Trumps brandgefährliches Säbelrasseln gegen den Iran

Wenn sich Washington entschließt, den Weg der Hetze und der Konfrontation gegen den Iran weiterzugehen und sich tatsächlich weigert, Teheran die Einhaltung des Iran-Nukleardeals aus dem Jahr 2015 zu bescheinigen, könnte sich die Welt bald neben Nordkorea einer zweiten Atomkrise gegenübersehen.


Während seiner ersten Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in diesem Monat nutzte US-Präsident Donald Trump die Gelegenheit, um vor allem gegen zwei Länder zu hetzen.

Er erklärte Nordkorea – oder die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK), wie sich Pjöngjang selbst bezeichnet – als „verkommenes“ Regime mit einer „verdorbenen“ Mentalität, welches aus einer „Bande von Verbrechern“ besteht und mit „Atomwaffen und ballistischen Raketen“ ausgestattet ist. Trump drohte damit, das Land „vollständig zu zerstören“, wenn sich die USA in die Ecke gedrängt fühlen.

Abschuss nordkoreanischer Interkontinentalraketen. By Mariusstad, Wikimedia Commons, licensed under CC BY-SA 4.0 (cropped).

In derselben Weise labelte er den Iran als „korrupte Diktatur“ und bezeichnete den Iran-Nukleardeal – der auch als Gemeinsamer umfassender Aktionsplan bekannt ist (JCPOA) und im Juli 2015 zwischen Teheran und mehreren Weltmächten geschlossen wurde – als „einen der schlechtesten und einseitigsten Deals, den die Vereinigten Staaten jemals eingegangen sind.“

Ganz offensichtlich sieht die US-Regierung eine enge Verbindung zwischen diesen beiden Aufgaben – wird die nordkoreanische Atomkrise ernsthafte politische Auswirkungen auf die Haltung Washingtons gegenüber dem Iran-Deal haben?

Das eine Lager: „Wieder dieselben Fehler machen“

Die meisten Befürworter des Iran-Deals, einschließlich der Leute aus der Obama-Regierung, machen einen Mangel an wirksamer Diplomatie und sinnvollen Verhandlungen für die Nordkorea-Krise verantwortlich – die beiden Zutaten also, die dazu beitrugen, dass der Iran-Deal überhaupt erst zustande kam.

Für diese politischen Entscheidungsträger und Analysten ist die Eskalation der Spannungen auf der koreanischen Halbinsel ein weiterer Beweis dafür, dass der Iran-Deal nicht nur aufrechterhalten, sondern auch als Blaupause zur Entschärfung der sich zuspitzenden Atomkrise in Südostasien genutzt werden sollte.

Joe Cirincione ist der Vorsitzende des Ploughshares Funds, einer US-amerikanischen Organisation, die sich für die Reduzierung und Abrüstung von Atomwaffen einsetzt. „Wir haben mit Nordkorea schon wieder dieselben Fehler gemacht wie mit dem Iran,“ so argumentiert er, „wir weigerten uns, einen Deal abzuschließen, als wir noch sämtliche atomaren Kapazitäten hätten eliminieren können, nur um dann doch wieder an den Verhandlungstisch zurückzukommen, als es schon zu spät war und das Land bereits seinen atomaren Spieleinsatz angehäuft hatte, und diesen sicherlich nicht aufgeben wird.“

„Doch so schwierig die Gespräche mit Nordkorea auch waren und wieder sein werden,“ beharrt Cirincione, „es gibt keine brauchbare Alternative.“

Ähnlich die Worte von Ben Rhodes, einem nationalen Sicherheitsberater von Obama: „Wenn Trump aus dem Iran-Deal aussteigt, würde er eine zweite Atomkrise erzeugen, während er dieselben Länder verprellt, die wir brauchen, um die Nordkorea-Krise anzugehen.“

Am deutlichsten hat Bundeskanzlerin Angela Merkel – deren Regierung Vertragspartei des Iran-Deals ist – zur Lösung der Krise auf der koreanischen Halbinsel eine diplomatische Initiative nach iranischem Vorbild eingefordert.

„Ein solches Format könnte ich mir auch für die Beilegung des Nordkorea-Konflikts vorstellen. Europa und speziell Deutschland sollten bereit sein, dazu einen sehr aktiven Teil beizutragen“, sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in einem Interview am 10. September.

Das andere Lager: „Die Welt als Geisel“

Doch die Gegner des Iran-Deals – vorwiegend also die Iran-Falken der US-Regierung sowie konservative amerikanische Think Tanks – sehen auch die Situation in Korea in einem gänzlich anderen Licht.

Für sie entspricht Nordkorea einem Spiegelbild von dem, wohin die nuklearen Aktivitäten des Iran in kurzer Zeit führen könnten, sollte die Islamische Republik Iran, ein „Schurkenstaat“ also, nicht konfrontiert und der „mangelhafte“ Iran-Deal nicht in Ordnung gebracht werden.

Diese Anti-Iran-Deal-Politiker und politischen Besserwisser glauben, dass Pjöngjang die Chance des mit der Clinton-Regierung geschlossenen Genfer Rahmenabkommens von 1994 ergriff, um das Abkommen dann schließlich über Bord zu werfen und sich auf die Bombe zu stürzen, die 2006 zum ersten Mal getestet wurde. Jetzt fürchten sie, dass auch Teheran ein doppeltes Spiel betreibt, um die Bombe zu bauen.

In seiner Aussage vor dem US-Kongress vom 5. April 2017 beschrieb Mark Dubowitz, Chef der konservativen „Stiftung für die Verteidigung der Demokratie“, den Iran-Deal als „langatmigen Pfad zur Beschaffung von Atomwaffen“ der Islamischen Republik und fügte hinzu: „Im Herzen des Iran-Deals befindet sich ein tödlicher Fehler: Iran braucht nicht einmal zu schummeln, um an die Schwelle zu atomwaffenfähigen Kapazitäten zu gelangen.“

„Wenn wir den Deal befolgen und geduldig auf das Verschwinden zentraler Beschränkungen warten, kann Teheran als Schwellenatommacht mit einem Anreicherungsprogramm im industriellen Maßstab hervortreten, mit einer Breakout-Zeit nahe Null, einem vereinfachten Weg zur Umgehung der Auflagen, sowie einem fortgeschrittenen ballistischen Raketenprogramm.“

Der 2015 geschlossene Iran-Deal gilt als Musterbeispiel internationaler Diplomatie, er ist einer der wichtigsten internationalen Verträge des noch jungen Jahrhunderts, er hat die Welt zu einem sichereren Ort gemacht. Hier die Delegierten der Vertragsparteien der P5+1-Länder, der EU und des Irans ind Écublens-Lausanne, Schweiz, am 2. April 2015. By United States Department of State, Wikimedia Commons, published under public domain (cropped).

Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, hat vor kurzem ein ähnliches Argument gebracht. In einer Grundsatzrede am 5. September im American Enterprise Institute, einem konservativem US-Think Tank, verknüpfte sie beide Fälle und behauptete, „Raketentechnologie kann nicht vom Streben nach Atomwaffen getrennt werden. Wenn wir die iranischen Aktivitäten auch weiterhin nicht untersuchen, werden wir es mit dem nächsten Nordkorea zu tun haben.“

Später fügte Sie in derselben Rede hinzu: „Die iranischen Führer wollen das Atomabkommen nutzen, um die Welt als Geisel ihres schlechten Verhaltens zu nehmen.“

John Bolton, US-Botschafter bei der UN zu Zeiten der George W. Bush-Regierung, spinnt die Geschichte sogar noch weiter und läutete die Alarmglocken wegen vermeintlicher „gemeinsamer iranisch-nordkoreanischer nuklearer und ballistischer Raketenprogramme. Ein Großteil der gegenwärtigen Iran-Deal-Debatte wäre aus strategischer Sicht belanglos, falls die Ayatollahs – und das erscheint so gut wie sicher – einfach eine Geldüberweisung an Kim Jong-un senden könnten, um welche auch immer von Nordkorea entwickelten Kapazitäten einzukaufen.“

In diesem Sinne schlug Bolton der Trump-Regierung eine öffentlich weit verbreitete „Strategie“ vor, um aus dem Iran-Deal auszusteigen. Ein Rezept, welches vor kurzem von 45 ehemaligen US-Sicherheitsbeamten in einem öffentlichen Brief an Präsident Donald Trump unterstützt wurde.

Die Büchse der Pandora öffnen

Trump steht dem Iran-Deal in tiefster Abneigung entgegen. Er nannte ihn den „schlimmsten Deal aller Zeiten“ und eine „Blamage“ für die Vereinigten Staaten. Deshalb wird er sich höchstwahrscheinlich auf die Seite des zweiten Lagers schlagen, wenn er schließlich eine Entscheidung treffen muss, den Iran-Deal beizubehalten oder ihn zu verschrotten.

Kurz nachdem Teheran am 23. September als Reaktion auf den erneuten Druck der USA Filmmaterial eines Raketentests veröffentlichte, twitterte Trump: „Iran hat gerade eine ballistische Rakete getestet, die in der Lage ist, Israel zu erreichen. Sie arbeiten auch mit Nordkorea zusammen. Ein echt guter Deal, den wir hier haben!“

Tatsächlich stammten die Aufnahmen jedoch von einem fehlgeschlagenen Raketentest vom Januar, wie später von israelischen Sicherheitsbeamten bestätigt wurde. Es gab keinen Raketentest.

Fake News beiseite, es scheint nicht so, als würde Trump den Iran-Deal ganz plötzlich aufgeben. Der US-Präsident ist gesetzlich dazu verpflichtet, dem Kongress alle 90 Tage darüber Bericht zu erstatten, ob Teheran die Bestimmungen des Deals erfüllt oder nicht. Trump hat – wenn auch zähneknirschend – bislang zweimal bestätigt, dass die Islamische Republik den Deal einhält.

Die nächste Deadline ist am 15. Oktober – und alles deutet darauf hin, dass er Teheran die Erfüllung des Deals nicht erneut attestieren wird und die nächsten Schritte damit dem US-Kongress überlässt.

Der von den Republikanern dominierte Kongress hat einen bemerkenswerten Eifer an den Tag gelegt, um wegen seines Raketenprogramms und der Unterstützung militanter Gruppen in der Region Sanktionen gegen die Islamische Republik zu verhängen. Das mögliche Ausbleiben der Bescheinigung unter dem Iran-Deal von 2015 wird daher als eine Art goldene Gelegenheit ansehen, um erneut verschärfte Sanktionen gegen Teheran durchzudrücken.

Dies wird die Büchse der Pandora öffnen und das daraufhin unvermeidliche Ende des Iran-Deals einläuten. Besonders dann, wenn sich die Europäer schließlich – entgegen ihrer aktuellen Rhetorik – dem Druck der USA hingeben und versuchen, den Deal entweder „in Ordnung zu bringen oder über den Haufen zu werfen“ („fix it or nix it“), wie es der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu formuliert.

Angesichts der Wirkung einer solchen Politik sowie früherer Entscheidungen der iranischen Führung in ähnlichen Situationen wird Teheran voraussichtlich mit Eskalation reagieren, was die Wiederaufnahme von sensiblen nuklearen Aktivitäten beinhalten könnte, die unter dem Deal verboten sind.

Fazit: Während sich Washington mit der nuklearen Frage in Nordkorea auseinandersetzt, sollte es sich für den Fall, dass es weiter am Iran-Deal herumpfuscht, auf die nächste sich rasant zuspitzende Krise im Nahen Osten gefasst machen, die das Potential hat, in einer militärischen Konfrontation zu gipfeln.


This piece by Maysam Behravesh was originally published on Middle East Eye
and was translated for Die Freiheitsliebe by Jakob Reimann.

Maysam Behravesh ist ein Doktorand im Department of Political Science und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center for Middle Eastern Studies (CMES) an der Universität Lund in Schweden.

Die Freiheitsliebe sends the best wishes to Maysam Behravesh and to London to the Middle East Eye staff and says THANK YOU! to everyone involved for their great job – connect critical journalism worldwide!

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