US-Atomwaffen endlich abziehen!

Mitten in der Corona-Krise plant die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die Erneuerung atomar bestückbarer Kampfjets. Innerhalb der Regierungskoalition tun sich entlang der Frage atomarer Aufrüstung breite Gräben auf. Die SPD muss sich endlich an der Seite der LINKEN klar für eine atomare Abrüstung, gegen die Anschaffung von Kampfjets und die Schließung des US-Atomwaffenstützpunktes Büchel positionieren, argumentiert Christine Buchholz.

Während sich die Welt wegen der Corona-Pandemie im Ausnahmezustand befindet, versuchte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im April, sicherheitspolitische Fakten zu schaffen. Am Koalitionspartner SPD vorbei entschied sie über die Beschaffung von 138 neuen Kampfflugzeugen der Typen Eurofighter und F-18. Bei der Bestellung der Jagdbomber handelt es sich um das teuerste Rüstungsvorhaben der letzten Jahre – und obendrein um ein besonders brisantes. Die 30 Kampfbomber vom Typ F-18 dienen nämlich dem Transport und dem Abwurf von Atombomben.

In der SPD regte sich daraufhin Widerstand. Am 3. Mai 2020 sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich im Tagesspiegel-Interview: „Atomwaffen auf deutschem Gebiet erhöhen unsere Sicherheit nicht, im Gegenteil. Es wird Zeit, dass Deutschland die Stationierung zukünftig ausschließt.“ Auch der SPD-Ko-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans stellt die sogenannte „nukleare Teilhabe“ fundamental in Frage. Damit verschärft sich ein seit langem innerhalb der Regierungskoalition schwelender Konflikt.

Aber der Reihe nach: Worum geht es? Offiziell verfügt Deutschland über keine Atomwaffen. Laut der NATO-Doktrin der sogenannten „nuklearen Teilhabe“ verpflichtet sich die Bundeswehr jedoch, Bomber bereitzustellen, die im Ernstfall Atomwaffen über ihrem Ziel abwerfen sollen. In diesem Zusammenhang lagern die US-Streitkräfte auf einem separaten Gelände innerhalb des Fliegerhorsts der Bundeswehr bei Büchel in der Eifel bis zu 20 Atombomben. Dort ist das „Taktische Luftwaffengeschwader 33” stationiert, das als einziger fliegender Verband der deutschen Luftwaffe für den Einsatz dieser Waffen ausgebildet wird. Als fliegende Plattformen stehen dafür auf dem Fliegerhorst rund 40 Mehrzweckkampflugzeuge vom Typ Tornado zur Verfügung.

Auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel lagern bis zu 20 Atombomben. Dort ist auch das „Taktische Luftwaffengeschwader 33” stationiert. By Stahlkocher, Wikimedia Commons, licensed under CC BY-SA 3.0.

Vor Ende seiner Amtszeit billigte US-Präsident Barack Obama ein Programm zur Modernisierung nuklearer Bomben. Ab dem Jahr 2020 sollen die Bomben vom Typ B61-12 in Serienfertigung gehen und die bisher in Büchel lagernden Nuklearwaffen ersetzen. Schon jetzt besitzen die in Büchel lagernden Atombomben die jeweils 13-fache Sprengkraft der Hiroshima-Bombe. Die neuen Bomben sollen präzise lenkbar sein. Eine neue Abbremstechnik und ein Zündverzögerungsmechanismus erlauben den Abwurf in niedrigen Höhen, während dem Trägerflugzeug genügend Zeit bleibt, vor der eigenen Bombe zu fliehen. Zudem soll die Sprengkraft variabel dosierbar sein. Zusammengenommen bedeutet das: Die Vorwarnzeiten und Abfangmöglichkeiten werden verringert, der Einsatz der Atombomben wird wahrscheinlicher.

Was hat es mit Kramp-Karrenbauers Vorstoß auf sich? Laut der Militärischen Luftfahrstrategie des deutschen Verteidigungsministeriums soll der Tornado ab 2025 verschrottet werden. Als Grund hierfür werden die steigenden Kosten für die Ersatzteilbeschaffung aufgrund des hohen Alters des Waffensystems herangezogen. Wie genau die Nachfolgelösung aussehen sollte, darüber herrschte in der Regierungskoalition bislang Uneinigkeit.

Einerseits macht die Rüstungsindustrie bei der Entscheidung um die milliardenschwere Nachfolge der Tornado-Kampfbomber Druck: Aus der bayerischen Airbus-Rüstungssparte kommt massiver Druck, den Eurofighter zu kaufen. Unter der SPD-Wählerschaft ist das Projekt hochgradig unbeliebt. Halbherzige Abrüstungsrhetorik wie die des Kanzlerkandidaten Martin Schulz im Wahlkampf 2017 erwies sich jedoch als zahnlos. Die Teilnahme Deutschlands an der nuklearen Teilhabe wurde bislang von keiner Regierung unter SPD-Beteiligung ernsthaft in Frage gestellt.

Das eigenmächtige Vorgehen der Verteidigungsministerin in der Frage der Tornado-Nachfolge rief innerhalb der SPD Kritik am Vorgehen hervor. Den Vorwurf, die SPD stelle den Kauf neuer Atombomben tragender Flugzeuge in Frage, wies SPD-Mann Fritz Felgentreu jedoch prompt staatsmännisch zurück: „Mein Anspruch als Regierungspartei ist, über die Tornado-Nachfolge zu entscheiden – aber bitte auf Basis aller Prüfergebnisse. Die liegen uns nicht vor“. Dagegen stellen Rolf Mützenich und Norbert Walter-Borjans die Nukleare Teilhabe grundlegend in Frage – das ist längst überfällig. 

Die Corona-Krise offenbart die eklatanten Defizite der deutschen und europäischen Gesundheitsinfrastruktur. Das unterstreicht einmal mehr die Absurdität des Rüstungsvorhabens: Schätzungen von ICAN und IPPNW zufolge sollen sich die Kosten allein für die Beschaffung der atomwaffenfähigen F-18 auf rund 7,5 Milliarden Euro belaufen – eine Summe, für die man nach Angaben der IPPNW-Studie 100.000 Intensivbetten und 30.000 Beatmungsgeräte sowie die Gehälter von 60.000 Pflegekräften und 25.000 Ärzten für ein Jahr finanzieren könnte.

Zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie und der zu erwartenden Krise brauchen wir mehr Geld für Schutzmasken, Menschen in Pflegeberufen und den Ausbau des Gesundheitssystems – keine neuen Rüstungsprojekte. Die LINKE fordert schon lange die umgehende Beendigung der nuklearen Teilhabe und der damit zusammenhängenden Beschaffungsmaßnahmen. In einem heute in den Bundestag eingebrachten Antrag[AM-MCB1]  fordern wir außerdem, dass die für die nukleare Teilhabe vorgesehenen Haushaltsmittel umgewidmet werden und für die Stärkung der Gesundheits-Infrastruktur in der Bundesrepublik, sowie für die Weltgesundheitsorganisation WHO, zur Verfügung gestellt werden.

Als Teil der Regierungskoalition hat die SPD außer Lippenbekenntnissen bislang nichts unternommen, um den Rüstungswettlauf zu beenden und die lange überfällige Ächtung und den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland voranzutreiben. Die Mehrheit der Bevölkerung fordert den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland. Die SPD muss sich endlich klar für atomare Abrüstung positionieren. Die klare Haltung Mützenichs und Walter-Borjans‘ sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wir werden die SPD an ihren Taten messen. Die Atombomben müssen umgehend aus Büchel abgezogen werden, der Rüstungswahnsinn muss beendet werden und die Gelder umgewidmet werden.


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