Nicht nachlassen – Antifeminismus bekämpfen

Das rechte Netzwerk NSU 2.0 greift aktuell vor allem Frauen an. Antifaschist*innen, Migrant*innen, Politiker*innen, aktive Frauen. Es greift Frauen als politische Subjekte an, die für eine andere, eine offene Gesellschaft stehen. Frauenhass und Antifeminismus sind so offensichtlich, dass selbst die Springerpresse nicht umhinkam, darüber zu schreiben. Die Verbindung von Hass gegen Frauen, Rassismus und Antisemitismus wird zunehmend öffentlich diskutiert. Antifeminismus ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal der gewaltbereiten Rechten und ihrer offensichtlichsten Stichwortgeber. Um ihn zu bekämpfen, muss seine gesellschaftliche Verankerung angegangen werden. Und er sollte als das begriffen werden, was er ist: eine Reaktion auf einen erstarkenden Feminismus. Die richtige Antwort kann deshalb nur heißen: nicht nachlassen, sondern feministisch stärker werden.

Antifeminismus meint etwas anderes als Sexismus. Letzteres ist ein strukturelles Problem mit diversen Erscheinungsformen, die alle das patriarchale Herrschaftsverhältnis stabilisieren. Antifeminismus ist eine politische Haltung, die sich – wie es der Name sagt – explizit gegen den Feminismus in seinem Kampf gegen das patriarchale Herrschaftsverhältnis richtet. Errungenschaften feministischer Bewegungen sollen zurückgedrängt werden, Frauen sollen (wieder) weniger gesellschaftliche Teilhabe haben, ihre Körper sollen (wieder) mehr kontrolliert werden. Deshalb werden Frauen besonders angegriffen, wenn sie politisch aktiv sind, sich sozial engagieren, als Journalist*innen Debatten und Meinungen prägen. Sie sollen aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden – durch Beleidigungen, Einschüchterungen, Gewalt. Es wird behauptet, dass Feminist*innen einen Zustand herzustellen versuchen, in dem andere Positionen unterdrückt und benachteiligt werden würden. Nährstoff bekommt diese Mär von neoliberaler und konservativer Seite. So werden die Vertreter*innen entsprechender Parteien beispielsweise nicht müde, jedes Instrument zur Bekämpfung von Diskriminierung als ein weiteres Instrument zur Benachteiligung von Männern zu bejammern.

Die Scharnierfunktion, die Antifeminismus für die unterschiedlichen rechten politischen Strömungen, von neoliberal über konservativ bis hin zur völkischen und nationalistischen Rechten, einnimmt, wird aber besonders deutlich, wenn es um sexuelle, körperliche und reproduktive Selbstbestimmung geht. Der sogenannte „Marsch für das Leben“ ist hierfür exemplarisch: Organisiert wird diese Demonstration von christlichen Fundamentalist*innen, die jegliche Errungenschaften im Kampf für das Recht auf Sex ohne Fortpflanzung zurückdrängen wollen. In vorderer Reihe und mittendrin finden sich immer wieder Bundestagsabgeordnete der AfD, aber auch der Union. Sie eint die Ablehnung des Rechts von Frauen, über ihren Körper zu bestimmen. Euphemistisch wird das als Engagement für das „ungeborene Leben“ ausgedrückt. Im Kern geht es mitnichten um entstehendes Leben, sondern um den Erhalt der gesellschaftlichen Kontrolle über weibliche Körper.

Auch die Verteidigung des § 218 im Strafgesetzbuch, der Schwangerschaftsabbrüche verbietet und nur unter bestimmten Bedingungen Straffreiheit gewährt, ist letztlich ein Verteidigen des Zugriffs auf Frauen. Sie sollen nicht selbst entscheiden dürfen, ob sie schwanger sein wollen oder nicht, was mit ihrem Körper und ihrem Leben passiert. Nach diesem Verständnis sind Frauen Objekte des Staates, deren Aufgabe es, ist Kinder zu bekommen – und dieser Aufgabe haben sie ihre eigenen Wünsche, Begehren und ihre Sexualität unterzuordnen. Was sonst ist das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen als der Zwang, schwanger zu bleiben und zu gebären?

Gegen den § 218 kämpften Feminist*innen von Beginn an. Immer wieder wurden Abschwächungen des Verbots errungen. Der Kampf für das Recht auf Entscheidung ist noch lange nicht zu Ende. Dieser unvollendete Emanzipationsschritt kratzt aber derart an patriarchaler Macht, dass Unionspolitiker Abtreibungen mit dem Einsatz von Kampfdrohnen in bewaffneten Konflikten vergleichen und sogenannte Lebensschützer mit Anzeigen gegen Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, reagieren. Im Weltbild der Attentäter von Halle oder Christchurch beteiligen sich Frauen am angeblichen Bevölkerungsaustausch durch Senkung der Geburtenrate in westlichen Ländern, eine Bedrohung wird imaginiert, gegen die eine gewalttätige Männlichkeit gesetzt wird. Das eine ist natürlich nicht das andere. Aber die gesellschaftliche Akzeptanz, dass über Frauenkörper bestimmt werden kann, und dies von bürgerlicher Seite verteidigt wird, schafft einen Nährboden für den Hass auf Frauen, die sich widersetzen.

Es ist aber genau dieses Widersetzen, das es braucht, um den Antifeminismus zu bekämpfen. Es ist das Streiten für volle Rechte, gegen Diskriminierung und für Gerechtigkeit, das dem Antifeminismus letztlich die Grundlage entziehen kann. Die harten Reaktionen der Gegenseite zeigen, dass es hier mitnichten um Nebenschauplätze geht. Linke Politik muss deshalb konsequent feministisch sein und den Kampf gegen Rechts und Rassismus als Kampf für eine offene und solidarische Gesellschaft führen – für eine Gesellschaft, in der Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit Platz haben und gleiche Rechte nicht nur formal besitzen, sondern auch wirklich wahrnehmen können.


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