Im Dannenröder Wald im Mittelhessischen, zwischen Marburg und dem Vogelsberg sollen demnächst über 100 Hektar (die Fläche von 150 Fußballfeldern) gerodet werden. In diesem schönen Mischwald wachsen viele Buchen – nicht wenige seit 300 Jahren. Der Bestseller „Die Geheime Sprache der Bäume“ hat die Wunder des Waldes für uns entschlüsselt und erklärt, warum Wald eine Quelle für gutes Leben ist und nicht einfach ein Rohstofflager der Holzwirtschaft.
Dieser Wald birgt auch Quellen für gutes Wasser: das Wasserschutzgebiet Gleental versorgt die Region und sogar Teile von Frankfurt mit Trinkwasser. Und weil seit 2003 zu wenig Regen fällt, um die Grundwasserreserven aufzufüllen, wird dieses Wasser immer bedeutsamer.
Warum soll dieser Naturschatz zerstört werden? Weil Bund und Land ein weiteres Stück Autobahn bauen wollen – die A49. Warum? Auf der Internetseite des Projektträgers DEGES sind folgende Schlagworte zu lesen: … transeuropäisches Verkehrswegenetz … das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes … Abbau von Kapazitätsengpässen … Sicherstellung angemessener Standortqualitäten … .Dazu steht auch der zuständige Minister Al-Wazir (Bündnis90/Die Grünen) der über Klimaschutz redet, aber nicht danach handelt. Dabei ist die Zeit mehr als reif für eine ganz andere Wirtschafts- und Verkehrspolitik. Auf die Frage, was ihnen mit Blick auf die zukünftige Entwicklung des Verkehrs am wichtigsten ist sagen 10% „wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit“, 40% „vor allem „kostengünstig und bequem Wege zurücklegen“ und 50 % wollen „Umwelt und Klima möglichst wenig belasten“ (!).
Im Fernsehen spricht ein Marburger Unternehmer von 100 Lastwagen, die täglich seine Firma verlassen. Warum gibt es da keinen Gleisanschluss?! Möchte ich fragen … und: was wird da eigentlich warum und wohin transportiert? Nach 1990 schnellte die so genannte Fahrleistung von Lkw in Deutschland von 33 Milliarden Kilometer pro Jahr auf 60 Milliarden in 2010 und auf 70 Milliarden 2017 … wahnsinniges Verkehrswachstum auf der Straße, Tendenz ungebrochen. Ganz zu schweigen vom Autoverkehr der von 430 auf 650 Milliarden Kilometer pro Jahr angeschwollen ist. In derselben Zeit sind bundesweit 250.000 Kilometer neue Straßen betoniert worden, das Schienennetz aber wurde um mehrere Tausend Kilometer verkleinert. Wohin soll diese Reise gehen? Wer profitiert und wer verliert? Abgesehen von den enormen Belastungen (Lärm, Unfälle, Luftverschmutzung …) geht es inzwischen buchstäblich ums Ganze, weil dieser Verkehr die Lebensgrundlagen der Menschheit untergräbt.
Wir müssen aufhören so weiter zu machen
Deshalb hat im Dannenröder Wald eine kleine Schar junger Menschen einige Baumhäuser errichtet, um den Wald zu besetzen und vor dem Kahlschlag zu retten. So bekommt die Bürgerinitiative, die sich seit 20 Jahren bemüht, die Natur vor der Autobahn zu schützen, tatkräftige Unterstützung. Unter den Waldbesetzerinnen und Waldbesetzern sind Studierende die sich tageweise Zeit abknapsen, einzelne haben ihr Leben ganz auf die Rettung von Bäumen ausgerichtet und manche sind Berufstätige die ihren Jahresurlaub hier verbringen. Ein großer persönlicher Einsatz, denn das Ausharren auf einer kleinen Plattform in 20 Metern Höhe ist kein spaßiges Abenteuer, sondern eine anstrengende und entbehrungseiche Angelegenheit. Die Aktion „Wald statt Asphalt“ hat öffentliche Aufmerksamkeit und Zuversicht neu geweckt: Hunderte beteiligen sich an solidarischen Waldspaziergängen, örtliche Handwerker bringen Baumaterial, Bauern laden zum Campen auf ihre Wiesen ein, Nachbarn bieten warme Stuben und heiße Duschen, Försterfamilien, Betriebsräte, Künstlerinnen, Leute aus der Verwaltung mit ihren Kindern … viele haben verstanden, dass die sozialökologische Verkehrswende jetzt und hier auf den Weg gebracht werden muss.
Einen ersten Erfolg gibt es nach zwei Wochen: DEGES hat die Rodung ist um ein Jahr verschoben – die Besetzung bleibt.
Eigentlich ist völlig klar, was passieren muss. Neben dem Ausstieg aus fossiler Energie brauchen wir eine Verkehrswende mit autofreien Innenstädten, Platz für Radfahrer und Fußgänger, ein Ausbau des ÖPNV und der Bahn sowie ihre Nutzung für wenig Geld – dafür endlich die vielen Milliarden Subventionen für Diesel und Dienstwagen umverteilen!
Auch zur A49 gibt es gute Alternativen: Bahn statt Auto, wenn der Personenverkehrs auf den Bahnlinien Kirchhain-Homberg und Alsfeld-Bad Hersfeld wieder aufgenommen und die Main-Weser- und die Vogelsbergbahn mit weiteren Haltepunkten und Begegnungsgleisen gestärkt wird – zum Beispiel. Güter müssen auf die Bahn (auch auf Nebenstrecken mit Einzelwagen); dafür braucht es mehr Güterverladestellen und die Umverteilung von Subventionen, die bisher den Lkw stützen. Und der Güterverkehr muss schrumpfen – auch in Hessen. Die Perspektive ist, regionale Wirtschaft zu stärken und globale Ausbeutung zu beenden. Kurze Wege statt lange Fahrten sind für alle besser!
Der Glaube Markt und C02-Preis hilft dabei nicht weiter. Als in den 1970 Jahre unsere Wälder vom sauren Regen zerstört wurden hat man nicht den Schwefel verteuert, sondern die Industrie zu Rauchgasentschwefelungsanlagen verpflichtet und das hat gewirkt. Als das Ozonloch Ende der 1980er Jahre bedrohliche Ausmaße angenommen hatte, hat nicht ein FCKW-Preis die Wende gebracht, sondern das Verbot dieser zerstörerischen Substanz.
Jetzt muss das Verbot von Kurzstreckenflügen auf die Tagesordnung und nicht 5,50 Euro mehr fürs Flugticket und Straßenbaustopp statt höherer Baupreise zum Beispiel.
Wer die Waldretterinnen unterstützen möchte, findet hier die Infos: https://waldstattasphalt.blackblogs.org/
Eine Antwort
Und wo sind die Aktivisten aus dem Hambacher Forst?