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„Eine Welt ohne Polizei wäre eine bessere“ – über Werbung und Guerilla

Die Gruppe polizei abschaffen aus Berlin erregt mit kritischen Aktionen gegen Staat, Militär und vor allem die Polizei Aufsehen. Sie versteht sich selbst als Kommunikationsguerilla und ihr Kommunikationsmittel der Wahl ist hierbei das Adbusting: Plakate relevanter Akteure werden übermalt, abgeändert oder durch treffendere ersetzt – verschönert also, um die eigentlichen menschenverachtenden Botschaften darzustellen, die durch die staatliche Propaganda verschleiert oder beschönigt werden sollen. Wir unterhielten uns mit Barbara Jendro, der Sprecher*in der Gruppe.

Die Freiheitsliebe: Spätestens mit Naomi Kleins 2000er Buch „No Logo!“ wurde das Konzept Adbusting weltweit bekannt. Kurz zum Begriff: Was ist Adbusting? Und was sind die Ziele?

polizei abschaffen: Adbusting ist das Verändern von Werbung bis zur Kenntlichkeit. Werbung ist eine super Möglichkeit, gesellschaftliche Strukturen herauszuarbeiten und zu kritisieren, indem man zum Beispiel die einzelnen Worte verändert, Sprechblasen und Bildelemente einfügt oder austauscht und dadurch die Bedeutung der Werbebotschaft verdreht. Gleichzeitig eignen wir uns den öffentlichen Raum auch an, indem wir eigene Plakate in Werbeschaukästen aufhängen.

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Die Freiheitsliebe: Beschreibt bitte kurz eure Aktionen und wie sehen eure konkreten Ziele aus?

polizei abschaffen: Im Dezember haben wir eine Serie selbstgemachter Poster einmal quer durch die Berliner Innenstadt verteilt. Die Poster kritisieren, dass die Berliner Polizei lieber Adbusting mit Hausdurchsuchungen und DNA-Proben verfolgt, statt was gegen ihre Nazichats, den institutionellen Rassismus oder die Straflosigkeit von Polizeigewalt zu unternehmen. Die Polizei verfolgt nicht nur Adbuster*innen, es handelt sich um staatlich bezahlte Gewalttäter*innen, die auch Rassismus, Sexismus, Klassismus und alle möglichen anderen gesellschaftlichen Gewaltstrukturen immer wieder, teilweise auf tödliche Weise, reproduzieren. Wir denken, eine Welt ohne Polizei wäre eine bessere. Außerdem haben wir die Polizei mit einem „Darfschein“, einem aus Zitaten der Staatsanwaltschaft zusammengestellten Brief an die unterschiedlichen Polizeistellen unserer Stadt darauf aufmerksam gemacht, dass selbst die Staatsanwaltschaft findet, dass es eher peinlich ist, Adbuster*innen zu verfolgen. Außerdem haben wir zum Abschluss bei einer Pressekonferenz vor dem Berliner Staatsschutz informiert, wobei diese massiv von der Polizei gestört wurde.

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Die Freiheitsliebe: Adbusting Is Not A Crime! – So die Parole. Wie ist die rechtliche Situation in Deutschland?

polizei abschaffen: Also die Polizei ermittelt gern wegen schweren Diebstahls und Sachbeschädigung. Beides ist Quatsch. Die Kästen werden nicht beschädigt und die Plakate lediglich abgehängt. „Schwerer“ Diebstahl ist das schon mal gar nicht, weil diese in sehr großen Auflagen erstellten Plakate einen geringen Wert haben.

Die Freiheitsliebe: Dennoch bleibt natürlich der Umstand, dass eure Aktionen per se auf Rechtsbruch ausgerichtet sind. Woher nehmt ihr die Legitimität dafür?

polizei abschaffen: Wieso per se? Wir können doch nichts dafür, dass die Gesetzgeber*in es vermasselt hat, sich was auszudenken, wie man rechtsstaatlich Leute plattmacht, die es nicht einfach hinnehmen, das nur Leute mit viel Geld ihre Poster im öffentlichen Raum aufhängen dürfen? Unser Geheimdienst hat übrigens mittlerweile die Akten zur Aktion beschafft (A44 201202 1048 339744). Polizeihauptkommissar Krecklow schreibt da auch etwas enttäuscht, dass das mit den Adbustings vor dem LKA-Gebäude nicht strafbar sei. Seine Leute haben stattdessen Anzeige wegen des Papppfeils mit der Aufschrift „Rechtsbrecher*in“ erstattet. Laut Akte stört sie besonders, dass die Person mit dem Pfeil „mehrmals gelacht“ habe. Das zeigt ja: Das Handeln der Polizei ist auf Rechtsbruch ausgelegt. Den Cops ist es relativ egal, ob man legal oder illegal protestiert. Wenn man die kritisiert, denken die sich halt was Gemeines aus. Denen ist legal und illegal scheißegal.

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Die Freiheitsliebe: Im Verfassungsschutzbericht 2018 tauchte Adbusting in der Kategorie „Gewaltorientierter Linksextremismus“ auf. Es gab bereits Hausdurchsuchungen und DNA-Tests von Aktivist*innen. Wie beurteilt ihr die Verhältnismäßigkeit in der Verfolgung durch die Behörden?

polizei abschaffen: Die Verfolgung von Adbusting ist lächerlich. Ziel der Verfolgung ist vor allem die auf den Plakaten geäußerte Kritik an Staat, Polizei, Militär und Geheimdiensten. Strafrechtlich handelt es sich – wenn überhaupt – um Kleinigkeiten. Und theoretisch ist auch Staatskritik durch die Meinungsfreiheit geschützt, auch wenn man das mit Blick auf das Handeln der Verunsicherungsbehörden kaum glauben mag. Wenn die Polizei dann mit solchen massiven Ermittlungsmaßnahmen Adbuster*innen verfolgt und auch Geheimdienste das passende Bedrohungsszenario schaffen, ist das alles andere als verhältnismäßig. Nicht nur der Verfassungsschutz hat über Adbusting berichtet, auch der Militärische Abschirmdienst und das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum haben fleißig Listen über Adbusting geführt. Aber das hat auch ‘ne gute Seite: Selbst meine Oma schnallt, dass irgendwas falsch läuft, wenn sich das Terrorabwehrzentrum GETZ (Arbeitskreis von über 40 Bundes- und Landesbehörden zur Abwehr von Extremismus und Spionage, Anm. d. Red.) gleich viermal mit beklebten Werbeplakaten beschäftigt, ohne dass da wer Stopp gesagt hat. Höchste Zeit, die Legitimität dieser Behörden endlich zu hinterfragen.

Die Freiheitsliebe: Eine andere Behörde im Zentrum eurer Aktivitäten ist die Bundeswehr. Seit dem Aussetzen der Wehrpflicht 2011 muss sich die Truppe proaktiv um neue Rekrut*innen kümmern – vor allem mittels Plakaten und Online-Werbung. Welche Auswirkungen auf eine Gesellschaft hat es, wenn Militär und Polizei im medialen öffentlichen Raum fast schon omnipräsent sind?

polizei abschaffen: Ne, wir machen nix zu Bundeswehr. Das sind die Genoss*innen von Bundeswehr abschaffen. Wir stecken ja nun nicht hinter allen Kommunikationsguerilla-Aktionen in der Stadt. Aber dass Tarnfleck im Alltag immer selbstverständlicher wird, sehen wir auch sehr kritisch. Dahinter steckt ne Salami-Taktik, die nach und nach die Anwendung militärischer Gewalt normalisiert.

Gegenwind gegen Adbusting ist vorprogrammiert. Benjamin Jendro, der Berliner Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), auf Twitter:

Die Freiheitsliebe: Seht ihr euch als eigenständige Gruppe mit Fokus auf die polizeiliche Situation in Deutschland oder in euren Zielen und Strategien eher als Teil einer internationalen Bewegung?

polizei abschaffen: Klar, ist es naheliegend, erstmal die Berliner Polizei und die Deutschen Verunsicherungsbehörden zu kritisieren und zu demaskieren. Aber Polizei ist für uns ein Problem, das in allen Ländern auftaucht, in denen es Polizei gibt. Zum Beispiel werden in Warschau gerade Adbuster*innen massiv verfolgt. Viele von uns finden Inspiration im Kampf von Black Lives Matter und dem „Defund the Police“-Movement. Motivierend sind aber auch die Proteste gegen Polizeigewalt in Nigeria oder in Frankreich. Historisch betrachtet ist die Polizei entstanden, um Eigentums- und Machtverhältnisse durch Gewalt aufrecht zu erhalten. Die Polizei kann nach ihren rassistischen und sexistischen Einstellungen handeln, weil sie ein Machtmonopol besitzt, das sie missbraucht. Das kann man vielleicht nicht von heut auf morgen ändern, aber die meisten Bereiche, in denen die Polizei tätig ist, sollten lieber von Sozialarbeiter*innen übernommen werden. Sicherheit kann auch anders organisiert werden als durch bewaffnete Gewalttäter*innen. Wichtige Bausteine, die die selbsternannten „Sicherheitspolitiker*innen“ strukturell vernachlässigen, sind zum Beispiel ein angemessenes bedingungsloses Grundeinkommen, die Kommunalisierung und Demokratisierung von Wohnraum oder eine freie Krankenversicherung für alle.

Die Freiheitsliebe: Vielen Dank für das Gespräch.

Hier könnt ihr euch über die Aktivitäten von polizei abschaffen informieren.

Hier findet ihr den Text „Schafft die Polizei ab!“ unseres Autors Jakob Reimann, der dieses Interview mit Barbara Jendro führte, und in dem Wege zu einer polizeilosen Gesellschaft aufgezeigt werden.

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