Auf eines ist seit Jahren Verlass: Je näher die Entscheidung über den nächsten Bundeshaushalt rückt, umso schriller wird in den Medien eine Debatte über die vermeintliche Unterausstattung der Bundeswehr geführt.
Das Handelsblatt brachte vor einer Woche einen Bericht über die „Armee des Mangels“. Am nächsten Tag titelte das Unternehmerblatt: „Bundeswehr am Limit“! Der Befund: „Der Bundeswehr gehen nach Jahren des Sparens die Waffen aus“. Die Zeit setzt noch einen drauf und beklagt, bei der „Bundeswehr werden die Unterhosen knapp“. Angesichts solcher Defizite schlussfolgert Die Welt: Ursula von der Leyen sei eine „Ministerin am Abgrund“.
Die gescholtene Verteidigungsministerin kann gut mit der Kritik leben. Denn die erzeugte Alarmstimmung trägt dazu bei, die skeptische Bevölkerung von der vermeintlichen Notwendigkeit einer umfassenden Erhöhung der Rüstungsausgaben zu überzeugen.
Tatsächlich wurde die jüngste Medienkampagne durch ein Papier aus dem Verteidigungsministerium selbst angeheizt, das vor einigen Wochen vorgelegt wurde. Darin werden 18 Großaufträge definiert, die noch dieses Jahr an die Rüstungsindustrie vergeben werden sollen.
Es ist ein Mythos, dass der Bundeswehr „nach Jahren des Sparens“ die Waffen ausgehen. Die Verteidigungsministerin will mehr Geld für mehr Waffen. Es geht um nichts anderes als die Durchsetzung des größten Aufrüstungsschubs seit Ende des Kalten Krieges.
Die Zahlen verdeutlichen dies. Seit zwanzig Jahren ist der deutsche Militärhaushalt konsequent angestiegen. 1999 betrug der sogenannte Verteidigungshaushalt umgerechnet 24 Milliarden Euro. Das Haushaltsgesetz 2017 sah demgegenüber 37 Milliarden Euro für das Militär vor, sowie eine Steigerung auf 41 Milliarden im Jahr 2021. Der in dieser Woche beschlossene Haushaltsentwurf sieht nun eine erneute Steigerung von 1,5 Milliarden Euro für 2018, sowie die zusätzliche Bereitstellung von über 4,5 Milliarden Euro bis 2022 vor. Mit anderen Worten: Der Militärhaushalt hat sich in zwei Jahrzehnten nominal fast verdoppelt.
Dies entspricht im Übrigen auch einer deutlichen realen Steigerung. Zwischen 1999 und 2017 beträgt die akkumulierte Inflationsrate rund 25 %, die Erhöhung der Ausgaben für das Militär lag im selben Zeitraum bei über 50%.
Doch das reicht der Verteidigungsministerin nicht. Der Grund ist einfach. Ihr geht es darum, die in Europa führende Wirtschaftsmacht auch zur militärischen Führungsmacht zu machen.
Deshalb soll sich die Bundeswehr an immer neuen Fronten beweisen können. Nachdem Frankreich und Großbritannien den USA im vergangenen Monat über 100 Raketen auf drei Ziele in Syrien abgeschossen hatte, bedauerte die deutsche Verteidigungsministerin, nicht dabei gewesen zu sein. Wörtlich sagte von der Leyen: Was „Großbritannien aus der Luft beigetragen hat, könnten wir auch leisten… Wir sind diesmal nicht gefragt worden.“
In den Medien wird nun so getan, als stoße Ministerin von der Leyen auf den energischen Widerstand der SPD. Das ist falsch. Von der Leyen hatte vorab 12 Milliarden Euro zusätzlich verlangt, ohne sich mit dem sozialdemokratischen Finanzminister Olaf Scholz abzustimmen. Dieses kalkulierte Vorgehen führte zu einem vorhersehbaren Streit. Das heißt aber nicht, dass die SPD auch nur eines der neuen 18 Großprojekte in Frage stellen würde, die das Verteidigungsministerium noch in diesem Jahr vergeben will.
Auf der Liste stehen dabei nicht nur die Verlängerung der Betreiberverträge für die Heron 1-Aufklärungsdrohnen, sieben neue Militärhubschrauber, sechs Transportflugzeuge des Typs C-130J Hercules, die Modernisierung des Schützenpanzers Pumas oder Radartechnologie für den Eurofighter. Auf der Liste steht auch die Beschaffung bewaffnungsfähiger israelischer Drohnen vom Typ Heron-TP.
Im Sommer 2017, als der Wahlkampf Fahrt aufnahm, erweckte die SPD noch den Eindruck, sie würde die Aufrüstung mit Kampfdrohnen stoppen. Davon ist nun keine Rede mehr. Lautstark kritisieren prominente Sozialdemokraten wie Haushälter Johannes Kahrs die Verteidigungsministerin für ihre dreiste Pauschalforderung nach 12 Milliarden Euro mehr. Aber was die konkreten Vorhaben angeht, für die das Geld ausgegeben werden soll, wird geschwiegen.
Auf die SPD ist kein Verlass. Die Medien greifen Kahrs‘ Kritik an der Verteidigungsministerin auf und lassen so vergessen, dass es derselbe Johannes Kahrs war, der vor zwei Jahren zusammen mit einem christdemokratischen Kollegen im Alleingang die Aufrüstung mit fünf Kriegsschiffen für rund 2,5 Milliarden Euro auf die Tagesordnung des Haushaltsausschusses brachte.
Die Aufrüstung der Bundeswehr trägt ihren Teil dazu bei, den internationalen Rüstungswettlauf anzuheizen. Laut Friedensforschungsinstitut Sipri stiegen die Militärausgaben im vergangenen Jahr auf den Rekordwert von umgerechnet rund 1,74 Billionen US-Dollar an. Mit Abstand die höchsten Rüstungsausgaben haben die USA mit 610 Milliarden Dollar – vor China, das seine Investitionen auf geschätzte 228 Milliarden Dollar hochschraubte. Wenn das sogenannte 2-Prozent-Ziel umgesetzt würde, zu dem sich die große Koalition bekannt hat, dann hätte Deutschland die teuersten Streitkräfte in Europa – noch vor den Atommächten Russland, Großbritannien oder Frankreich.
Mehr Sicherheit bringt uns das nicht. In allen Staaten malen die Herrscher die Bedrohung durch andere Staaten an die Wand, um die eigene Bevölkerung von der vermeintlichen Notwendigkeit der eigenen Rüstungsmaßnahmen zu überzeugen. Das kostet uns alle nicht nur Milliarden an Steuergeldern – es hat auch dazu geführt, dass der Weltfrieden heute bedrohter ist als jemals zuvor seit Ende des Kalten Krieges.
Es ist Zeit, diese Spirale zu durchbrechen. DIE LINKE wird keinem der 18 neuen Großprojekte zustimmen. Die Bundeswehr darf nicht aufgerüstet, sie muss abgerüstet werden.