Olympische Spiele 1968: Der unbekannte Dritte

Wie kaum ein anderes Foto symbolisiert das Bild von den Olympischen Spielen 1968 den Kampf gegen Unterdrückung und Rassismus. Die beiden afroamerikanischen Läufer Tommie Smith und John Carlos heben bei der Siegerehrung die Faust zum „Black Power“-Gruß. Die Geschichte des dritten Mannes ist gänzlich unbekannt. Dank des italienischen Journalisten Riccardo Gazzaniga kennen wir nun auch die Geschichte von Peter Norman.

Peter Norman war ein komplett unbekannter Läufer. Alle waren von seinem Finaleinzug überrascht, denn Tommie Smith und John Carlos gingen beide als Favoriten an den Start. Doch im Finale lief Norman das Rennen seines Lebens. Für die 200 Meter brauchte er 20,06 Sekunden und gewann Silber. Es blieb die beste Zeit seines Lebens und ist noch immer australischer Rekord. Tommie Smith lief mit 19,8 die damalige Weltrekordzeit.

Bevor Smith und Carlos zum Siegerpodest schritten, unterhielten sie sich kurz mit Peter Norman. Beide trugen einen Button des Olympischen Projekts für Menschenrechte (OPHR). Das OPHR war eine schwarze Menschenrechtsorganisation, die 1967 in den USA gegründet wurde. Sie setzte sich für die Gleichberechtigung von schwarzen und weißen AthletInnen ein.

„Ich werde bei euch stehen. Ich glaube an dieselbe Sache wie ihr. Habt ihr noch so einen?“

(Peter Norman)

Beide wollten mit diesen Button auf das Siegerpodest steigen. Als Norman sah, was die beiden vorhatten, sagte er: „Ich werde bei euch stehen. Ich glaube an dieselbe Sache wie ihr. Habt ihr noch so einen?“, wobei er auf den Anstecker des Olympic Project for Human Rights deutete. „So kann ich meine Unterstützung für eure Sache zeigen.“

Black Power

Smith gab später zu, dass er mehr als überrascht von der Frage war: „Wer war dieser weiße australische Mann? Er hatte seine Silber Medaille gewonnen, kann er sie nicht einfach nehmen und damit genug?“ Neben den dreien stand Paul Hoffman, ein Aktivist des OPHR. Als er die Frage hörte, entschied er sich Norman seinen Button zu geben. So gingen alle drei gemeinsam zum Siegerpodest, Smith und Carlos gingen barfuß und hatten jeder einen schwarzen Handschuh an, Symbol des Kampfes der Black Panther. Bevor sie zum Podest gingen, bemerkten sie, dass sie nur ein Paar Handschuhe dabei hatten. Norman empfahl, ihnen das Paar zu teilen, damit jeder einen hat.

Peter Norman erinnerte sich: „Ich konnte nicht sehen was passiert war. Aber ich wusste, dass sie ihren Plan durchgezogen hatten, als die Stimme in der Menge aufhörte die amerikanische Hymne zu singen. Im Stadium kehrte absolute Stille ein.“

Im Jahr 1968 gab es auf der ganzen Welt riesige Aufstände gegen Unterdrückung, Rassismus und Kapitalismus. In den USA wurde die Bürgerrechtsbewegung immer stärker. Am 4. April 1968 wurde Martin Luther King ermordet, das führte zu einer weiteren Radikalisierung der antirassistischen Bewegung. Vor allem die Black Panthers Party wurde berühmt. Sie verbanden den antirassistischen Kampf mit einem Stolz auf ihre schwarze Hautfarbe („Black Nationalism“). Genau an diese Bewegung knüpften John Carlos und Tommie Smith an, als sie ihre behandschuhten Hände während der Nationalhymne zum „Black Power“-Gruß erhoben.

Repression des IOC

Das Bild ging um die Welt. Das Olympische Komitee (IOC) verzieh den drei Athleten für die politische Geste nie. Dieser Hass würde die Athleten den Rest ihres Lebens begleiten. Der damalige Präsident des IOC, Avery Brundage, empfand die Aktion der drei Athleten als „innenpolitische Demonstration, ungeeignet für die internationale und apolitische Idee der Olympischen Spiele“. Brundage hatte 1936 für die Teilnahme der USA an den Spielen in Nazi-Deutschland gekämpft und hatte überhaupt kein Problem mit dem Zeigen des Hitlergrußes, „da es sich um einen nationalen deutschen Gruß zu dieser Zeit gehandelt hatte“.

Am nächsten Tag schloss der IOC die drei Athleten von den Olympischen Spielen aus und verlangte ihren Heimflug. Sowohl in den USA als auch in Australien schlug den Athleten Hass entgegen. Tommie Smith und John Carlos erhielten Morddrohungen, doch sie hatten beide das Glück, dass eine politische Bewegung hinter ihnen stand. Peter Norman stand der Repression alleine gegenüber. Bei den Olympischen Spielen 1972 durfte Norman nicht starten, obwohl er die schnellsten Qualifikationszeiten für Australien lief. Norman und seine Familie wurden öffentlich verachtetet. Sie verloren ihre Jobs, erhielten Morddrohung, wurden öffentlich verspottetet und Norman durfte nie wieder für das Olympische Team laufen. „Wir wurden zwar auch fertiggemacht, aber Peter stand gegen ein ganzes Land und litt alleine“, so John Carlos.

Standhaftigkeit

Jahrzehntelang hatte Norman eigentlich nur eine Chance, wenn er ein normales Leben führen wollte: sich öffentlich für seine Tat zu entschuldigen. Hätte er das getan, hätte er über das Olympische Komitee relativ schnell einen Job gefunden. Doch in seinem gesamten Leben fand er nie auch nur ein Wort des Bedauerns für seine Tat. Norman war der beste australische Sprinter der Geschichte, doch der Sportverband lud ihn nicht einmal zu den Heim-Spielen 2000 in Sydney ein.

2006 starb Norman an einem Herzinfarkt, praktisch unbemerkt von der Öffentlichkeit. Zeit seines Lebens hatte sich die australische Regierung nie bei ihm entschuldigt. Tommie Smith und John Carlos erwiesen ihm bei seinem Begräbnis die letzte Ehre und trugen seinen Sarg. Tommie Smith bemerkte bei diesem Anlass: „Es war nicht einfach eine Geste uns zu helfen, es war auch sein Kampf. Er war ein weißer Mann, ein weißer australischer Mann neben zwei farbigen Menschen, die im Moment des Sieges aufstanden, alle im Namen der gleichen Sache.“

Filmtipp „Salute. The Movie“: Die Dokumentation Salute wurde von Matt Norman, Neffe von Peter Norman, gedreht. Sie erzählt primär die Ereignisse während der Olympischen Spiele 1968. Doch auch Normans frustrierende Zeit nach dem historischen Ereignis wird ausgiebig behandelt. In Interviews mit den beteiligten Personen Peter Norman, Tommie Smith und John Carlos erfährt man die Bewegründe der einzelnen Personen.

Der Artikel von David Reisinger erschien zunächst auf linkswende.org

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