Colin Powell, US-General im Ruhestand, ehemaliger nationaler Sicherheitsberater des Weißen Hauses und ehemaliger Außenminister, ist am Montag vergangener Woche an den Folgen von Covid-19 gestorben.
Powell, der im Alter von 84 Jahren starb, galt vielen in Washington als großer Staatsdiener und wurde vom ehemaligen britischen Premierminister John Major als einer der „besten Amerikaner, die nie Präsident waren“ bezeichnet.
Doch Powell hinterlässt ein blutiges Erbe im Nahen Osten – am berüchtigtsten ist seine Rede vor den Vereinten Nationen im Jahr 2003, in der er falsche Geheimdienstinformationen verbreitete, um die Invasion des Irak zu begründen, die zum Tod von Hunderttausenden irakischer Zivilisten führte.
Powells Erfahrungen als junger Soldat im Vietnamkrieg veranlassten ihn, die so genannte „Powell-Doktrin“ zu entwickeln. Der General vertrat die Ansicht, dass die Vereinigten Staaten, wenn sie in einen ausländischen Konflikt eingreifen müssten, überwältigende Kräfte mit einem massiven Truppenaufmarsch einsetzen sollten, um den Gegner auf der Grundlage klarer politischer Ziele zu vernichten. Diese Idee sollte zur treibenden Kraft hinter Powells Weg durch die Reihen des US-Militärs und später der amerikanischen Regierung werden und die Vereinigten Staaten durch verschiedene Konflikte und Operationen im Nahen Osten führen.
Im Jahr 1986 half Powell als Berater des damaligen Verteidigungsministers Caspar Weinberger bei der Koordinierung einer Reihe von Luftangriffen in Libyen als Vergeltung für den Bombenanschlag auf einen Westberliner Nachtclub, bei dem drei Menschen, darunter zwei US-Soldaten, getötet wurden. Washington machte den damaligen libyschen Staatschef Muammar Gaddafi für den Anschlag verantwortlich.
Bei den Angriffen wurden 60 Tonnen Bomben auf das Land abgeworfen, wobei vermutlich ein Dutzend libysche Soldaten getötet wurden. Die Bombardierungen trafen auch eine Reihe von Wohnhäusern und töteten eine unbekannte Zahl libyscher Zivilisten. Trotz der getöteten Zivilisten wurde der Angriff als „Erfolg“ gewertet, und Powell sollte in Zukunft größere Aufgaben im US-Militär übernehmen.
Der Erste Golfkrieg
In seiner Zeit als Vorsitzender der Joint Chiefs of Staff überwachte Powell die US-Invasion in Panama – die von einigen Völkerrechtler*innen als Verstoß gegen das Völkerrecht angesehen wird – sowie die Operation „Desert Shield“, die Anfangsphase des Ersten Golfkriegs, die einen entscheidenden Moment in der modernen Geschichte des Irak und des Nahen Ostens darstellt.
Aus Angst, dass der irakische Staatschef Saddam Hussein nach der Besetzung Kuwaits im Jahr 1990 nach Saudi-Arabien einmarschieren würde, riefen die USA eine internationale Koalition gegen Bagdad ins Leben und zogen Truppen innerhalb des Golfkönigreichs zusammen.
Die am 24. Februar 1991 begonnene Bodenoperation dauerte 100 Stunden und kostete 148 US-Soldaten und 20.000 irakischen Soldaten das Leben. Im Januar und Februar desselben Jahres wurden rund 88.500 Tonnen Bomben auf den Irak und Kuwait abgeworfen, woraufhin sich die USA als Sieger bezeichneten und Powells Popularität in Amerika stieg.
„Unsere Strategie zur Bekämpfung dieser Armee ist sehr, sehr einfach“, sagte er auf einer Pressekonferenz nach Beginn des Krieges im Januar 1991. „Zuerst werden wir ihre Versorgung abschneiden, und dann werden wir sie töten.“
Die Invasion des Irak
Zwölf Jahre später ereignete sich Powells berüchtigtster Moment: seine Verteidigung der Entscheidung, im Jahr 2003 in den Irak einzumarschieren. In jenem Jahr legte er als Außenminister vor dem UN-Sicherheitsrat die Gründe für den Krieg der USA gegen Bagdad dar. Er berief sich auf falsche Informationen und behauptete, Saddam habe heimlich Massenvernichtungswaffen gelagert.
„Meine Kollegen, jede Aussage, die ich heute mache, wird durch Quellen gestützt, solide Quellen. Dies sind keine Behauptungen. Was wir Ihnen mitteilen, sind Fakten und Schlussfolgerungen, die auf soliden Geheimdiensterkenntnissen beruhen“, sagte er in seiner 75-minütigen Rede vor dem internationalen Gremium.
Der anschließende von den USA geführte Krieg und die Besetzung des Irak zogen sich über fast ein Jahrzehnt hin und führten zum Tod von fast 200.000 irakischen Zivilisten sowie zu einer Reihe von Fällen von Misshandlungen, darunter die Folter irakischer Gefangener durch das US-Militär im Gefängnis Abu Ghraib.
Später bezeichnete er die Rede als „Schandfleck“ in seiner Bilanz und sagte 2016, die Rede sei das Resultat eines „großen Versagens der Geheimdienste“. „Ich wusste, dass ich keine andere Wahl hatte“, sagte Powell im Juli 2020 der New York Times. „Welche Wahl hatte ich denn? Er ist der Präsident“, sagte er in Anspielung auf den ehemaligen Präsidenten George W. Bush, der ihn gebeten hatte, vor den Vereinten Nationen zu sprechen.
Neben den Hunderttausenden Toten unter der Zivilbevölkerung gilt die amerikanische Invasion im Irak als Ursache für den Aufstieg des „Islamischen Staats“ (IS), der weite Teile des Iraks und des benachbarten Syriens eroberte und eine weitere von den USA angeführte Koalition dazu veranlasste, erneut im Land zu intervenieren.
Drohnen als Instrument der Verteidigung
Während die falschen Informationen, die er vor der Vereinten Nationen präsentierte, sein Vermächtnis trübten, begann Powell einige Jahre nach seiner Amtsniederlegung, wieder auf der amerikanischen Politbühne aufzutauchen.
Obwohl er Republikaner ist, unterstützte er 2008 die Kampagne des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama und später die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton im Jahr 2016. Als er als gemäßigte Stimme in der amerikanischen Politik ins Rampenlicht zurückkehrte, unterstützte Powell auch den Einsatz von bewaffneten Drohnenangriffen durch die Obama-Regierung, der zu zahlreichen zivilen Opfern geführt hatte und von mangelnder Transparenz geprägt war.
„[Obama] hat deutlich gemacht, dass es da draußen immer noch Feinde gibt, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, aber wir müssen bei der Anwendung von Gewalt vorsichtiger sein, insbesondere in Bezug auf Drohnen“, sagte er 2013.
„Drohnen sind eine sehr, sehr wirksame Waffe, und wir werden sie auch weiterhin einsetzen, aber in einem begrenzteren Rahmen, um sicherzustellen, dass wir nur hochrangige Ziele angreifen, die eine echte unmittelbare Bedrohung für uns darstellen.“ Laut einer Untersuchung von Airwars haben die USA seit 2001 mindestens 91.340 Luft- und Drohnenangriffe durchgeführt, bei denen mindestens 22.679 und bis zu 48.308 Zivilisten getötet wurden.
Dieser Text erschien zuerst auf Middle East Eye und wurde von Lukas Geisler übersetzt.
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