Proteste gegen Wilders - Foto: Connect Euranet - flickr.com - CC BY 2.0

Die niederländische Regierung verliert – die Linke auch! Rassismus und der Rechtsruck in den Niederlanden

Am gestrigen Tag wurde in den Niederlanden gewählt, wir haben uns schon länger mit der Situation in den Niederlanden und einem drohenden Aufstieg der Rechten um Wilders beschäftigt. Bis vor wenigen Wochen sah es so aus als könnte Wilders die Wahlen gewinnen, Trumps Wahlsieg hatte seinen Anhängern Auftrieb gegeben, aber bis vor zwei Wochen vor der Wahl zeichnete sich ab, dass viele der ProtestwählerInnen, die PVV wählen wollten, begannen zu zweifen und sahen, dass es ernsthafte politische Konsequenzen haben kann, wenn eine rechtspopulistische Regierung an die Macht kommt. Der Wahltag zeigte, dass es den liberalen Parteien D66 und GroenLinks gelungen war mit einer als links wahrgenommen Kampagne für die Rechte von MigrantInnen WählerInnen zu mobilisieren, die eine rechte Regierung verhindern wollten.

Die niederländische Regierung ist abgewählt, so muss das Fazit der gestrigen Wahl lauten. Der Niedergang der niederländischen Sozialdemokratie war schon lange befürchtet wurden, dass sie mehr als 75 Prozent ihrer Sitze (-29 Sitze)verloren hat, ist dennoch überraschend, auch wenn es sich in den den Trend des Niedergangs europäischer sozialdemokratischer Parteien einreiht. Die niederländische PvdA hat ebenso wie ihre Schwesterparteien Pasok (Griechenland) 2012 und Labour (Irland) 2016 massiv an Zustimmung eingebüßt, nachdem sie sich an einer mitte-rechts Regierung beteiligt hat, die neoliberale Programme beschloss. Im Gegensatz zu Irland und Griechenland profitierte allerdings nicht die Linke, welche in Form der SP sogar einen Sitz verlor, sondern die linksliberalen Kräfte.

Rechtspopulismus vs. Linksliberale

Die großen Gewinner der Wahl waren die beiden linksliberalen Parteien GroenLinks und die linksliberale D66, die beide deutlich an Stimmen hinzugewinnen konnten, so konnte sich GroenLinks von 4 auf 13 Sitze steigern. Beide Parteien dürfte genutzt haben, dass sie sich in der Polarisierung im Land klar gegen Wilders gestellt haben und den Rechtsruck der anderen Parteien, an dem sich die linke SP beteiligte, abgelehnt haben. Beide Parteien haben versucht im Wahlkampf ein Gegenbild zum Rechtsaußen Wilders zu zeichnen, statt von Verboten und dem Kampf gegen den Islam, redeten sie von einer offenen Gesellschaft und dem Verteidigen humanistischer Werte. Damit unterschied sich insbesondere GroenLinks, die mehr Einwanderung und ein Abbau des Grenzregimes forderten, sowie eine multikulturelle Gesellschaft begrüßen, auch von den anderen großen Mitte-Links Parteien. So forderte die Sozialdemokratie einen „progressiven Patriotismus“ und wollte damit zeigen, dass die nationale Identität eine herausgehobene Rolle spielen sollte. Die sozialistische Partei (SP) fordert sogar eine strengere Grenzkontrolle. Die SP stimmte im Parlament mit den Regierungsparteien und der rechtspopulistischen PVV von Wilders für ein „Burka-Verbot“ im öffentlichen Raum. Im Wahlkampf verfolgte sie eine chauvinistische-standortnationalistische Strategie der Spaltung der Arbeiterklasse entlang nationaler Grenzen: So forderte der SP-Abgeordnete Paul Ulenbelt „eigene Arbeitnehmer zuerst. Das ist nicht Trump, das ist nicht Wilders, das ist die SP“ und zusammen mit der kurdischstämmigen SP-Abgeordneten Saadet Karabulut erklärte er, dass die Niederlande „mit dem Import von Gastarbeitern, den gleichen Fehler wie vor 40 Jahren“ mache. In ähnlicher Weise äußerte sich der ehemalige Parteivorsitzende der SP, Jan Marijnissen: „Ich finde es sehr seltsam, dass polnische Arbeitnehmer hier günstig an Arbeit kommen, während Niederländer arbeitslos zuhause sitzen“. GroenLinks dagegen setzte nicht nur auf eine multikulturelle Gesellschaft, sondern forderte auch eine höhere Besteuerung für Reiche, einen Ausstieg aus der Kohleenergie, sowie höhere Löhne für Beschäftigte und eine bessere Absicherung für Arme. GroenLinks unterstützte im Parlament allerdings neoliberale Kürzungsprogramme der Regierung. Die Partei stimmte mit der Regierung für das neoliberale Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine. Nachdem 2011 die rechtspopulistische PVV von Wilders der Regierung Rutte I die Unterstützung entzog und diese nur noch kommisarisch im Amt verblieb, formten die Oppositionsparteien GroenLinks, D66 und CristenUnie mit der Minderheitsregierung aus VVD und CDA die „Kundus-Koalition“, benannt nach der Zustimmung der besagten Fraktionen zum Militäreinsatz in Kundus, Afghanistan, womit GroenLinks darauf abzielte, sich als „verlässlicher Partner“ für Regierungsbeteiligungen zu erweisen. Zusammen mit der Regierung und den anderen Fraktionen der „Kundus-Koalition“ stimmte GroenLinks auch für das neoliberale Kürzungsprogramm des Haushalts für 2013.

Schwäche? Antirassismus

Wahlplakat der SP

Im Gegensatz zu GroenLinks steht die ehemals maoistische SP, diese hielt zwar in den sozialen Fragen die Fahne hoch und forderte ebenfalls Umverteilung und höhere Löhne. Anders allerdings als GroenLinks setzte sie nicht auf Antirassismus und eine tolerante Gesellschaft, sondern betrieb die Spaltung anhand von Religion und Herkunft mit. In den Augen von einem großen Teil der jungen Wählerinnen und Wähler wurde sie nicht mehr als klare Alternative zu Protektionismus und Rassismus gesehen. Diese Positionierung der SP ist allerdings nicht neu, wie der niederländische Aktivist Ewout gegenüber der Freiheitsliebe erklärte: „In den 80ern gaben sie eine Broschüre zu „Migrantischen Arbeitern und dem Kapital“ heraus, in welcher sie rassistische Stereotype reproduzierten. Auch heute wird sie noch manchmal von der Führung verwendet um zu zeigen, dass man das „Problem der multikulti Gesellschaft“ früher erkannt hat.“ Auch der niederländische Aktivist Max van Lingen sieht Probleme bei der SP: „Die SP weiß nicht mit dem zunehmenden Rassismus umzugehen. Die Partei beschränkt sich in ihrer Kritik auf Wilders auf das Enttarnen seiner neoliberalen Politik, schweigt aber zu seinem Rassismus.“ Eine Folge dieser Politik ist auch die Gründung von DENK einer niederländischen Migrantenpartei, die mit 3 Sitzen ins Parlament gekommen ist. Die Gründer von DENK hattten sich Ende 2014 in Folge des Rechtsrucks, sowohl in wirtschaftlichen als auch sicherheitspolitischen Fragen, von der PvdA abgespalten und gründeten ihre eigene Partei. Ein Auslöser dafür war eine Studie des Sozialministers Lodewijk Asscher (PvdA), derzufolge junge türkischstämmige NiederländerInnen große Sympathien für den „Islamischen Staat“ empfänden. Letztere Aussage musste er wegen Fehlern in der Studie abschwächen, er distanzierte sich dennoch nicht von dieser rassistischen Pauschalisierung einer ganzen Minderheit.

Die in Surinam geborene Journalistin und Fernsehmoderatorin Sylvana Simons, die ursprünglich als Spitzenkandidatin von DENK kandidieren sollte, gründete mit „Artikel 1“, benannt nach dem ersten Artikel des niederländischen Grundgesetzes, ihre eigene antirassistische Wahlalternative, weil ihr bei DENK nicht genug Raum für Frauenrechte und Homosexuellenrechte gegeben wurde. Grund mag auch die kritiklose Verteidung der Regierungspolitik Erdogans in der Türkei durch DENK-Gründer und Abgeordneten Tunahan Kuzu gewesen sein. Auf der Liste von „Artikel 1“ kandidierte auch eine bekannte antirassistische Aktivistin und Ratsmitglied für die kommunale Haager Stadtpartei in Den Haag. Keine der KandidatInnen von „Artikel 1“ hat jedoch den Einzug ins Parlament geschafft, wahrscheinlich, weil ihre Kampagne Ende 2016 zu spät begann und Sylvana Simons als Frontfigur sich nicht von den etablierten Politikern und Parteien abheben konnte.

Die SP hätte die Chance gehabt mit einem klaren sozialen und antirassistischen Profil nicht nur enttäusche sozialdemokratische Wählerinnen und Wähler zu gewinnen, sondern auch eine positives Gesellschaftsmodell aufzuzeigen, dies ist ihr nicht gelungen, wodurch vor allem linksliberale Parteien wie GroenLinks und D66 profitieren konnten

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