Weiter so – Spaniens Sozialisten machen Rajoy zum Regierungschef

10 Monate nach der letzten regulären Parlamentswahl haben Spaniens Sozialisten der PSOE das getan, was sie lange verhindern wollten: Mariano Rajoy, den Parteivorsitzenden der rechten Volkspartei PP erneut zum Ministerpräsidenten machen. Dieser führt nun eine Minderheitsregierung an, bedanken kann sich der äußerst unpopuläre Rajoy zunächst bei der PSOE, die im Geiste vieler anderer sozialdemokratischen Parteien in Europa den Weg für eine rechts-neoliberal geprägte Regierung freigemacht hatte. Aus Kalkül ziehen die Sozialdemokraten eine solche wohl einer dritten Wahl vor, denn laut Umfragen wäre diese wohl noch viel bescheidener ausgefallen, als die beiden vorangegangenen. Für Podemos besteht nun die Chance sich als Spaniens echte linke Kraft zu profilieren.

Es war ein langer Kampf, den der geschäftsführende Ministerpräsident der regierenden PP, Mariano Rajoy, die letzten Monate führen musste. Mit aller Macht wollte er an der Spitze stehen, im wahrsten Sinne des Wortes, denn keiner in Spanien sitzt Krisen so gut aus, wie der knorrige Mann aus Spaniens Nordwesten, der Provinz Galizien. Seit 2011 ist er Regierungschef, enger Verbündeter der Brüsseler und Berliner Architekten der Sparpakete, die bereits eine stattliche Liste an Ländern in den finanziellen und gesellschaftlichen Ruin getrieben haben. Auch in dieser Legislaturperiode wird Rajoy versuchen die Pläne der Troika so gut es geht umzusetzen, ob dies gelingen wird, ist angesichts der Mehrheitskonstellation aber mehr als fraglich. Für jedes einzelne Regierungsprojekt – so zum Beispiel der seit einem Jahr auf Eis liegenden Haushalt inklusive der 5,5 Milliarden Euro Einsparung an Ausgaben, die Madrid den internationalen Kreditgebern zusagt – muss er nun Mehrheiten suchen. Es wird eine Art Herkulesaufgabe, denn gerade in Spanien wurde eines bewiesen: die Parteien sind alles andere als zu Kompromissen bereit, das politische Klima ist durch die Geschichte noch immer vergiftet, und der Prozess das traditionelle Zweiparteiensystem („bipartidismo„) hinter sich zu lassen, gestaltet sich bekanntermaßen sehr schwierig.

Es wirkt nun noch viel mehr wie ein absurdes Schmierentheater, das die Parteien den Wähler*Innen gegenüber vorgeführt haben. Monatelang bekämpfen sich PSOE, Podemos, die rechts-liberale Ciudadanos-Partei, sowie die amtierende PP bis auf’s Blut, reden von Neuanfang und Instabilität die die 300-tägige regierungslose Zeit dem Land bringt. Gerade auch an der Person Mariano Rajoys schieden sich die Geister der möglichen Koalitionspartner von Ciudadanos und PSOE. Zu sehr sei er behaftet mit Spaniens wirtschaftlichen und politischem Niedergang, er und seine Partei sind seit Jahrzehnten berüchtigt für Korruptionsskandale, Veruntreuung von Geldern, unerlaubter Parteienfinanzierung, dem ganzen Spektrum der Intransparenz und eines verqueren Demokratie- und Rechtsstaatsverständnisses. Auch die Ciudadanos, einer der beiden Neulinge in der spanischen Politik, lehnten Rajoy als Vertreter des alten spanischen Konservatismus ab, wollten sie mit ihrem charismatischen Parteiführer Albert Rivera doch auch als Verfechter des cambios stehen. Nun haben sie einer PP-Regierung mit genau dieser Person ihre Unterstützung gegeben, 35 Abgeordnete der Ciudadanos votierten für Rajoy, 137 aus Reihen der PP, plus die Enthaltung der PSOE. Das macht die kleinste Regierungsfraktion in Spaniens jüngerer Geschichte, die die Wahl von Juni 2016 hervorbrachte.

Eine PSOE ohne Ideale – eine Chance für Podemos?

Pedro Sánchez, ex-PSOE-Chef im Bürgergespräch. Foto: psoe extremadura, licensed under CC BY 2.0, Pedro Sánchez y Guillermo Fernández Vara, via flickr.com
Pedro Sánchez, ex-PSOE-Chef im Bürgergespräch. Foto: psoe extremadura, licensed under CC BY 2.0, Pedro Sánchez y Guillermo Fernández Vara, via flickr.com

Pedro Sánchez, ehemaliger Generalsekretär der Sozialdemokraten nahm kürzlich erst seinen Hut, wollte wohl persönlich nicht als Königsmacher in die Geschichtsbücher der PSOE gehen. Den Job übernahmen nun seine Kolleg*Innen in der Fraktion, enthielten sich der Stimme, und machten so mit einer einfachen Mehrheit genau diesen Mariano Rajoy wieder zum Regierungschef. Das Argument, sie sind damit ihrer Verantwortung als Staatspartei gefolgt, ist sehr dünn. Eher wollte man eine zweite Nachwahl verhindern, die der PSOE noch mehr Stimmen gekostet hätte, für eine echte links-alternative Regierung, die ebenfalls eine Minderheitsregierung gewesen wäre, haben sich Sánchez und Co monatelang gesperrt. Stattdessen wurde gegen Podemos, den möglichen Koalitionspartner von links, ein harter Wahlkampf geführt. Es ging nicht nur um linke Wählerstimmen, die Pablo Iglesias Wahlbündnis der alten PSOE streitig machen wollte, es war auch ein Konflikt der Ideologien: Um die Interessen der Eliten zu sichern, hat der rechte Flügel der PSOE, zusammen mit der Wirtschaft und der konservativen Medien, einem Bündnis mit Podemos klare Absagen erteilt. Stattdessen fungiert die Partei jetzt als Türöffner einer rechtskonservativen Minderheitsregierung. Alle Versuche Rajoy und seine Volkspartei da als Übel darzustellen, ihren Haushalt wie auch andere Vorhaben zu blockieren, erscheinen nur noch erbärmlicher, denn trotz wenig vielversprechender Umfragewerte könnte das der Partei noch mehr schaden.

Die kommende Legislaturperiode wird für die meisten Spanier*Innen nichts Gutes bringen können, außer sie gehören zum privilegierten Kreise der Polit-, Wirtschafts- und Finanzelite. Rajoys Gestaltungsspielraum ist durch die von der Troika gesetzten Spielregeln ohnehin limitiert, aber nun wird er auch noch mit der Schwierigkeiten einer Minderheitsregierung konfrontiert sein, die sich jede Mehrheit neu erstreiten muss. Die EU-Auflagen einer rigoros durchgeführten Sparpolitik auf Kosten der Bürger*Innen werden genauso weitergehen wie die ungelöste Problematik um die separatistischen Bestrebungen der katalanischen Regionalregierung. Es ist bekannt, dass gerade rechtskonservative Regierungen in Madrid die Spaltung des Landes vorangetrieben haben, die Gräben zwischen oben und unten, die sich seit der Austeritätspolitik drastisch verschärft haben, all die sozialen Fragen, die durch Nationalismus und erbarmungslosen neoliberalen Konservatismus nun auch ethnische sind. Der gesellschaftliche Frieden, wie auch in anderen gerade südeuropäischen Ländern, ist praktisch ausgehebelt im Spanien nach Franco, dafür stehen gerade die Eliten, die sich jetzt bei der Wahl zum Ministerpräsidenten zusammengetan haben. Die Spanier*Innen, die weiterhin für soziale Gerechtigkeit und die Einhaltung von Grundrechten kämpfen wollen, werden möglicherweise in Podemos ihren champion finden. Bereits am gestrigen Tage protestierten tausende auf der Straße gegen Rajoy, seine politischen Verbündeten, und die damit verbundenen politischen Entscheidungen in der Zukunft. Ein richtig guter Tag wird die morgige Ernennung Rajoys durch König Felipe VI. selbst für den neuen alten Ministerpräsidenten nicht wirklich werden, wenn er daran denkt, was alles auf ihn zukommen mag.

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