By J. Patrick Fischer - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7409206

Gefährdung der Demokratie in Bosnien und Herzegowina durch außen?

1995 endete der Bosnien-Krieg mit dem Daytoner Abkommen. Eine Maßnahme zur Erhaltung des fragilen Friedens war die Einführung des Hohen Repräsentanten: ein Titel, der vielen unbekannt ist, doch der neue Hohe Repräsentant sorgt momentan für einige Schlagzeilen.

Bosnien und Herzegowina ist ein multiethnischer Staat, bewohnt von Bosniak*innen, Serb*innen, Kroat*innen aber auch kleineren Minderheiten wie Rom*nja und Jüd*innen. Das Land besteht aus zwei Entitäten: der Republika Srpska und der Kroatisch-Bosniakischen Föderation. Für jede der drei größten Gruppen gibt es einen Präsidenten, die gemeinsam über das Land regieren. Und darüber steht der Hohe Repräsentant. Er repräsentiert die Vereinten Nationen in Bosnien und Herzegowina und soll für Frieden sorgen.

Diese Rolle ist aber nicht rein repräsentativ: Er darf demokratisch gewählte Amtsträger entlassen, Gesetze erlassen und neue Behörden erschaffen – und all das als nicht vom Volke gewählter Amtsinhaber.

Der Hohe Repräsentant ist seit 2021 unser ehemaliger Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Christian Schmidt (CSU). Dieser hatte letzte Woche den Vorschlag zu einer Wahlrechtsreform angekündigt, die zu mehr Transparenz bei den Wahlen führen sollte. Er wollte eine Drei-Prozent-Hürde einführen, womit nur Vertreter*innen einer der drei konstitutiven Gruppen (also Bosniak*innen, Serb*innen und Kroat*innen) ins Haus der Völker entsandt werden können, wenn sie mehr als drei Prozent der Bevölkerung eines Kantons ausmachen. Da die Anzahl der Vertreter*innen aber konstant bleiben müsste, würden andere Kantone mehr Plätze erhalten.

Diese Wahlrechtsreform wird seit einiger Zeit von der kroatisch-nationalistischen Partei HDZ gefordert, die in Kroatien regiert. Ihre Schwesterpartei tritt auch bei den Wahlen in Bosnien und Herzegowina an, stellt aber nicht den kroatischen Präsidenten. Der Sozialdemokrat Željko Komšić, der auch von vielen bosniakischen Stimmen gewählt wurde, passt den kroatischen Nationalisten natürlich nicht ins Bild. Nach den Änderungen würden Stimmen aus den durchmischten und damit gemäßigteren Kantonen wegfallen. Die HDZ würde wohl wieder den Präsidenten stellen können. Dieses Einmischen von außen wird politisch auch von den USA und Großbritannien gestützt.

Es kam in den vergangenen Tagen zu Massenprotesten, und nun wurden Änderungen an dem Vorhaben angekündigt. Gestern berieten Politiker*innen aller Parteien mit dem Hohen Repräsentant Schmidt, wie es weiter gehen soll. Dieser kündigte nun an, das Vorhaben für sechs Wochen auf Eis legen zu wollen, und fordert von den Politiker*innen einen Gegenvorschlag. Nach diesen sechs Wochen könnte er aber ohne Zustimmung des Parlaments dennoch diese Reform durchsetzen, kurz vor der Parlamentswahl im Oktober.

Bosnien und Herzegowina braucht eine Wahlrechtsreform. Denn für das höchste Wahlamt des Landes kann man nicht kandidieren, wenn man zur „falschen“ Volksgruppe gehört. Minderheiten wie Romn*ja, Jüd*innen und Jugoslaw*innen dürfen weder ihren eigenen Präsidenten wählen noch für den Posten kandidieren. Der Vorschlag Schmidts ist undemokratisch und ein Schritt in die falsche Richtung. Denn Bosnien und Herzegowina ist ein multiethnischer Staat, der alle Bewohner*innen gleichermaßen repräsentieren sollte.

Von Sunaja Baltic, Kreissprecherin die Linke Aachen.

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