Familie führen wird. Interessant ist, dass der Bund den Großteil der staatlichen Hilfen als Hybridkapital zur Verfügung stellen will, um so den Uniper-Mehrheitseigner Fortum vor einer faktischen Enteignung zu schützen. „Würde die gesamte Hilfe des Bundes in Form von neuen Aktien fließen, würde der Anteil Fortums stark verwässert und der finnische Konzern käme nur noch auf einen Anteil von wenigen Prozent“, weiß das Handelsblatt zu berichten.
Droht eine Gasmangellage?
Aber nicht nur ökonomisch könnte es zu Problemen kommen. Es ist unklar, wie sehr die Speicher durch zusätzliche Importe und Einsparungen gefüllt sein werden. Die zusätzlichen LNG-Terminals werden noch gebaut und auch die Infrastruktur vor Ort muss angepasst werden. Ob und wie groß die erhofften Einsparungen sein werden, ist außerdem noch völlig unklar. Der Verbrauch im Juli war nur geringfügig niedriger als im Vorjahr. Außerdem kann es auch immer zu weiteren Importschwierigkeiten kommen, wie der Brand des LNG Terminals in Texas zeigt. Wenn jedoch die Gasspeicher nicht ausreichend gefüllt sind, kommt die Frage auf: Wer wird noch mit Gas versorgt?
Mit 19,6 Millionen wird knapp die Hälfte aller Wohnungen mit Erdgas beheizt. Der Gasnotfallplan der Bundesregierung sieht vor, dass Privathaushalte besonderen Schutz genießen und zuvor die Industrie mit Gasabschaltungen rechnen müsse. Bei dieser Entscheidung spielen sowohl politische als auch technische Gründe eine Rolle. So ist es deutlich einfacher, die Industriekunden vom Gashochdrucknetz zu trennen als Privathaushalte vom Niedrigdrucknetz. Insbesondere bei alten Gasnetzen können Haushaltskunden nicht so ohne weiteres abgeschaltet werden, weil mit erhöhter Schadensmeldung zu rechnen ist, wenn der Druck in den Leitungen nachlässt. Diese müssten dann aufwändig repariert werden, ehe sie wieder in Betrieb genommen werden können.
Trotz Gasnotfallplan zeigt die Bundesnetzagentur derzeit jedoch Szenarien auf, die zu einer Gasmangellage führen könnten. Dazu gehört, dass bei wenig Durchlauf der Gasdruck so stark absinkt, dass einzelne Strecken des Gasnetzes ausfallen. Tritt dieser Fall ein, kann, anders als beim Stromnetz, nicht von einer zentralen Stelle das Gas wieder eingeschaltet werden. Vielmehr müssten dann Handwerker bei allen Gasdruckreglern in den Kellern der Privathaushalte den richtigen Gasdruck wieder einstellen. Das liegt daran, dass wir im Stromnetz über Netzstation verfügen, das Gasnetz aber über Regelanlagen läuft. Selbst wenn also nicht das Extremszenario der Bundesnetzagentur eintrifft, könnten mit großer Wahrscheinlichkeit viele Privathaushalte einige Zeit vom Gasnetz getrennt werden. Viele Menschen reagieren bereits darauf und kaufen sich für einen solchen Notfall Elektroheizungen. Dies würde jedoch die Stromnetze zusätzlich belasten und könnte zu gehäuften Stromausfällen führen.
Welches Szenario am Ende eintritt, ist selbst Experten gegenwärtig unklar. Es ist jedoch möglich, dass viele Haushalte bis zu mehreren Wochen auf Gas und mehrere Stunden auf Strom verzichten müssen. Hier fehlt es der Bundesregierung an einer klaren Strategie, wie diese Szenarien verhindert werden können bzw. einer ehrlichen Kommunikation, dass diese eintreffen könnten.
DIE LINKE in der Energiekrise
Vor dem Hintergrund wachsender Zukunftssorgen und ideologischer Brüche muss DIE LINKE ihre Strategie an diesen Entwicklungen ausrichten. Der Fall Uniper zeigt die klassenpolitische Ausrichtung in der Energiepolitik von Scholz und Habeck. Um das Eigentum großer Konzerne zu schützen, wird die Enteignung der Verbraucherinnen und Verbraucher in Kauf genommen. Um diesen Trend umzukehren, muss DIE LINKE ihren Anspruch als Kümmererpartei neu ausformulieren. Die aktuelle Energiekrise ist zugleich eine Krise des Kapitalismus. Eine linke Antwort darauf muss mehr anbieten, als „nur“ die finanzielle Entlastung von Arbeitslosen, Rentnern und prekär Beschäftigten. Die Entfesselung der Marktkräfte, die in den letzten zwei Jahrzehnten auch den Energiemarkt geprägt hat, muss gestoppt werden. Zudem muss gerade jetzt ein starker Fokus auf kleine und mittlere Einkommen und damit auf die Welt der Arbeit Bezugspunkt linker Politik sein. Insbesondere gut ausgebildeten Facharbeiter und ihre Familien fühlen sich durch Energiekrise und Inflation einerseits und die Transformation der Arbeitswelt andererseits von zwei Seiten unter Druck.
Der Fünf-Punkte-Plan, wie von Partei- und Fraktionsspitzen vorgeschlagen, geht in die richtige Richtung. Er sieht im ersten Schritt ein drittes Entlastungspaket für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen vor. Es fordert zweitens den Gaspreisdeckel, der in anderen europäischen Ländern den Anstieg der Energiekosten wirksam abgebremst hat. Er fordert drittens ein gesetzliches Verbot von Strom- und Gassperren. Es spricht sich viertens für die staatliche Unterstützer von Stadtwerken und kommunalen Versorgern aus, denn gerade jetzt in der Energiekrise braucht es zur verlässlichen Sicherstellung von Energie mehr staatliches Handeln. Und er sagt fünftens, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien wirksam beschleunigt werden muss. Auf der Grundlage dieser Forderungen muss linke Handlungsfähigkeit über die Möglichkeit des Protestes aufgebaut und entwickelt werden.
Ein linkes Energiegrundkontingent
Entscheidend wird sein, ob DIE LINKE es schafft, eine Kampagnenforderung zu entwickeln, die einen klar verständlichen Fokus gibt, dadurch zuspitzt und auf unterschiedlichen Ebenen Handlungsfähigkeit entwickelt. Die Forderung nach einem Energiepreisdeckel könnte eine solche Forderung sein. Energiepreisdeckel meint hier, dass der Grundverbrauch an Gas, Strom und Heizung vor Preisanstiegen geschützt ist. Ausgehend davon, dass Energieversorgung, genau wie Wasser, Bildung, Wohnen und Mobilität, ein Grundrecht sein sollte, könnte jeder Haushalt ein Grundkontingent zur Verfügung gestellt bekommen. Dieses müsste sich am durchschnittlichen Gas-, Strom- und Heizverbrauch orientieren, ebenso wie am Gebäudebestand und der im Haushalt lebenden Personenzahl. Für einen 2-Personen Haushalt wäre die Forderung nach 8.000 kWh Gas und 3.000 kWh Strom als Energiegrundkontigent denkbar. Dieses könnte für Hartz IV-Beziehende und Beschäftigte im Niedriglohnsektor, aber auch für Studierende und jungen Menschen in Ausbildung kostenlos zur Verfügung stehen. Für alle anderen würde gelten: Der Grundverbrauch ist durch den Preisdeckel vor Preisanstiegen geschützt. Wer allerdings über den Betrieb seines Kühlschranks, seiner Waschmaschine oder seiner Kaffeemaschine hinaus noch einen Pool beheizen möchte, zahlt dafür den Preis, der vom Markt diktiert wird. Klar ist dabei aber auch: Bis zur Einführung des Energiepreisdeckels bedarf es schnell und unbürokratisch Nothilfefonds von Bund, Ländern und Kommunen. Sie sollen dafür sorgen, dass niemandem in Deutschland der Strom abgestellt wird, weil die Rechnung zu hoch ist. Ein solches Modell würde zumindest die schlimmsten Auswirkungen der Energiekrise verhindern.
Mit einer Kampagne „Energieversorgung ist Menschenrecht – Energiepreisdeckel jetzt“ könnte DIE LINKE auf ein komplexes Problem eine Lösung anbieten, die zugleich anschlussfähig wäre an die Forderungen aus Gewerkschaften und Sozialverbänden. DIE LINKE wäre nicht nur auf der Bundes-, sondern auch auf der Landes- und der Kommunalebene handlungsfähig. Denn die meisten Energieversorger gehören einzelnen oder mehreren Kommunen. Hier kann die Kontingentierung geregelt werden. Gleichzeitig sind Länder- und Bundesebene in der Pflicht, die dafür notwendigen finanziellen Rahmenbedingungen bereitzustellen. Mit der Gasumlage hat die Bundesregierung ein Entlastungspaket für die Energieunternehmen geschaffen, das zu Lasten der Privathaushalte geht. Jetzt ist es an der Zeit für eine 180-Grad-Wende. Mit einem Energiepreisdeckel könnte ein Entlastungspaket für die vielen Menschen geschaffen werden, die gegenwärtig Angst haben, im Winter zu (er)frieren. Kompliziert ist das nicht, sondern eine Frage des politischen Willens. Zum Schutz der Menschen muss sich die Bundesregierung mit den großen Energieunternehmen anlegen. Ein Blick auf die aktuelle Energiestrategie der Ampel zeigt, das wird nicht von allein geschehen. Vielmehr braucht es dafür Druck von unten.
Ein Beitrag von Ulrike Eifler, Jules El-Khatib und Igor Gvozden