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GDL-Streik: Verzerrtes Bild in der Öffentlichkeit

Mit 28 von 29 Verkehrsunternehmen ist die GDL sich bereits einig – lediglich der Tarifabschluss mit der DB fehlt noch. DB-Vorstand, Politik und Medien – sie alle sind sich einig: Es ist die GDL, die durch mangelnde Verhandlungsbereitschaft der alleinige Verantwortliche für die aktuellen Streiks sei. Ein Mythos, den die Deutsche Bahn gezielt in die Welt setzt – in der aktuellen Tarifrunde ist nämlich genau das Gegenteil der Fall.

„Tricksen, Täuschen, Taschen füllen“ – Letztes Angebot der DB vor Streik war vom 19. Januar

Obwohl sich der Vorstand der Deutschen Bahn in den Medien gerne als kompromissbereit darstellt und behauptet, der GDL fortlaufend neue Angebote zu machen, sieht die Realität ganz anders aus: Bis zum Streik vom 12. März 2024 wurden seit dem 19. Januar keine neuen Angebote mehr vorgelegt. Die DB täuscht die Öffentlichkeit an dieser Stelle gezielt, um die Rückendeckung der Streikenden innerhalb der Bevölkerung zu brechen. Eine Desinformationskampagne, die von großen Teilen der Politik und der Medien mitgetragen wird.

Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist es vor allem die DB, die sich als nicht kompromissbereit zeigt. Während ihr Vorstand herausposaunt, dass „die GDL nicht von ihren Maximalforderungen abrücken“ würde, zeigt der Tarifabschluss mit den 28 anderen Verkehrsunternehmen, der bereits erzielt wurde, entschieden das Gegenteil. So rückt die GDL beispielsweise bei ihren Maximalforderungen nach einer rückwirkenden Entgelterhöhung von 555 Euro, einer Zulagenerhöhung von 25 Prozent, der sofortigen Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, einem Ruhetag von 48 Stunden nach einer Fünf-Tages-Woche und einer Laufzeit von zwölf Monaten ab. Sie zeigt sich hier verhandlungsbereit und passte die Forderungen auf eine 420 Euro Entgelterhöhung nach sechs Monaten, einer Zulagenerhöhung von zehn Prozent, einer schrittweisen Einführung der 35-Stunden-Woche bis 2028, einer grundsätzlichen Fünf-Tage-Woche mit einem Ruhetag von mindestens 48 Stunden nach einer 120 Stunden Arbeitsphase und einer Laufzeit von 24 Monaten an. Ein Einigungsvorschlag, mit dem lediglich die DB nicht einverstanden ist. Sie beharrt weiter auf eine Verschlechterung der Ruhetagsregelung zur Ausgleichung ihres eigenen Missmanagements, mehr Arbeit, weniger Geld, auf eine unrealistische Laufzeit von 32 Monaten und dem Wegfall bestehender tarifvertraglicher Regelungen zum Nachteil der Arbeitnehmer.

Weselsky verdeutlicht also: Die Gewerkschaft GDL ist zu Verhandlungen bereit, wenn die Arbeitgeberseite auch ernsthaft an der Verbesserung der Arbeits-, Lebens- und Einkommensbedingungen ihrer Mitarbeiter interessiert ist. Dieses Interesse scheint bei der Deutschen Bahn nicht vorhanden zu sein. Die am 12. März durchgeführten Streiks hätten ansonsten vom Management der DB verhindert werden können. Ein schriftliches Angebot bis zum 10. März, 18 Uhr hätte ausgereicht, um die Streiks platzen zu lassen. Somit gibt es lediglich eine Seite, auf die sich der Frust der Fahrgäste beziehen sollte: die Arbeitgeberseite rund um Personalchef Martin Seiler.

„Die GDL wird sich jedoch von der Arbeitgeberseite nicht provozieren lassen. Sie hat die Deutsche Bahn AG deshalb aufgefordert, im Interesse ihrer Mitarbeiter und der Fahrgäste bis Sonntag, den 10. März, 18:00 Uhr ein schriftliches Angebot zu unterbreiten. Sollte bis dahin ein Angebot vorliegen, welches auf der bereits verankerten Marktreferenz basiert, steht die GDL ab Montag, dem 11. März, 13:00 Uhr zu Verhandlungen bereit. In diesem Fall werden wir auch die bereits angekündigten Arbeitskampfmaßnahmen nicht durchführen.“

Pressemitteilung der GDL vom 08.03.2024: Tarifkonflikt DB AG – GDL lässt sich nicht provozieren!

Auf Vorstandsseite werden sich somit mit Bonuszahlungen im Millionenbereich und absurden Gehaltserhöhungen die eigenen Taschen vollgemacht, für die Arbeitnehmer bleibt weiter nichts als Hohn übrig.

26. Februar: Gesamtvorschlag der Moderatoren – Bahn brüskiert GDL mit unverschämten Forderungen

Nach demselben Schema ging die Bahn nach dem Gesamtvorschlag der Moderatoren vom 26. Februar ebenso vor. Hier warf sie der GDL vor, als alleiniger Verhandlungspartner den Vorschlag der Moderatoren abgelehnt zu haben, verschwieg dabei jedoch, dass sie ebenfalls nicht bereit waren, diesem Vorschlag nachzugeben. Während die Gewerkschaftsvertreter auf dessen Grundlage weiterverhandeln wollten, bestand die DB weiter auf ihrer Forderung nach einer Vertragslaufzeit von 32 Monaten. Hierbei sei erwähnt, dass die Moderatoren die Laufzeit lediglich um zwei Monate, auf 30, reduzieren wollten. Zur Erinnerung: Der ursprüngliche Vorschlag der GDL lag bei zwölf Monaten, die Einigung mit den anderen Verkehrsbetrieben bei 24. Hier wird besonders deutlich, welche Seite tatsächlich kein Interesse an Verhandlungen hat.

Als unverhandelbar bezeichnete sie auch die untragbaren Forderungen, bereits bestehende tarifvertragliche Regelungen zum Nachteil der GDL-Mitglieder zu streichen. Hier solle beispielsweise das gestaffelte Urlaubswahlmodell, eine bei Arbeitnehmern beliebte Bestandsregel, mit der die DB auch in ihren Rekrutierungskampagnen regelmäßig wirbt und die bis zu 42 Urlaubstage ermöglicht, wegfallen. Auch das einzige freie Wochenende im Monat soll den Arbeitnehmern in Zukunft geraubt werden können. So fordert die Bahn, dass die Lokführer die Verspätungen, Planungsfehler und die mangelhafte Betriebsqualität, die aus dem Missmanagement des Konzerns entstehen, zukünftig vermehrt mit ihrer Freizeit ausgleichen. Dies stellt eine Verschlechterung der Ruhetagsregelung dar und verdeutlicht, dass die Bahn an Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und somit auch an der Fortsetzung der Verhandlungen keinerlei Interesse hat.

Gerichtssaal statt Verhandlungstisch: DB provokant, statt produktiv

Wie bereits erwähnt, hätte ein schriftliches Angebot der DB bis zum 10. März bereits ausgereicht, um den Streiktag vom 12. März zu verhindern. Die Bahn entschied sich anders. Statt auf produktive Verhandlungen zu setzen, provoziert sie die GDL weiter und wollte sie gerichtlich dazu zwingen, den Streik niederzulegen.

Hierbei war es zwar schon vor dem Urteil klar, dass die DB mit der Klage keinen Erfolg haben wird. Nach der Klage Anfang Januar, in der die DB der GDL vorwarf, überhaupt nicht tariffähig zu sein, ist das Scheitern des Eilantrages auf einstweilige Verfügung gegen die Streiks nun jedoch bereits der zweite gerichtliche Großangriff seitens der Bahn in der aktuellen Tarifrunde. Diese Maßnahmen können als Symbolbild der Verhandlungsstrategie der Deutschen Bahn ausgemacht werden. Eine Strategie, die auf Konfrontation und Zerstörung, nicht auf Einigung ausgelegt ist.

Ein Interview mit Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow im Spiegel bestätigt diese Annahme. Ramelow, der in früheren Tarifauseinandersetzungen der Gewerkschaft mit der Bahn bereits als Schlichter eingesetzt wurde, sprach ebenso von einer Zerstörungsabsicht seitens des Bahnvorstandes gegenüber der GDL.

Ist das Streikrecht noch unantastbar?

Mittlerweile laufen die Verhandlungen wieder, CDU und FDP nutzen diesen Arbeitskampf zwischen DB und GDL jedoch für ihren Vorschlag, das deutsche Streikrecht, welches schon jetzt eines der repressivsten in Europa ist, weiter einzuschränken. Streiks sollen nach ihrer Vorstellung in Zukunft nur nach gescheiterter Schlichtung und mit einer Mindestankündigungsfrist stattfinden können. Zumindest bei der FDP ist auch im Gespräch, kleineren Gewerkschaften das Recht zu streiken vollständig zu nehmen. Die Politik übernimmt nach den Tarifverhandlungen also das Ziel des DB-Vorstandes: die Zerschlagung der Gewerkschaft. Die GDL soll nach Verhandlungsende also nicht mehr gerichtlich, sondern politisch zerstört werden.

Während sich DGB-Chefin Yasmin Fahimi berechtigterweise dagegen wehrt, dass man den Arbeitern und ihren Gewerkschaften ihr einziges Mittel im Arbeitskampf, den Streik, praktisch streichen will, bestätigte Verkehrsminister Wissing (FDP) kürzlich, dass sich die Politik vermutlich in Kürze mit einer Einschränkung dieses Grundrechts beschäftigen wird. Das Streikrecht ist in Deutschland somit längst nicht mehr unantastbar. Dass ausgerechnet die Tarifauseinandersetzung bei einem Staatskonzern – die Deutsche Bahn AG ist zu 100 Prozent in den Händen der Bundesrepublik Deutschland – zur Schleifung dieses Rechts genutzt wird, gibt dem ganzen Drama einen ganz üblen Beigeschmack.

„Nein, es geht ja um was anderes, es geht ja darum, dass man sagt, man möchte das Streikrecht einschränken, indem eine Schlichtung verpflichtend ist. Das würde aber nichts anderes bedeuten als die Möglichkeit des Arbeitgebers, dreimal Tarifrunden einfach scheitern zu lassen, um dann in eine verpflichtende Schlichtung zu gehen, wo man die Tarifautonomie an Dritte abgibt. Das heißt, das ist alles eine Diskussion der Politik von oben, die Rechte, die man sich von unten erkämpfen kann, jetzt einschränken will und das in einem Kontext der sogenannten ‚kritischen Infrastruktur‘.“

Yasmin Fahimi, DGB; ZDF heute

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