Der Nato-Gipfel und das Märchen der kaputtgesparten Bundeswehr

Auf dem NATO-Gipfel letzte Woche forderte US-Präsident Trump Bundeskanzlerin Merkel auf, den Rüstungsetat weiter zu erhöhen. Doch die Forderung des Präsidenten nach zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts scheint vergessen, mittlerweile verlangt er von Deutschland und den anderen NATO-Mitgliedsstaaten vier Prozent – via Twitter, versteht sich.

Die Bundesregierung unter Angela Merkel folgt Trump nicht blind. Stattdessen nutzt sie den Konflikt mit Trump, um die militärische Rolle Deutschlands in der Welt zu stärken und die eigene Aufrüstung kontinuierlich voranzutreiben.

Nicht nur Trump betont, Deutschland rüste zu wenig auf. Ständig wird der Mythos verbreitet, die Bundeswehr sei kaputtgespart worden. Gestützt wurde diese These durch Forderungen des Luftwaffeninspekteurs nach mehr Geld. Auch der stellvertretende Generalinspekteur befeuert diesen Mythos, indem er dem Handelsblatt sagt: „Der bisherige Finanzplan wird dazu führen, dass es in der Bundeswehr bei der bisherigen Mangelwirtschaft bleibt“.

Aber die These, dass die Bundeswehr kaputtgespart worden sei, ist einfach falsch. Das Gegenteil ist der Fall. Seit 2000 nimmt der Bundeswehretat kontinuierlich zu, von „kaputtgespart“ kann also keine Rede sein.

Am 6. Juli hat das Bundeskabinett den Haushaltsentwurf für 2019 beschlossen. Die Bundesregierung will dort den Militäretat um rund vier Milliarden Euro auf 42,9 Milliarden Euro erhöhen. Das sind 550 Millionen Euro mehr, als die Haushaltseckwerte noch im Mai vorgesehen hatten. Doch von der Leyen machte Druck gegen den sozialdemokratischen Finanzminister Olaf Scholz. Sie drohte mit der Streichung von Aufrüstungsprojekten bei U-Booten und Transportflugzeugen. Da hat Scholz nachgegeben und gewährte nochmal einen ordentlichen Zuschlag. Andere waren nicht so erfolgreich. Zum Vergleich: Während der Militärhaushalt von 2018 auf 2019 um 11,4 Prozent steigen soll, wächst der Haushalt des Bundesministerium für Arbeit und Soziales gerademal um +3,6 %; der Haushalt des Bundesministerium für Gesundheit gerademal um +0,4 %. Und das bei dem Pflegenotstand in Deutschland. Wir brauchen keine Kampfdrohnen, wir brauchen mehr und besser bezahltes Personal in den Krankenhäusern und Pflegeheimen.

Noch dazu erhält das Verteidigungsministerium nun die Möglichkeit, aus nicht ausgegebenen Mitteln einen Fonds für Rüstungsinvestitionen zu bilden. Schätzungsweise  500 Mio. € kommen dort jährlich zusammen. Kein anderes Ministerium erhält so eine Sonderbehandlung. So kann das Verteidigungsministerium im Laufe einer Legislaturperiode einen Schattenhaushalt von bis zu 2 Milliarden Euro bilden, dessen Verwendung nicht an die jährliche Haushaltsplanung durch den Bundestag gebunden ist. Und der Druck der Militaristen bleibt weiter hoch.

Im Lichte von Trumps immensen Forderungen von 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts könnte Merkels Aufrüstung als weniger schlimm erscheinen. Davon dürfen wir uns nicht täuschen lassen. Zwei Prozent klingen wenig. Aber bereits die jetzigen Planungen der Bundesregierung, den Militärhaushalt bis 2024 auf 1,5 Prozent des BIP zu steigern, entsprechen einem Militärhaushalt von  60 Milliarden Euro pro Jahr. Laut offiziellen Nato-Zahlen geben die USA in diesem Jahr 3,5 Prozent und Deutschland 1,24 Prozent für Verteidigung aus. Die Nato-Quote der USA ist damit leicht gesunken, während diejenige Deutschlands gleich blieb – obwohl der deutsche Verteidigungsetat 2018 und 2019 gleich um mehrere Milliarden Euro ansteigt. Nach der Wiedervereinigung habe Deutschland die Verteidigungsausgaben stark gekürzt, so Merkel, diesen Trend aber seit 2014 umgekehrt. „Wir sind den Beschlüssen von Wales verpflichtet, die Verteidigungsausgaben in Richtung zwei Prozent zu erhöhen“, sagte Merkel. Dies brauche aber Zeit: „Wir werden 2024 80 Prozent mehr für Verteidigung ausgeben als 2014.“

Der NATO-Gipfel hat einen Beschluss mit 79 Punkten gefällt. Darin ist von einem „360-Grad-Ansatz“ die Rede. Die Nato will in einem „gefährlichen, unberechenbaren Sicherheitsumfeld im Fluss“ gewappnet sein für Bedrohungen aus dem Osten – also Russland – und aus dem Süden, also durch Terroristen. „Unerschütterlich” erneuert wird das Ziel, bis 2024 die Verteidigungsausgaben in allen Nato-Staaten auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes anzuheben. Gegenüber Russland soll der Doppelansatz aus Abschreckung und Dialog fortgeführt werden. Zentral ist der „4×30“-Beschluss. Bis 2020 sollen 30 Bataillone zu Land, 30 Staffeln in der Luft und 30 Kriegsschiffe zur See binnen 30 Tagen einsatzbereit sein. Auch die „militärische Mobilität“ soll verbessert werden, um Truppen und Material schneller bewegen zu können. Auch für Cybergefahren will sich die Nato besser wappnen. Die Nato betont zudem die Bedeutung der nuklearen Abschreckung. „Solange Atomwaffen existieren, bleibt die Nato eine nukleare Allianz“, heißt es in der Erklärung. Ausdrücklich erwähnt wird die Bedeutung der US-Atomwaffen in Europa, also auch in Deutschland.

Daneben soll die Nato-Kommandostruktur verstärkt werden. So soll ein Cyberabwehrzentrum in Belgien entstehen, ein neues Hauptquartier für die Transporte über den Atlantik in den USA sowie ein Logistik- und Unterstützungskommando in Ulm. Im Irak will die Nato die Streitkräfte mit einer Ausbildungsmission unterstützen. Mit Mazedonien sollen Beitrittsverhandlungen beginnen.

Parallel zu den NATO-Beschlüssen für mehr Aufrüstung und „militärischen Fähigkeiten“ treibt die Bundesregierung die Aufrüstung der EU voran. Die läuft über PESCO, auf Deutsch die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ von 25 Mitgliedsstaaten in Militärfragen. Dabei geht es um nichts anderes als:1. einen europäischen Verteidigungsfonds; 2. ein europäisches militärische Hauptquartier; 3. einen ersten Schritt in Richtung einer interventionsfähigen EU-Armee und 4. europäische Rüstungsprojekte, insbesondere bilaterale Projekte zwischen Deutschland und Frankreich, Deutschland und den Niederlanden, Deutschland und Norwegen.

Folgerichtig plant Verteidigungsministerin von der Leyen mit Frankreich zwei neue Aufrüstungsprojekte: ein neues Waffensystem namens „Future Combat Air System (FCAS)“, das die Kampfflugzeuge Eurofighter ablöst. Das FCAS sollen die Firmen Dassault Aviation und Airbus bauen. FCAS werde das vom Umfang und technologischen Anspruch her bedeutendste zukünftige Rüstungsprojekt Europas. Im Gegenzug erhält Deutschland die Führungsrolle beim Kampfpanzer-Projekt.

Wir brauchen weder Eurofighter-Nachfolger, noch Kampfpanzer. Statt eines Rüstungswettlaufs, brauchen wir Abrüstung. Die Partei DIE LINKE unterstützt deshalb die Kampagne „Abrüsten statt Aufrüsten“ und ruft ihre Gliederungen auf, im Rahmen von Aktionen zum Antikriegstag Unterschriften für die Kampagne zu sammeln und sich an den dezentralen Aktionen der Kampagne zwischen 1. und 4. November zu beteiligen. Unsere Verbündeten sind diejenigen, die gegen ihre Herrschenden und Unterdrücker in ihren Ländern kämpfen. Unsere Verbündeten sind die kurdische und türkische Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner. Es sind die Soldatenmütter in Russland, die Anti-Trump-Bewegung in den USA, die hunderttausend, die letzte Woche in London gegen Trump demonstriert haben, die Millionen, die in Südkorea eine korrupte Präsidentin gestürzt haben.

Vor hundert Jahren wurde der Weltkrieg durch Widerstand beendet. Vor fünfzig Jahren hat eine internationale Protestbewegung die USA gezwungen den Krieg in Vietnam zu beenden.

Es ist die internationale Solidarität von unten, die uns stark macht. Stoppen wir ihre Kriege – Wir haben eine Welt zu gewinnen.

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