Kunst ist politisch

Im Zuge diverser Debatten über Songs, die sich gegen Rechts aussprechen, sowie der derzeit laufenden #deutschrapmetoo-Debatte kommt immer wieder die Frage auf, ob Kunst denn unpolitisch sein könne.

In Kurzform: Es gibt keine unpolitische Kunst. Kunst ist grundsätzlich immer politisch, da sie entweder Machtverhältnisse reproduziert und somit stabilisiert oder diese Machtverhältnisse hinterfragt. Allerdings tun viele Künstler*innen ständig so, als seien sie nicht politisch, und ihre Kunst wäre halt einfach nur Kunst.

Aber ist es tatsächlich unpolitisch, wenn Ballermann-Lieder Frauen zu Lustobjekten degradieren, Männlichkeit anhand der Geilheit auf genau dieses Lustobjekt definieren und dabei Alkoholkonsum verherrlichen? Ist es unpolitisch, wenn im Rap ständig Geld als Maßstab für menschlichen Wert und Erfolg genutzt wird und somit weniger verdienende Menschen als wertloser, fauler und erfolgloser dargestellt werden? Ist es unpolitisch, wenn deutsche Komödien sich mal wieder darüber lustig machen, wer den kleinsten Schwanz hat, dass Frauen ja eh nicht einparken könnten oder dass die Tatsache, im Rollstuhl zu sitzen, an sich schon lustig ist? Ist es unpolitisch, wenn in Marvel-Filmen ein Held, in kompletter Umgehung jeglicher demokratischen Prozesse und nach ganz eigener Lust und Laune – wenn er halt mal gerade wieder in Stimmung ist – mit einem aus seinem Unternehmen finanzierten Superheldenanzug die Welt vor dem Bösen rettet?

Die Antworten auf diese Fragen sollten recht trivial sein.

Kunstfreiheit ist ebenso wie die Meinungsfreiheit dazu da, Missstände in der Gesellschaft anzuprangern und Ideologien aufzudecken, ohne dafür juristische Konsequenzen fürchten zu müssen. Allerdings ist im Umkehrschluss auch jede nicht aufgedeckte Ideologie eine Reproduktion herrschender Verhältnisse und Ideologien; und genau das ist der Kern des Konservatismus. Armin Laschet brachte es im ersten Kanzler*innen-Triell mit dem Wort „Stabilität“ auf den Punkt. Der Konservatismus sorgt für ideologische Stabilität, indem er im Grunde Verhältnisse so beibehalten möchte, wie sie sind: immer „weiter so“.

Dieser nun angeblich unpolitischen Kunst das Politischsein abzusprechen, würde im Grunde dem gesamten Konservatismus das Politischsein absprechen. Ich denke hier würden – absolut zu Recht – offenkundig Konservative selbst natürlich fundamental widersprechen. Ein Beibehalten von alten Strukturen und Ideologien sowie das Wehren gegen Veränderungen sind definitiv politisch – es ist quasi die Definition des Konservatismus. Das Argument, ein Kunstwerk, welches Ideologien nicht hinterfragt, sondern reproduziert, wäre daher unpolitisch, ist im Grunde ein bloßes Strohmannargument, um den eigenen Konservatismus – in dem Thema, um das es inhaltlich in eben diesem Kunstwerk geht – nicht preisgeben zu wollen. Dieses Strohmannargument stellt sich selbst als das unpolitische und unschuldige Lamm dar. Im Gegenzug wird dadurch aber jedes ideologische Hinterfragen und Andersmachen als das ausschließliche Politischsein hingestellt. Hierdurch wird das Politischsein an sich dämonisiert, da ich mich selbst als unschuldig und unbeteiligt verkaufen kann und jegliche Veränderung des von mir reproduzierten Status quo als politisch seiend abwerten kann.

Lukas Scholz ist Dichter und freier Autor. Ihr könnt ihm hier auf Instagram: @scholeckk und hier auf Twitter: @LukasScholz_ folgen.

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