Schufa-System außer Rand und Band – Kontoeinsicht verhindern

Nachdem der Bundestag sich am Donnerstag, 26. November 2020, erstmalig durch einen Antrag der Fraktion der Linken mit dem Titel „Schufa und anderen privaten Auskunfteien einen Riegel vorschieben“ (19/24451) mit dem Thema befasste, wurde der Antrag im Anschluss an die Debatte zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Die Linke fordert in ihrem Antrag die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, um das Einholen von Bonitätsauskünften und das Verlangen von Selbstauskünften bei der Anbahnung von Verbraucherverträgen und Mietverträgen mit Privatpersonen zu verbieten.

Ausgenommen sollen Kreditverträge bleiben. Behörden sollen dem Willen der Fraktion zufolge verpflichtet werden, die Einhaltung des Verbots zu kontrollieren und Verstöße mit Geldbußen zu ahnden. Geplant ist auch, Verbraucherverbänden die Möglichkeit einzuräumen, gegen Verstöße mit Hilfe von Verbandsklagen vorzugehen. Auskunfteien und deren Vertragspartner sollen außerdem verpflichtet werden, die Berechnung von Bonitäten (Scores) derart transparent und nachvollziehbar für Verbraucher offenzulegen, dass diese darüber informiert sind, welche ihrer Daten mit welcher Gewichtung und welchem Einfluss auf den Score in der Berechnung genutzt werden und im Falle von fehlerhaften Daten und Berechnungen für bei Verbrauchern entstandene Schäden zu haften. Des Weiteren sollen Auskunfteien verpflichtet werden, gespeicherte Daten ohne Aufforderung nach spätestens einem Jahr wieder zu löschen. (sas/26.11.2020)

Während unser Antrag bei den betroffenen Menschen auf enorme Resonanz stieß, beeilten sich die anderen Bundestagsfraktionen, das Problem kleinzureden. Nahezu parallel zur Debatte im Bundestag wurde aufgedeckt, dass Deutschlands größte private Auskunftei, die Schufa, am 4. November 2020 einen Praxistest startete, um an die Kontoauszüge von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu kommen.

Perfide Strategie, um an Kontodaten zu gelangen

Zwölf Monate lang haben Entwickler an dem neuen Produkt mit dem harmlosen Namen „CheckNow“ gearbeitet. Interne Dokumente der Schufa, Mails und Präsentationen belegen: Die Schufa möchte sensible Daten aus Kontoauszügen in Zukunft systematisch auswerten und weiterverarbeiten. Von den knapp 68 Millionen Menschen, deren Daten bei der Schufa gespeichert sind, sollen vor allem jene angesprochen werden, die bereits einen schlechten Score und aufgrund dessen einen schweren Stand haben, wenn es darum geht, Handy,- oder Mietverträge abzuschließen.

Ihnen soll die „Möglichkeit“ eröffnet werden, eine bessere Bewertung zu erhalten. Bedingung dafür ist: Die Betroffenen müssen in einem ersten Schritt der Schufa erlauben, Einblick in ihre Kontoauszüge zu nehmen. Im zweiten Schritt setzen die Betroffenen ein weiteres Häkchen unter dem Kleingedruckten, welches der Schufa weitgehende Rechte einräumt, wie etwa das Speichern der Kontoauszüge und ihre Verarbeitung.

Damit weitet die private Auskunftei, die bereits gespeichert hat, wie viele Konten jemand hat und ob diese Person Handy- oder Kreditverträge besitzt, ihren Datensatz und somit ihr Wissen über die finanziellen und somit privaten Verhältnisse der Menschen weiter aus. Dass sie ausgerechnet jene im Visier hat, die bereits aufgrund des durch die Schufa selbst vergebenen Scores benachteiligt sind, zeigt wie perfide das Vorgehen ist. Sie sollen unter dem Deckmantel einer zweiten Chance noch gründlicher durchleuchtet werden.

EU-Richtlinie ermöglicht Datenkrake

Dass überhaupt die Möglichkeit besteht, Einblick auf die Konten von Menschen zu bekommen, ist einer EU-Richtlinie geschuldet, welche Kontoinformationsdiensten genau das ermöglicht.

Einen solchen Kontoinformationsdienst kaufte die Schufa im Jahre 2018 auf – den Finanzdienstleister Finapi. Sie sicherte sich zugleich 58 Millionen Endkunden-Konten. Damit weitet die Schufa ihr „Geschäftsfeld“ und ihre Datensätze enorm aus. Es deutet alles darauf hin, dass das Privatunternehmen aus Wiesbaden die Ambition hat, zum mächtigsten Datenbesitzer des Landes zu werden. Langfristig soll es wohl das Ziel sein, dass die Kontozugriffe die Regel werden. Das ist schon allein der Tatschte geschuldet, dass auch unbeteiligte Dritte, die auf den Kontobewegungen des „Betroffenen“ auftauchen, mit den eigenen Datensätzen abgeglichen und in Profile verarbeitet werden können.

Unternehmen könnten durch die Auswertung der Kontoauszüge und -bewegungen ganze Netzwerke von Personen erstellen. Die Sippenhaft, die es bereits bei der aktuellen Schufa-Praxis gibt, würde so eine ganz neue Qualität erreichen. Hier ist dem ehemaligen Bundesdatenschutzbeauftragten, Peter Schaar, nur zuzustimmen: „Ich mache mich da wirklich nackig, wenn ich diesen Einwilligungsbutton bestätige. Die Einbeziehung sehr vieler, auch höchstpersönlicher Informationen führt zu einem neuen ‚Blick auf die Bonität‘, der Nachteile für die Betroffenen haben könnte.“

Denn bereits jetzt kann man laut dem Finanzdienstleister Finapi 65 Kategorien identifizieren, wie zum Beispiel staatliche Leistungen, Gehalt, aber auch sogenannte Risikofaktoren, wie Zahlungen an Inkassodienste oder Glücksspiel. Wie sehr die Schufa auch auf die Gutgläubigkeit der Menschen setzt, um diese für ihre Zwecke zu nutzen, bestätigte eine Schufa-Vertriebsleiterin auf einem Branchentreffen der Kreditwirtschaft. Als Vertreter der Sparkassen den Einblick auf die Konten ihrer Kunden mit Fragen des Datenschutzes in Zusammenhang brachten, konterte die Schufa-Vertriebsleitern mit dem Satz: „Ihr Verbraucher wird sich da durchklicken, weil die Leute sind faul und bequem. Die haben keinen Bock auf sowas, und die wollen einfach den Service haben. Und sie klicken das durch.“

Schufa und andere Auskunfteien in die Schranken weisen

Die aktuellen Vorgänge bezüglich der Einblicke auf die Kontoauszüge, aber auch die enorme Resonanz aus der Bevölkerung, bestätigen mich in meiner Auffassung, dass den privaten Auskunfteien endlich ein Riegel vorgeschoben werden muss. Ihr Geschäftsmodell ist intransparent, ihre Score-Bewertungen undurchsichtig und oftmals fehlerhaft. Dadurch greifen sie nicht selten in das Leben von Privatpersonen ein und gefährden die Existenzen von Soloselbstständigen und Kleinunternehmen.

Solche fehlerhaften Bewertungen mit all den fatalen Folgen für die Betroffenen müssen schadensersatzpflichtig sein. Anstatt mehr Daten abzugreifen und einer drohenden Monopolbildung entgegenzukommen, muss das Geschäftsfeld dieser Auskunfteien konsequent eingegrenzt werden. Zukünftig sollten Bonitätsabfragen ausschließlich bei Kreditvergaben möglich sein. Sie entfallen bei allen anderen Geschäften, bei denen nämlich Verbraucherinnen und Verbraucher in Vorleistung gehen und Bonitätsabfragen durch private Unternehmen nicht zu rechtfertigen sind. Ein Verstoß muss mit hohen Bußgeldern geahndet werden.

Ich werde weiterhin im Deutschen Bundestag dafür Druck machen und mit Initiativen und Betroffenen im Gespräch bleiben, um ihre Belange endlich in den Fokus der Öffentlichkeit zu stellen.

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2 Antworten

  1. Danke Frau Nastić für Ihr Engagement. Ich habe die knapp 38-minütige Debatte gesehen und war mal wieder schockiert, wie wenig sich die Parteien für mehr Gleichheit einsetzen wollen und wirtschaftsliberal argumentieren. Schlimm waren die Beiträge von AfD, CSU und CDU. Sehr unsozial und AfD erwartungsgemäß rassistisch und faschistisch, was soll man dazu sagen. Machen Sie bitte weiter! Wir brauchen Kontrollen für die Schufa und schärfere Regeln zum Score und zu Löschfristen etc. Pp.

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