Größenwahn oder Unvermögen? Feministische Außenpolitik geht anders!

Hat Heiko Maas mit dem Arbeitsschwerpunkt „Frauen, Frieden und Sicherheit“ wirklich Interesse an einer feministischen Außenpolitik oder wittert er in erster Linie ein populäres Thema?

Als nicht ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat will Deutschland den Vorsitz nutzen und mit einer Kampagne gegen sexualisierte Gewalt in Konflikten „normative Lücken“ schließen.

Nun könnte man sagen: Klasse! Die Betroffenen von sexualisierter Gewalt – egal, ob in Konfliktgebieten oder auch hierzulande – erfahren bisher viel zu wenig Unterstützung durch die Regierungen dieser Welt, Deutschland inbegriffen. Die Stärkung des Schutzes vor sexualisierter Gewalt in Konflikten durch bessere Strafverfolgung und der Ausbau der Unterstützung von Betroffenen werden schon lange eingefordert, ohne dass wirklich Entscheidendes passiert ist.

Die Idee des deutschen Außenministeriums, eine weitere Resolution  im UN-Sicherheitsrat einzubringen, wurde allerdings schon im Vorfeld von zivilgesellschaftlichen Organisationen mit großer Sorge betrachtet.

Die Resolution 2467 sollte an die Resolution 1325 anknüpfen, die vor knapp zwanzig Jahren vom UN-Sicherheitsrat verabschiedet wurde. Mit der Resolution 1325 verbanden sich große Hoffnungen; sie galt oder gilt als ein Meilenstein zur Durchsetzung von Frauenrechten in Konflikten und Kriegen. Neben der Ächtung von sexualisierter Gewalt beinhaltet sie zahlreiche Maßnahmen, wie Frauen in die Friedenssicherung eingebunden werden sollten. Nur: weltweit hapert es an der Umsetzung der Resolution, antidemokratische und frauenfeindliche Kräfte erstarken. Mächtige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat, wie die USA, Russland und China, stellen immer wieder Selbstbestimmungsrechte von Frauen in Frage.

Zur Erinnerung: Eines der ersten Dekrete, die Trump unterschrieb, hatte das Ziel, reproduktive Rechte und die Selbstbestimmung von Frauen einzuschränken. Die sogenannte „Global Gag Rule“ wurde wieder eingeführt. Sie verbietet es Organisationen, Schwangerschaftsabbrüche anzubieten oder  darüber zu informieren – über sexuelle und reproduktive Rechte zu beraten, wenn sie US-amerikanische Gelder erhalten. Also eine faktische Streichung der Mittel. Die USA ist kein verlässlicher Partner, wenn es um Frauenrechte geht! Damit hätte auch Maas rechnen können.

Die Befürchtungen sind eingetreten. Was als hübsche PR-Aktion rüberkam – Heiko Maas hat sich durch gemeinsame Auftritte mit Angelina Jolie geschmückt – hat der Frauenbewegung und den von sexualisierter Gewalt betroffenen Frauen und Mädchen einen Bärendienst erwiesen. Auf die schnelle Erfolgsmeldung fokussiert hat der sozialdemokratische Außenminister sogar in Kauf genommen, dass die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ geschwächt und bereits erreichte Erfolge zunichte gemacht wurden.

Die USA bestanden auf Streichung der Passage zur „reproduktiven Gesundheit“. Erst nachdem die Wissensvermittlung und der Zugang zu Verhütung und Schwangerschaftsabbrüchen getilgt war, waren sie bereit, der Resolution 2467 zuzustimmen. China und Russland enthielten sich bei der Abstimmung.

Mit 13 von 15 Stimmen wurde die neue Resolution verabschiedet – ausgerechnet ohne die ursprüngliche Forderung nach einem festen internationalen Mechanismus zur Verfolgung sexualisierter Gewalttaten. Die UN-Arbeitsgruppe, die zur Erfassung von Verbrechen eingerichtet werden sollte, fehlt nun im Text. Von lesbischen, schwulen, Bi*, Trans*, Inter* und queeren Menschen, die besonders von sexualisierter Gewalt in Konflikten betroffen sind, ist keine Rede mehr.

Das alles ist deshalb ein herber Rückschlag, weil sich der UN-Sicherheitsrat in vorherigen Resolutionen zur sexualisierten Gewalt bereits auf Formulierungen zur reproduktiven und sexuellen Gesundheit geeinigt hatte.

Leidtragende sind die Betroffenen: Frauen, die vergewaltigt wurden und in Folge schwanger geworden sind. Ihnen soll der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen verwehrt werden. Sie  werden doppelt zu Opfern gemacht. Fast die Hälfte der jährlich knapp 56 Millionen Abtreibungen weltweit werden, laut Weltgesundheitsorganisation WHO, mit unsicheren Methoden durchgeführt. In 25 Millionen Fällen sind Frauen demnach mit Praktiken konfrontiert, die als fragwürdig oder gefährlich erachtet werden. Tausende Frauen sterben jährlich an illegalen Abbrüchen. Aber auch wenn sie die Prozedur überstehen, haben die Frauen häufig mit gesundheitlichen oder psychischen Langzeitfolgen zu kämpfen. Frauen den Zugang zu legalen Abbrüchen und einer guten Gesundheitsversorgung zu verweigern, ist Gewalt – in diesem Fall ausgeübt durch die internationale Staatengemeinschaft, angeführt durch Länder wie USA, China und Russland. Staaten, denen der Schutz und die Rechte von Frauen wichtig sind, müssten einer solchen frauenfeindlichen Politik etwas entgegenhalten und sich hinwenden zu einer feministischen Außenpolitik.  Dazu gehören eine konsequent an Menschenrechtsfragen und an Frieden ausgerichtete Politik –  was auch den Stopp von Waffenexporten beinhaltet –  und die durchgängige Einbeziehung von Frauen und Mädchen als Aktivistinnen und Expertinnen in Friedens- und Konfliktverhandlungen.

 Anstatt öffentlich PR-Aktionen zu inszenieren, sollte die Bundesregierung genau damit beginnen!


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