Medellín: ehemals höchste Mordrate der Welt, heute: Vorzeigestadt mit Kunst und Kultur. Foto: Yair L. mesa, via flickr.com

Lasst uns die Stadt zurückerobern

Unsere Städte könnten so schön sein

Die Stadt der Zukunft, wie könnte sie aussehen? Grün, Digital, mit viel Komfort, ohne lärmende Autos und mit Platz für alle. Sind diese Städte realisierbar oder doch nur Utopien von Gutmenschen und Weltverbesserern? Die Antwort auf diese Frage könnte sie verunsichern.

Wie oft hat man es bereits in Ratssitzungen von Städten, Landtagen oder dem deutschen Bundestag gehört: Es ist kein Geld da. Kein Geld, um mehr Grünanlagen zu pflegen, kein Geld da, um das Internet auszubauen. Kein Geld da, um die Straßenbahnnetze zu erneuern oder gar auszubauen. Schulen schimmeln vor sich her, Schwimmbäder werden geschlossen, Grünflächen zubetoniert.

Häufig, nein, in den meisten Fällen geschieht dies gegen den Willen der Menschen, die direkt von den Beschlüssen von Rat und Parlament betroffen sind. Ihre direkten Mitsprache-Möglichkeiten begrenzen sich auf Einsicht in bestimmte Informationsquellen oder Baupläne. Eine direkte Demokratie oder gar Teilhabe an der konkreten Ausgestaltung ihrer Stadt haben sie selten. In NRW und weiteren Bundesländern gibt es zwar die Möglichkeit von Bürgerbegehren und Bürgeranträgen. Die Hürden dafür sind jedoch hoch und zeitlich sehr aufwendig.

Dabei haben die meisten Einwohnerinnen und Einwohner einer Stadt klare Vorstellungen davon wie sie aussehen sollte: Mehr Grün hier, weniger lärm dort. Mehr Naherholungsgebiete, besser getakteten Bus- und Bahnverkehr. Manche wollen Urban Gardening machen, andere wollen einen Hundeplatz um die Ecke. Vieles davon wäre realisierbar, wenn es nicht um den schnöden Mammon ginge – und wenn die Bürgerinnen und Bürger einer Stadt in die Prozesse involviert wären. Häuser könnten mit hängenden Gärten begrünt werden. Die Autoverkehr aus den Innenstädten verbannt und im Zweiten Weltkrieg zerstörte Altstädte wieder aufgebaut werden. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Kosten & Kostenlos

Die größte Ausrede von Kommunal- und Spitzenpolitikerinnen ist das nicht vorhandene Geld: Die Stadt sei hoch verschuldet, der Staat ebenso. Die Schuldenbremse verhindere neue Investitionen. Stimmt auch alles. Darum müssen neue Regelungen her und andere Weg: Die Schuldenbremse müsste als erstes aus den Verfassungen der Länder und des Bundes verschwinden: Deutschland ist zur Zeit in der bequemen Lage, sich Kredite ohne Zinsen zu beschaffen. Es wäre also die ideale Gelegenheit, alte Kredit abzulösen und zu Investieren: In Schulen, den Nahverkehr, Umweltschutz, erneuerbare Energien, Universitäten – schlicht alles, was das Leben lebenswert macht. Doch CDU & SPD halten mantraartig an der Schuldenbremse fest.

Etliche Vorhaben wären auch ohne Geld realisierbar, wenn man die Menschen lassen würde: Es könnten die Innenstädte ergrünen, würde man Teile der Versiegelungen, also des Betons entfernen. Kleingärtner und Gärtnereigemeinschaften würden sich freuen: Platz für die städtisch gezogene Tomate, neue Bäume und grüne Wiesen würde entstehen. In den meisten Fällen würde es die Stadt wenig kosten, würde sie die Kooperation mit den ehrenamtlichen suchen. Gleichzeitig könnten Städte neue Jobs schaffen, die sich um bereits bestehende Grünanlagen kümmern.

Versteckte Kosten

Häufig verstecken sich in Haushalten von Städten, Landkreisen, Ländern und des Bundes versteckte Kosten. Mal wird eine Subventionierung der Autoindustrie als Förderung versteckt, mal der Ausbau des Straßennetzes in verklausulierten Formulierungen. Würde man versuchen, die Ausgaben für den privaten motorisierten Verkehr, also den Verkehr mit Autos und Mottorädern, nachzurechnen, säße man Monate daran und wüsste am Ende noch immer nicht, ob alle Maßnahmen aufgedeckt wären. Im Gegenteil zum öffentlichen Nahverkehr ist dieser gut getarnt.

Woher das Geld nehmen?

Es gibt genug Möglichkeiten: Eine Vermögenssteuer, eine Millionärssteuer oder eine richtige Erbschaftssteuer wären nur drei Möglichkeiten, um dem Staat jährlich Milliarden in die Kassen zu spülen. Dazu müsste nur der politische Wille vorhanden sein. Die Bundesländer müssten in ihren Finanzämtern wieder mehr Steuerprüfer einstellen – jeder einzelne bringt den Ländern Millionen ein. Das Militärbudget könnte gesenkt werden, wenn die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen zurückgezogen würde und auf Angriffstechnologien verzichten müsste. Dann würde man in einzelnen Städten nicht darüber debattieren, ob die Schultoilleten ein- oder zweimal am Tag sauber gemacht werden müssten. Man würde einfach sagen: So häufig, dass sie sauber bleiben.

Der Weg dorthin wird nicht leicht sein: Bis sich die politischen Rahmenbedingungen nicht ändern, werden sich engagierte Anwohnerinnen und Anwohner in Interessengemeinschaften gegen die städtische Bürokratie und das Menetekel Bundespolitik wehren müssen. Gemeinsam können sie, dank Bürgerbegehren, zumindest einzelne Projekte realisieren oder Projekte, die die Stadt entgegen dem Willen der Betroffenen umsetzen möchte, verhindern. Die Stadt ist der Ort, in dem wir einen Großteil des Lebens verbringen. Es ist ein Ort, den sich die Gesellschaft zurückerobern muss.

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