In wenigen Wochen findet die Bundestagswahl statt, aktuell wird vor allem über mögliche Regierungskoalitionen geredet und weniger über Inhalte. Wir haben mit Bernd Riexinger, Bundestagsabgeordneter und Spitzenkandidat der Linken in Baden-Württemberg, über die Ziele seiner Partei gesprochen.
Die Freiheitsliebe: Was bekommt die Wählerin oder der Wähler, wenn sie oder er das Kreuz bei der Partei die Linke macht?
Bernd Riexinger: Wer für die Linke stimmt, bekommt eine politische Kraft, die sich konsequent für Beschäftigte, Rentner:innen und Erwerbslose einsetzt. Wir kämpfen für Löhne, die zum Leben reichen. Wir wollen starke Gewerkschaften, die flächendeckend Tarifverträge durchsetzen. Wir wollen Arbeit umverteilen und Arbeitszeit verkürzen, damit sich das Leben nicht nur um die Arbeit dreht.
Die Freiheitsliebe: Was ist mit den Renter:innen? In einem Beitrag für die Frankfurter Rundschau hast du dich jüngst vehement gegen die kapitalgedeckte Rente ausgesprochen.
Bernd Riexinger: Die Linke wirbt für eine gesetzliche Altersvorsorge, die den Lebensstandard sichert und vor Armut im Alter schützt. Dazu gehört, ersten, eine Mindestrente von 1200 Euro im Monat. Dazu zählt auch die Erhöhung des Rentenniveaus auf 53 Prozent. Und, drittens, ist ein Rentensystem notwendig, in das alle Erwerbstätigen einzahlen, auch Politiker:innen und Beamt:innen. Dieses Modell gibt es in unserem Nachbarland Österreich, wo die Renten durchschnittlich 800 Euro höher sind als hierzulande.
Die Freiheitsliebe: Die Arbeitsgeberverbände wollen das Renteneintrittsalter erhöhen.
Bernd Riexinger: Das ist zynisch! Wer das Renteneintrittsalter erhöht, stellt die Menschen vor die Alternative, arm oder krank in Ruhestand zu gehen. Kein Krankenpfleger, kein Bauarbeiter, keine Erzieherin, keine Amazon-Paketbotin kann bis 68 oder 70 Jahre gesund arbeiten. Also geht es um nichts anderes als um Rentenkürzungen. Die Kapitalseite will Rentenbeiträge einsparen und zählt darauf, dass der Staat mit Steuermitteln Armutspflege betreibt. Die Linke muss für ein früheres Renteneintrittsalter kämpfen.
Die Freiheitsliebe: Was ist das wichtigste Thema, über das die Bürgerinnen und Bürger bei dieser Bundestagswahl entscheiden?
Bernd Riexinger: Wie so oft gibt es mehrere Themen. In der Pandemie ist deutlich geworden, wie groß die Verwüstung bei der öffentlichen Daseinsversorge, beispielsweise bei Bildung und Gesundheit, ist. Die Linkeschlägt deshalb eine Investitionsoffensive zum Ausbau des Öffentlichen vor. Dadurch vergrößert sich der Wohlstand für die Mehrheit der Menschen in diesem Land. Denn gerade diejenigen, die wenig haben, sind auf gute Kitas und Schulen, auf funktionierende Krankenhäuser, auf öffentliche Schwimmbäder und Bibliotheken angewiesen. Selbstverständlich geht bei dieser Bundestagswahl außerdem zentral um die Frage, wie wir den Klimawandel stoppen.
Die Freiheitsliebe: Die Folgen des Klimawandels haben sich in großer Brutalität auch in Deutschland gezeigt, jüngstes Beispiel ist die Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und im Rheinland-Pfalz. Hat die Politik dieses Thema verschlafen?
Bernd Riexinger: Verschlafen ist der falsch Ausdruck, denn für die herrschende Politik waren schlicht andere Interesse wichtiger. CDU, CSU und SPD haben der Ausbeutung des Menschen und der Natur zum Zwecke der Profitmaximierung immer den Vorrang gegeben vor einer Wirtschafts- und Lebensweise, die sich stärker im Einklang mit der Natur weiß und die natürlichen Ressourcen schützt. Hinzu kommt, dass keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen wurden, um das 1,5-Prozent-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.
Die Freiheitsliebe: Welche Maßnahmen wären das gewesen?
Bernd Riexinger: Zum einen ein schneller Ausstieg aus der Kohle bis zum Jahr 2030 bei gleichzeitigem Ausbau der regenerativen Energien, besonders Sonne und Wind. Zum anderen eine nachhaltige Mobilitätswende, die zur Reduktion des motorisierten Individualverkehrs führt, weil das Netz von Bus und Bahn ausgebaut und enge Taktung und attraktive Ticketpreise den Umstieg begünstigen. Außerdem muss mehr und mehr Güterverkehr von der Straße auf die Bahn verlagert werden. Last but not least geht es um nicht weniger als den Umbau der Wirtschaft hin zur Emissionsfreiheit bis zum Jahr 2035. Alle renommierten Wissenschaftler:innen sind sich einig: Es verbleiben rund 15 Jahre, um radikal umzusteuern. Das geht nur mit einem sozialen und ökologischen Systemwechsel.
Die Freiheitsliebe: Kann ein grüner Kapitalismus den Klimawandel aufhalten?
Bernd Riexinger: Der Kapitalismus kann keine der aktuellen Krisen bewältigen. Als System hat er die Tendenz, die sozialen Kosten auf die Gesellschaft und die ökologischen Kosten auf die Natur abzuwälzen. Und auch wenn es keine Tagesaufgabe ist, den Kapitalismus abzuschaffen, so muss die Politik Vorgaben machen, beispielsweise zum Kohleausstieg oder zur Verkehrswende. Das Ziel ist eine Wirtschaft, die nicht den Profiten, sondern den Menschen dient.
Die Freiheitsliebe: Wie sähe die Verbindung von Ökologie und Ansätzen sozialistischer Politik aus?
Bernd Riexinger: Wir sprechen bewusst von einem sozial-ökologischen Systemwechsel. Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille. Ohne soziale Gerechtigkeit wird es keinen Klimaschutz geben, weil gerade Lohnabhängige, Renter*innen und Erwerbslose befürchten müssen, auf den Kosten sitzenzubleiben. Es wird aber auch keine soziale Gerechtigkeit geben ohne Klimagerechtigkeit, da die Reichen und Superreichen den größten ökologischen Fußabdruck verursachen, während die Folgen des Klimawandels vor allem die armen Menschen treffen.
Die Freiheitsliebe: Du hast dich bereits vor zwei Jahren in deinem Buch „System Change“ für einen linken Green New Deal ausgesprochen. Warst du damit der Zeit voraus?
Bernd Riexinger: Viele Elemente dieses Buchs haben Eingang in das aktuelle Wahlprogramm der Partei die Linke gefunden haben. Unsere Partei ist in ökologischen Fragen und beim Klimaschutz besser aufgestellt als alle anderen Parteien. In vielen Kreisverbänden, an der Parteibasis gehören Klimagerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit und der Kampf gegen Rassismus zusammen. Das freut mich.
Die Freiheitsliebe: Laut einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung stürzt jeder achte Haushalt in Deutschland nach Abzug der Miete unter das Existenzminimum. Verdi-Chef Frank Werneke sagte dazu, die Miete sei der Brotpreis des 21. Jahrhunderts. Hat er recht?
Bernd Riexinger: Es ist noch schlimmer. Die hohen Mieten sind eine Enteignung der Löhne der Beschäftigten. Mieter:innen, die 40 oder 50 Prozent ihres Lohns für Miete aufbringen müssen, werden enteignet zugunsten der Vermögensbesitzer, die ihr Geld in Immobilien oder in Immobilienfonds anlegen. Die Zeit ist reif für einen bundesweiten Mietendeckel, damit die Mieten sinken. Wohneigentum in öffentlicher Hand muss ausgebaut und gestärkt werden. Große Immobilienkonzerne müssen enteignet und ihre Bestände in öffentliches Eigentum überführt werden. Der Staat muss bezahlbaren Wohnraum schaffen, so wie in Wien. Dort betragen die Mieten nur 5 oder 6 Euro pro Quadratmeter. Dafür muss man den Mut haben, sich mit der Bau- und Immobilienlobby anzulegen. Das ist eine der wichtigsten sozialen Fragen unserer Zeit.
Die Freiheitsliebe: Welchen Tipp hast du für die verbleibenden Wochen bis zum Wahltag?
Bernd Riexinger:Gemeinsam mit unseren Mitgliedern müssen wir für eine starke Linke trommeln. Wir müssen raus vor Betriebe, vor Krankenhäuser, auf Straßen und Plätze. Es geht um die maximale Mobilisierung unserer Wähler:innenschaft in den nächsten Wochen.
Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Gespräch.
Bernd Riexinger ist Mitglied der Fraktion die Linke
im Bundestag und Spitzenkandidat in Baden-Württemberg. Von 2012 bis 2021 war er Vorsitzender der Partei die Linke