Hannah Arendt und ihre Bedeutung für die Linke

Hannah Arendt – geboren 1906 in Hannover, gestorben 1975 in New York, eine der bedeutendsten politischen Theoretikerinnen und Philosophinnen unserer modernen und postmodernen Gesellschaft. Sie studierte Philosophie, Theologie und Griechisch bei Heidegger, Jaspers u.a. und war lange Zeit als freie Schriftstellerin und Dozenten tätig. Sie lehrte in Chicago und zuletzt in New York im Fach Politische Theorie.

Was für eine Rolle spielt sie für uns Linke heute noch? Welche ihrer Gedanken können wir in unsere politische Theorie einbauen?

Manch einer denkt sofort daran, dass Hannah Arendt nur Philosophin war und sich mit dem Denken der Großen auseinandersetzte. Doch dass das nicht richtig ist, beweist schon der Titel eines ihrer Bücher Über die Revolution, wo sie intensivst die Revolutionen in Frankreich und Amerika studierte. Eingangs nimmt sie sogar Bezug auf ein Lenin-Zitat und führt immer mal wieder in ihrem Korpus Marx als Quelle auf.

Arendt und Marx

Auf Marx’sche Philosophie bezog sie auch ihr philosophisches Hauptwerk, was heute zum Tragen kommt, wenn wir über das Leben debattieren. Vita activa – oder Vom tätigen Leben ist der Titel des Buches und fasst auf knapp 400 Seiten Text ihre Sicht auf das menschliche Leben zusammen. Vita activa bedeutet für Hannah Arendt das Leben in Form von Arbeiten, Herstellen und Handeln. Diese drei wichtigen Dinge, die den Menschen zu dem machen, was er ist, ist das Resultat aus einer Kritik und Erweiterung der Marx’schen Haltung, was Arbeit und Konsum angeht. Für Arendt gibt es nämlich mehr als das und der Prozess der Arbeit und das arbeitende Wesen führt weit mehr aus, als bloße Arbeit.

Vita activa

Arbeiten bedeutete das Leben unterhalten und konsumieren. Sie führt noch nicht zum Ziel, denn für Hannah ist es nicht lebenswert, nur zu arbeiten, um zu existieren und zu konsumieren. Deshalb stellen die Menschen her: Handwerker und andere Schaffende konstruieren Dinge, die Bestand haben und mehrere Generationen überdauern und so einen gewissen Wert besitzen, der sich allerdings abnutzt. Das höchste Gut des Menschen ist allerdings das Handeln, welches im öffentlichen Raum stattfindet, wo sämtliche Charaktere zusammentreffen. Dort entsteht in Rede und Widerrede etwas, was die Gesellschaft als Ganzes stärkt und voranbringt.

Diese drei Grundlegenden Tätigkeiten sind für Hannah Arendt ausschlaggebend und weisen auf mehr als nur das hin, wofür wir eigentlich kämpfen: sie skizziert mit dieser Theorie ein Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, welche jedem einzelnen Individuum nützen und die auch jedes Individuum beteiligt – beim Arbeiten oder im öffentlichen Raum.

Auf diese Grundlage stützt Arendt auch ihre Kritik an der Ausprägung von Bürokratien in sämtlichen System der modernen Welt. Diese elitären Gebilde hatten ihrer Meinung nach schon in den 50er Jahren dafür gesorgt, dass sich Menschen immer weiter vom Handeln entfernten und so in ihrer politischen Handlungsfreiheit eingeschränkt wurden, weil nur diese Eliten wirklich handeln konnten.

Kritik am Totalitarismus

Seit der Machtergreifung der Nazis und schon weit vorher, war für die „nicht bewusste“ Jüdin klar, dass totalitäre Systeme – Stalinismus, Nationalsozialismus – ein Unding für Menschen darstellen. Die analysierte sie in ihrem fundierten Werk Elemente und Ursprung totalitärer Bewegungen und betrachtete hierbei die Entwicklung des Antisemitismus und seiner Formen. Sie sah als eine Grundlage der Ausbreitung dieses Hasses gegenüber Jüdinnen und Juden den Imperialismus nach Rosa Luxemburg und machte schlussendlich totalitäre Systeme mit ihren Machthabern dafür verantwortlich, dass sich das politische Bewusstsein der Menschen immer mehr verkleinerte. So würden die Individuen immer mehr von Handeln entfremdet und ihrer Fähigkeiten, frei handeln zu können, beraubt.

Was nehmen wir mit?

Ihr Schaffen und ihr gesamter Kanon spielt eine wichtige Rolle im täglichen politischen Engagement, nehmen wir doch als Linke bewusst unsere Fähigkeit des Handelns wahr und treten in den Kampf gegen Ausbeutung und Ungerechtigkeit. Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der jedes Individuum teilhaben kann und sich an der öffentlichen Diskussion beteiligt. Wir wollen all das, was die Menschen auszeichnet erhalten und denen die Macht geben, die sie wirklich haben sollten. All das sind Punkte, für die auch Hannah Arendt stand und die sie in schmerzlichen Debatten über ihre Werke verteidigt hat. Sie sorgte zu Lebzeiten für Aufruhr, war sie gewagt und hatte den Mut, manchmal Dinge zu schreiben, die sonst keiner schrieb. Innerhalb unserer Bewegung sollten wir uns viel mehr damit befassen, was sie uns hinterließ, denn es lohnt sich, alleine weil sie an ein gutes und schönes Leben glaubte und daran auch festhielt.

Ein Beitrag von Reik Jaša Kneisel, er studiert Slavistik und Kunstgeschichte in Dresden und ist aktiv in der Linksjugend solid.

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