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Ecuador: Linksruck und Putschgefahr

Eines hat die Präsidentschaftswahl in Ecuador am 7. Februar in aller Klarheit gezeigt: Nach dem Rechtsschwenk der Regierung von Lenin Moreno ist die überwältigende Mehrheit der Menschen in dem Andenstaat des Neoliberalismus überdrüssig. Etwa 70 Prozent gaben Parteien und Kandidaten mit linken und anti-neoliberalen Programmen ihre Stimme. Ecuador setzt damit einen Trend fort, der zuletzt in Argentinien, Chile und Bolivien das Pendel wieder nach links ausschlagen ließ. Doch mit allen Mitteln versucht die ecuadorianische Rechte, einen Sieg von Andrés Arauz zu verhindern, der den ersten Wahlgang mit rund 33 Prozent deutlich gewonnen hat.

Für die rechten Parteien waren die Wahlen ein Debakel. Lenin Moreno, der 2017 mit Unterstützung des ehemaligen Präsidenten Rafael Correa gewählt wurde und dann wirtschafts- und außenpolitisch eine 180-Grad-Wende vollzog, etwa durch den Schulterschluss mit den rechten Regierungen in Lateinamerika, dem Rauswurf von Julian Assange aus der Botschaft in London oder durch eine klassische neoliberale Anpassungspolitik im Einklang mit dem IWF, war aus gutem Grund gar nicht angetreten: Seine Partei holte bei den parallel stattfindenden Parlamentswahlen nicht einmal drei Prozent der Stimmen. Der konservative Bankier Guillermo Lasso blieb als Zweitplatzierter mit 19,7 Prozent, seine Partei CREO mit nur 9,7 Prozent, weit hinter den Erwartungen zurück.

Die Rechte sucht deshalb nach Möglichkeiten, die mögliche Wiederkehr des „Correísmo“ in Form des Präsidentschaftskandidaten Arauz zu verhindern. Dass sie dabei Erfolg haben könnte, liegt vor allem an den tiefen Gräben zwischen den politischen Kräften der Linken. Denn sowohl die eher sozialdemokratische „Demokratische Linke“ (PID) von Xavier Hervas als auch die programmatisch links-grüne Partei Pachakutik von Yaku Pérez scheinen das Hauptproblem im politischen Einfluss von Rafael Correa zu sehen, nicht im Neoliberalismus oder der US-Dominanz in Lateinamerika. Um Arauz zu verhindern, sind sie allem Anschein nach auch bereit, ein Bündnis mit Lasso einzugehen.

Insbesondere Yaku Pérez wird in der hiesigen Berichterstattung trotz seiner zweifelhaften Unterstützung der Rechten in der Vergangenheit als „indigener Umweltaktivist“ hochgeschrieben. Dabei spielt er eine Rolle, die zum Nachdenken anregen sollte. So stellte er sich selbst in Putsch-Situationen gegen lateinamerikanische Linksregierungen, sei es in Bolivien, Brasilien, Venezuela oder in seinem eigenen Land. Alles deutet darauf hin, dass er seine Unterstützung von Lasso von 2017 wiederholen könnte. Unter dem Motto „Lieber ein Banker als eine Diktatur“ hatte er schon damals seine Anhänger zur Wahl Lassos aufgerufen, um den damaligen Correa-Kandidaten Lenin Moreno zu verhindern.

Ein ähnliches Szenario könnte sich bei der Stichwahl am 11. April wiederholen, falls das Endergebnis der ersten Runde Lasso als Kontrahenten von Arauz bestätigt. Doch offenbar gibt es noch weitergehende Versuche, den „Correísmo“ von der Regierung fernzuhalten.

Einerseits sorgt die Reise des kolumbianischen Generalstaatsanwalts nach Ecuador für Unruhe im Arauz-Lager. Bereits im Wahlkampf hatte die rechte kolumbianische Zeitung Semana mit angeblichen Geheimdienstinformationen versucht, in die Wahl einzugreifen. Diesen zufolge habe Arauz von der kolumbianischen Guerilla ELN 80.000 US-Dollar Wahlkampfhilfe erhalten. Der haltlose Vorwurf schaffte es sogar als Tatsachenbehauptung in eine Schlagzeile der Frankfurter Rundschau.

Wie absurd die Anschuldigungen sind, zeigt allein der Betrag, um den es geht. Denn die Gegner des „Correísmo“ werfen diesem zugleich vor, Gelder in Millionenhöhe veruntreut zu haben. Warum sollte man sich dann von einer Guerilla unterstützen lassen, zumal ein Bekanntwerden den politischen Tod bedeuten würde?

Ein weiterer Versuch, Arauz mit der ELN in Verbindung zu bringen, wurde übrigens von einem Ornithologen als Fälschung enttarnt. In dem Propagandavideo mit angeblichen ELN-Mitgliedern war auch ein Vogel zuhören, der aber gar nicht in Kolumbien, dem angeblichen Ort der Aufnahme, vorkommt.

Es ist zu befürchten, dass die Vorwürfe der Unterstützung durch die ELN dazu genutzt werden sollen, Arauz noch vor der Stichwahl rechtlich zu belangen und seine Kandidatur zu annullieren. Dies käme einem Putsch gleich.

Ähnliche Sorgen gibt es in Bezug auf die jüngsten Entwicklungen: Am Wochenende hatten sich Lasso und Pérez mit Vertretern des Wahlrats (CNE) getroffen und einen „Pakt“ geschlossen, um einen Großteil der Stimmen der Wahl erneut auszuzählen. Die US-Regierung applaudierte umgehend.

Hinreichende Indizien für Manipulationen, die eine Neuauszählung rechtfertigen würden, wurden offenbar nicht präsentiert. Deshalb wies der ehemalige Außenminister Ricardo Patiño darauf hin, dass es keine Rechtsgrundlage für die Neuauszählung gebe. Dies bestätigte Lasso schließlich indirekt.

Besonders lässt aufhorchen, dass bei dem Treffen der Wahlsieger Arauz und die anderen Kandidaten abwesend waren. Von den internationalen Wahlbeobachtern waren nur jene der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zugelassen worden.

Das Vorgehen und die Akteure wecken Erinnerungen an den Putsch in Bolivien 2019. Damals hatte die OAS mit inzwischen widerlegten Betrugsvorwürfen die Grundlage dafür geliefert, dass Evo Morales von Militär und Polizei zum Rücktritt gezwungen wurde und eine Putschregierung die Macht übernahm. Dass ausgerechnet nun die OAS mit am Tisch sitzt, wenn über eine Neuauszählung entschieden wird, sollte also die Alarmglocken läuten lassen.

Beim Putsch in Bolivien ließen sich auch einige Linke von den Betrugsvorwürfen blenden, meist genährt von Kritiken an tatsächlichen und vermeintlichen Fehltritten der Regierung Morales. Dieser Irrtum sollte nicht erneut begangen werden. Denn es geht nicht darum, ob die eine oder andere Linksregierung Fehler gemacht hat. Es geht um die Möglichkeit, überhaupt alternative Regierungen ins Amt wählen zu können. Deshalb sollten wir in den nächsten Wochen sehr aufmerksam nach Ecuador blicken.

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