Warum unser Feminismus klassenkämpferisch, antirassistisch und internationalistisch sein muss
Feminismus ist wieder in, nahezu jeder Popstar und jede Schauspielerin tragen Shirts mit feministischen Sprüchen oder bringen eigene „The future is female“-Kollektionen heraus, Netflix hat eine eigene Kategorie für Filme mit „starken weiblichen Hauptrollen“.
Seit einigen Jahren entsteht weltweit eine neue Frauenbewegung: insbesondere junge Frauen wehren sich im Internet und auf den Straßen gegen das Patriarchat. Die Forderungen der lateinamerikanischen „Ni Una Menos“ („Nicht eine weniger“)-Bewegung sind eindeutig und erschreckend in ihrer Dringlichkeit: Hört auf uns umzubringen. Hört auf uns zu vergewaltigen. Seit #metoo wird auch in Deutschland öffentlicher über sexistische Gewalt diskutiert.
Dass jeden dritten Tag in Deutschland eine Frau, wegen ihres Frau-Seins, ermordet wird und jeden Tag weltweit 500 Frauen an den Folgen illegalisierter Abtreibungen sterben, sind genug Gründe für die Forderungen der Frauenbewegung zu kämpfen.
Fotos von Demonstrationen in
der Weimarer Republik zeigen Transparente mit dem Slogan „Weg mit §218“. Dieses
Jahr haben mit dem gleichen Slogan viele Frauen in Deutschland protestiert,
denn in den letzten hundert Jahren hat sich beim Recht auf Selbstbestimmung
nicht so viel getan. Der Paragraph zum Verbot von „Werbung für Abtreibungen“
wurde medial viel diskutiert. Dabei ist die Sache eigentlich klar: My Body – my
Choice!
Warum kann der Staat dies nicht akzeptieren und mischt sich mit Gesetzen in
unseren Uterus ein?
Weil die Fähigkeit, Kinder zu gebären für den Staat wichtig ist. Das Wirtschaftssystem, in dem wir leben, ist strukturiert nach den Prinzipien von Profit und Privateigentum. Die Rolle von Frauen, in Deutschland und weltweit, ist es nach wie vor, neue Arbeiterinnen und Arbeiter zu gebären, zu erziehen und zu ernähren.
Auch mit Gleichheitsgesetzen und Frauenbeauftragten ist unsere Gleichheit nur auf dem Papier existent: schlecht oder gar nicht bezahlte Arbeit, Altersarmut, Luxussteuern auf Tampons und Binden, kaum Kitaplätze und die Pflegekrise sind nur einige Beispiele. Dabei wird deutlich: Das Geschlecht eint uns, aber die Klasse trennt uns. Alle Frauen sind von Sexismus unterdrückt, aber aufrechterhalten wird Sexismus, um die Arbeiterinnen zu unterdrücken und die arbeitende Klasse zu spalten.
In einer Welt, die echte Gleichheit ermöglicht, wäre es nicht denkbar, dass sich Menschen an der Arbeit anderer bereichern. Mit einem Ende dieses Profitsystems, das sich „Demokratie“ nennt, in Wirklichkeit aber eine Herrschaft der Reichen und Besitzenden ist, werden erst die Bedingungen geschaffen, für freie und solidarische Beziehungen und Formen des Zusammenlebens.
Dennoch darf dieses Wissen über den Nutzen von Sexismus für das Kapital nicht bedeuten, dass wir unsere miese Situation heute akzeptieren und einfach auf die Revolution warten. Natürlich kämpfen wir für das Recht auf Abtreibung, gegen Prekarisierung, für kostenlose Kitaplätze. Und auch dafür, dass Feminismus nicht als nebensächliches Randthema gesehen wird, sondern als zentraler Teil eines Kampfes für den Sozialismus.
Unsere besten Verbündeten sind dabei unsere Klassengeschwister, unsere Kolleginnen und Kollegen. Denn unser Ziel ist das gleiche: Das Ende der Ausbeutung. Das Narrativ über die deutsche Arbeiter*innenklasse erzeugt ein weißes, männliches Bild. Das entspricht nicht der Realität. Die Arbeiter*innenklasse in Deutschland ist multiethnisch und auch weiblich. Ausbeutung und Unterdrückung sind so untrennbar miteinander verbunden, dass wir beides gemeinsam besiegen müssen.
Diesen Kampf können wir nur mit der gesamten Arbeiter*innenklasse gewinnen, denn die Arbeiter*innen sind diejenigen, die aufgrund ihrer Stellung im Produktionsprozess in der Lage sind, dieses System zu stürzen und das Privateigentum an Produktionsmitteln aufzuheben. Heute wird die Klasse gespalten in Männer und Frauen, aber zum Beispiel auch in „einheimisch“ und „ausländisch“.
Um diese Spaltungen, die uns schwächen, zu überwinden, brauchen wir ein Programm gegen Unterdrückung, das für ein Ende der künstlichen Trennung der Arbeiter*innen- und der Frauenbewegung eintritt.
In Arbeitskämpfen erleben wir, wie wichtig es ist, sich anhand von gemeinsamen materiellen Interessen zu organisieren und nicht anhand von scheinbaren Gemeinsamkeiten. Schließlich ist meine Chefin vielleicht auch eine Frau, aber wenn es darum geht, meine Lebensbedingungen zu verbessern, muss ich mit meinen Kollegen gegen meine Chefin stehen.
Gerade weil wir ein gemeinsames Ziel haben, können wir die Unterdrückung eines großen Teils unserer Klasse nicht ignorieren. Die Rolle, die Frauen zugeschrieben wird, findet überall ihren Ausdruck. So sehen wir bei langandauernden Streiks oft unterproportional wenige Frauen, denn häufig müssen sich während des Streiks noch um Kinder kümmern. Sexistisches Verhalten und sexualisierte Gewalt gibt es auch in linken, progressiven Kontexten. Um eine Gesellschaft ohne Sexismus zu errichten, müssen wir die arbeitenden Frauen als Kämpferinnen ernst nehmen, mit ihnen die Diskussion suchen und für konkrete Verbesserungen kämpfen, die es ihnen ermöglichen, politisch aktiv zu werden.
Die Erfahrungen der Frauen in feministischen Bewegungen können ihnen dabei eine
Avantgarderolle in der Wiederbelebung der Arbeiter*innenbewegung geben. Die
Erfahrungen sind ähnliche. Der Kampf für das Recht auf Abtreibung
beispielsweise ist ein Kampf in dem die soziale Position und die
Klassenzugehörigkeit der Frauen eine zentrale Rolle spielt. Während reiche,
besitzende Frauen umfassenden Zugang zu
Informationen haben, sich teure Verhütungsmittel leisten können oder in
Abtreibungskliniken z.B. in die Niederlande fahren können, bedeutet für viele
Frauen auf der Welt eine ungewollte Schwangerschaft oft den Tod. Kinder zu
bekommen ist eine Entscheidung, die nicht frei getroffen werden kann, wenn
Sozialsysteme so schlecht sind, dass dem Kind kein gutes Aufwachsen garantiert
werden kann.
Eine Grenze für diese Perspektive existiert sowohl in der Arbeiter*innen- als auch in der Frauenbewegung. In feministischen Bewegungen treffen unterschiedliche Interessen aufeinander: der kämpferische Wille der meisten gegen die Hoffnung auf Karriereoptionen und gutes Marketing einiger. Die feministische Bürokratie, die mit der Kooptierung der zweiten Welle der Frauenbewegung durch staatliche Institutionen entstand, ist eine unserer größten Feindinnen. Genau wie in den Gewerkschaften gibt es kleine Kreise vermeintlicher Expert*innen, die Entscheidungen treffen und versuchen Bewegungen in ruhige Bahnen zu lenken, an deren Ende eine Diversity-Institution oder 0,7% mehr Lohn stehen, die Ursachen von Sexismus und Armut jedoch unangetastet bleiben. Ähnlich sieht es in den Gewerkschaften mit der Gewerkschaftsbürokratie aus.
Um nicht bei minimalen Verbesserungen stehen zu bleiben, müssen wir eine internationale Frauenbewegung aufbauen, die erkennt, dass ihre Befreiung in der Befreiung der Arbeiter*innen liegt, also im Sturz des Kapitalismus.
Nicht nur das Kapital organisiert sich über Ländergrenzen hinweg, mit multinationalen Unternehmen und globalem Handel. Auch die Unterdrückung von Frauen funktioniert anhand weltweiter Machtverhältnisse. Die imperialistischen Länder nutzen „Frauenrechte“ als Vorwand für Kriege aus wirtschaftlichen Interessen und für rassistische Abschottung der Festung Europa.
Die Aufgabe von Revolutionär*innen in Deutschland ist es natürlich gegen den deutschen Staat und das deutsche Kapital zu kämpfen und damit praktische Solidarität mit den Menschen in anderen Ländern zu leisten, die gegen die Ausbeutung durch deutsche Unternehmen und die Kriege, gefüttert von deutschen Waffenexporten, kämpfen. Unsere Aufgabe ist es, hierzulande beispielsweise Solidarität mit der palästinensischen und kurdischen Bewegung zu leisten und uns gegen ihre Kriminalisierung durch den deutschen Staat zu stellen. Dabei ist das vor allem auch in unserem eigenen Interesse:
Die Struktur des kapitalistischen Systems ist immer international und so ist unser Internationalismus notwendig für den Sieg übers Kapital. Internationalismus ist nicht nur ein Standpunkt, von dem aus wir analysieren, sondern auch unsere Strategie und Praxis für den Kommunismus.
Wenn wir an „Ni una menos“ denken, an das Referendum in Irland, an den 8M im Spanischen Staat, an den Czarny-Protest in Polen, sehen wir, die Macht, die in internationalistischen Kämpfen liegt: Wenn wir streiken, steht die Welt still.
Ein Artikel von Tabea Winter, sie ist Studentin in Berlin und Mitglied bei klassegegenklasse und Organize:Strike.