„Die wahrhafte Widerlegung muss in die Kraft des Gegners eingehen und sich in den Umkreis seiner Stärke stellen;
ihn außerhalb seiner selbst anzugreifen und da Recht zu behalten, wo er nicht ist, fördert die Sache nicht“ (Hegel).
Der AfD-Parteikovorsitzende Jörg Meuthen hat am 1. April in einem Interview mit der Onlineplattform „Tichys Einblick“ auf die „permanent konfliktträchtige Konstellation“ innerhalb der AfD hingewiesen. „Jeder weiß, dass der ‚Flügel’ und dessen maßgebliche Exponenten uns ganz massiv Wählerstimmen im bürgerlichen Lager kosten, und ich denke auch, dass die ordoliberalen Ansichten des bürgerlich-konservativen Teils der AfD noch bessere Ergebnisse im staatspaternalistischen Wählermilieu des ‚Flügels’ verhindern. … Hätten wir diese – ich betone –wechselseitige Hemmung nicht, würden wir uns angesichts des unübersehbaren Niedergangs der ehemaligen Volksparteien längst auf einem Niveau bewegen, wie es etwa die Lega von Matteo Salvini und die Fratelli d´Italia in Italien spielen. Davon bleiben wir aber durch permanente interne Kämpfe … leider immer noch weit entfernt.“ Meuthen tut so, als seien die Widersprüche in der AfD nur Gegensätze zwischen zwei verschiedenen Gruppen der Partei. Dieser Artikel zeigt: Widersprüche durchziehen das AfD-Gedankengut in seiner „Tiefe“.
Differenzen in (gewiss wichtigen) einzelnen Themen (zum Beispiel in der Flüchtlings- und der Klimapolitik) zwischen der AfD und den anderen Parteien sind bekannt. Vielen bleibt in Bezug auf die AfD jedoch unklar, ob und wie sie sich programmatisch und weltanschaulich von anderen Parteien wie der CDU und FDP unterscheidet. Bereits bei der Frage nach der Verortung zwischen „rechts“ und „liberal“ wird es bei der AfD schwierig. Dieser Artikel skizziert versuchsweise eine „konsequente“ „Linie“ einer rechten patriotischen Position unabhängig von der AfD und rechten Kleinparteien. Eine solche Herangehensweise, die nicht von vorneherein die AfD vom Standpunkt anderer Bundestagsparteien beurteilt, ermöglicht es, immanente Widersprüche der AfD wahrzunehmen.
Wer als rechter Patriot für ein starkes Deutschland eintritt, sollte, so möchte man meinen, eine „starke deutsche Wirtschaft“ befürworten und sich freuen, dass Deutschland die ökonomisch und politisch stärkste Macht in Europa ist. Wenn kleinere europäische Länder darüber klagen, „Deutschland“ würde von der EU am meisten profitieren, dann dürfte der rechte deutsche Patriot dieses Klagelied befriedigt wahrnehmen. In seinen Ohren klingt es wie Lobgesang auf deutsche Hegemonie in Europa. „Was der Hitler nicht geschafft, schaffen wir mit EU-Kraft“ – so ähnlich könnte die Parole lauten.
Für diesen rechten Patrioten erscheinen viele Rechte als Leute, die nicht um die Ecke denken können. Solche Möchtegern-Nationalisten würden nicht wahrnehmen, wie „die deutsche Wirtschaft“ sich gegenwärtig in der EU und mit ihr durchsetzt. Dumpfe Nationalisten würden in jedem Staatenbündnis (wie der EU) und in jeder Teilung der Souveränität nur den Verrat am Ideal und Prinzip des Nationalstaats sehen. Ihre Aufmerksamkeit gilt der Beschränkung der einzelnen Nation durch die EU und nicht dem Nutzen der EU für die in ihr wirtschaftlich dominierende Nation, die von ihr einen besonderen Gewinn hat.
Unser rechter deutscher Patriot dürfte erwarten, dass seine AfD-Kameraden sich für eine gesunde Natur in Deutschland einsetzen. Wenn sich junge Menschen – angeführt von einer nordischen Greta – dafür engagieren, dann sollte das Anlass zur Freude sein. Denn eines sei klar: Kein Vaterland ohne gesunde Mutter Erde. Zur nationalen Gesundheit gehört auch die des Volkskörpers.
Der rechte nationale Patriot wird von Singapur schwärmen: Der Staat setzt dort drakonisch mit Propaganda, Überwachung und Strafen durch, dass niemand etwas auf die Straßen wirft und sich der Impfpflicht entzieht. Das sollte Grund sein für rechte Begeisterung: Es gibt sie also doch noch: Länder, wo eines mal klar ist: Keine starke Nation ohne starken Staat!
Wie steht der rechte Patriot mit seinen eben beschriebenen politischen Positionen zur AfD? Ihm missfällt, dass sie den Brexit begrüßt und damit die EU als eine die deutsche Wirtschaft beziehungsweise wenigstens die in ihr dominanten Branchen fördernde Einrichtung schwächt. Das sei so, als ob man für „das Reich“ eintritt und zugleich die Sezession einer von ihm beeinflussten Provinzen befürwortet. Die AfD bekämpft das Engagement der Jugend für „Mutter Natur“. Die AfD lehnt das Gesetz zur Impfpflicht gegen Masern ab und stellt sich damit praktisch auf die Seite der gefährlichen Schädlinge, die die Volksgesundheit angreifen.
Gauland bezeichnet den NS als „Vogelschiss der Geschichte“, also als eine Lappalie. Das erträgt der rechte deutsche Patriot nicht. Vom Standpunkt des starken Deutschlands interessieren ihn sechs Millionen ermordete Juden ebenso wenig wie die in einem Vernichtungskrieg getöteten 14 Millionen zivile Sowjetbürger. (In Deutschland waren 1.170.000 zivile Opfer des 2. Weltkrieges zu beklagen.) Eine Herzensangelegenheit des rechten deutschen Patrioten bildet vielmehr die deutsche Heimat. Und so „geschichtsbewusst“ ist er, dass er Deutschlands geographische Größe vor und nach Hitler zu vergleichen weiß. Uns für immer entrissen seien Ostpreußen (36.966 Quadratkilometer), Ober- und Niederschlesien (34.529 Quadratkilometer), Pommern östlich der Oder (das historische Hinterpommern) sowie Stettin und die Odermündung (31.301 Quadratkilometer), der Regierungsbezirk Frankfurt der Provinz Brandenburg ohne seinen westlich von Oder und Neiße gelegenen Teil (11.329 Quadratkilometer). Zusammen haben wir es mit Flächen im Umfang von ca. 114.000 Quadratkilometer zu tun. Das geographisch größte Bundesland der heutigen Bundesrepublik Deutschland (Bayern) umfasst 70.500 Quadratkilometer. Schönste deutsche Provinzen im Umfang von 1,5 Bayern gehören nicht mehr zu uns. Königsberg und Breslau – diese Perlen unter den deutschen Städten – verloren an den Russen und den Polen! Wie kann ein Gauland da nur vom „Vogelschiss der Geschichte“ sprechen? Die Amputation Ostdeutschlands – und das liege nun wirklich nicht im „Mitteldeutschland“ der früheren DDR – vom deutschen Volkskörper, das sei eine Wunde, die im nationalen Gefühl des rechten deutschen Patrioten nie verheilen kann, wird und soll. Der rechte deutsche Patriot erinnert sich an die Plakate mit der Aufschrift „3geteilt? Niemals!“ des „Kuratoriums Unteilbares Deutschland“.
Ein NS-Nostalgiker muss der rechte Patriot nicht sein: Hitler habe den Krieg unter Missachtung des militärischen Sachverstands und mit so grotesker Selbstüberschätzung geführt, dass nachher Deutschland nicht nur in Schutt und Asche lag, sondern zerstückelt war. Das kann unser rechter Patriot nicht entschuldigen. Ein Staatsführer solle wissen, was er tut. Ja zum Risiko, nein zum Abenteurertum, mit dem man ohne Rücksicht auf die eigene Existenz Glücksritter spielt. Dem rechten deutschen Patrioten ist Verantwortung wichtig. Ein Mann müsse die Folgen seines Tuns im Voraus abschätzen können. Man handelt bewusst als Subjekt und verantwortet seine Taten. Wer beanspruche, als „Führer“ zu gelten, könne sich nicht damit herausreden, andere seien schuld oder hätten ihn arglistig getäuscht.
Nicht nur bei der verpflichtenden Masernimpfung hat die AfD von „einem wiederholten Angriff auf Freiheitsrechte der Bürger“ gesprochen, so Ulrich Oehme, Bundestagsabgeordneter der AfD bei der Bundestagsdebatte dazu (Das Parlament, Nr. 43, 21.20, 2019, S. 6). Diese „Freiheitsrechte der Bürger“ werden von der AfD auch gegen alle Maßnahmen ins Feld geführt, die unserem deutschen Wald, unserer deutschen Luft und Erde zugutekommen. Der rechte Patriot sieht darin die typisch liberale Religion des Privateigentümers. Die AfD wirkt auf ihn wie der radikalisierte Verteidiger des Privatinteresses gegen alle staatlichen Maßgaben. Die AfD wolle, so beanstandet der rechte Patriot, nichts wissen von der Kritik an diesem „Typus des Menschen, der weder für eine Idee, noch für Gott lebt, sondern nur für den Zweck und den Nestegoismus“ (Stefan George). Der rechte Patriot ist modern genug, um sich die Parole „Du bist nichts, Dein Volk ist alles“ zu verkneifen. Das Herumgenörgel der AfD an allen wirklichen und vermeintlichen staatlichen Eingriffen in die „Freiheitsrechte der Bürger“ hält er für ein gefährliches Mobilisieren „niederster“, geradezu anarchischer Instinkte. Eigentlich sollten die Opfer doch selbstverständlich sein, die die Individuen für „ihr Land“ zu leisten haben. Die ständige Motzerei der AfD gegen vermeintliche Einschränkungen von Freiheitsrechten der Individuen gilt dem rechten Patrioten als Zersetzung des Sinns für Staat und Nation. Als ob es nur noch Bäume gebe und keinen Wald! Dem rechten Patrioten fährt eiskalter Schauder ins Herz, wenn er sich an den Schlachtruf von Margaret Thatcher erinnert, so etwas wie eine Gesellschaft gebe es gar nicht, sondern es gebe nur Individuen, deren Familien und Gruppen, die sich um Interessen bildeten. Die AfD springt auf den Protest von Leuten auf, die erst dann etwas gegen Windräder haben, wenn sie in ihrer Nachbarschaft stehen. Bedient werden in solchem Protest Maximen wie: „Jeder ist sich selbst der Nächste. Jeder für sich, keiner für alle. Verschon mein Haus, zünd andere an (St. Florians-Prinzip)! Not in my backyard (‘Nimby’)! Hauptsache, es trifft nicht mich.“ Wer wie die AfD gegen alle Einschränkungen der Freiheit des Individuums eintrete, könne gleich die Schulpflicht infrage stellen. Beatrix von Storch meint dann auch konsequent: „Ich halte es nicht für schlecht, wenn Eltern das Recht haben, die Kinder allein zu Hause zu unterrichten.“ (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 9.03.2014).
Die AfD nehme den Standpunkt des „liberalen Einzelmensch-Bewusstseins“ ein, das sich an der „händereibenden Behaglichkeit eines ungestörten“ Genusses orientiert (Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen). Dem rechten Patrioten missfällt, dass für den Liberalismus das Individuum die erste Rolle spiele. Er kenne keine Bindung an ein Höheres oder den Dienst für es. Dem Liberalismus sei das Individuum selbst das Höchste. Anknüpfen könnte diese Kritik an Alexis de Tocqueville. Er stellte schon Mitte des 19. Jahrhunderts über Bürger (im Unterschied zu bewussten Staatsbürgern oder Republikanern) fest: Sie „sind niemandem etwas schuldig, sie erwarten sozusagen von niemandem etwas; sie gewöhnen sich daran, stets von den anderen gesondert zu bleiben, sie bilden sich gern ein, ihr ganzes Schicksal liege in ihren Händen“ (Tocqueville, Demokratie in Amerika). Bürgerliche Individuen kümmern sich vorrangig um ihr Privateigentum und ihr Privatinteresse. „Der Eifer, mit dem sie die kleinen Geschäfte betreiben, dämpft sie gegenüber den großen“ (Ebd.). Für letztere schlägt das Herz des rechten Patrioten.
Wirtschaftsbürger hegen Vorbehalte gegen „zu viel Staat“. Sie befürchten Einschränkungen ihrer Handlungsautonomie und zu hohe Steuern. Zugleich schätzen ökonomisch aktive Bürger den Staat in seiner Eigenschaft als Organisator von Infrastrukturen und Bedingungen des Wirtschaftens, die die Wirtschaftsbürger aus eigener Kraft nicht erstellen können. Auch aus anderen Gründen schlägt ein genuin (wirtschafts-)bürgerliches Bewusstsein in eine Affirmation des Staates um. Schon am frühen Bürger ließ sich eines beobachten: „Seine Unabhängigkeit erfüllt ihn im Kreis von seinesgleichen mit Vertrauen und Stolz, und seine Schwäche weckt in ihm von Zeit zu Zeit das Verlangen nach fremder Hilfe, die er von keinem von ihnen erwarten kann, da sie alle machtlos und kühl sind. In dieser Notlage richtet er natürlich seinen Blicke auf jenes riesenhafte Wesen, das als einziges das allgemeine Hinabsinken überragt“ (Tocqueville).
Die AfD mutet dem rechten Patrioten als eine „Anschlussverwendung“ (Phillipp Rösler über die bei Schlecker beschäftigten Frauen) des Westerwelle-Liberalismus an, der sich das nationale Fähnchen anheftet wie eine ausgerissene Vogelfeder. Alice Weidel, früher tätig bei Goldman Sachs und Allianz Global Investors, erscheint als die inhaltlich leicht nach rechts verschobene Nachfolgefigur des früheren Chefs der „Egoistenpartei“ FDP, Guido Westerwelle. Und das penetrante Klagen, alle würden immer auf der AfD herumhacken, passe allein zu verwöhnten und passiven Gören. Die beim AfD-Klientel inflationär verbreitete Tour, mit Opfergetue Sonderrechte, Beistand oder Unterstützung erreichen zu wollen, widerspreche dem „männlichen“ Stolz auf Selbständigkeit und Stärke. Eine solche Kultur der Schwäche gilt dem rechten Patrioten als Resultat eines Sozialstaats, der die Individuen „pampere“ und ihnen den Kampfgeist abgewöhne. Rechte Patrioten sehen nicht nur den Anti-Staats-Affekt der AfD mit Abscheu. Was ein rechter Patriot ist, der weiß von denjenigen AfDlern („Der Flügel“), die meinen, Nationales und Soziales verbinden zu wollen, dass sie faktisch den Sozialstaat stärken. Dieser wiederum aber schwäche so sicher wie das Amen in der Kirche die Bereitschaft dafür, sich als Kämpfer für die Größe Deutschlands zu betätigen und dergestalt ein starkes unbürgerliches Individuum zu sein. Es mache kein großes Gewese von dem, was ihm angetan werde, sondern konzentriere sich auf seine souveränen Taten.
Allerdings lässt sich der Liberalismus auch anders verstehen. Er ist nicht allein verknüpft mit dem Besitzindividualismus, sondern auch mit Grund- und Menschenrechten. Als deren Anwalt gilt die AfD gemeinhin nicht. Ihr erscheinen Grund- und Menschenrechte als lästiges Hindernis beim Unterfangen, gegen Migranten vorzugehen. Auch in Bezug auf vermeintliche oder wirkliche Straftäter ist der AfD zufolge keine Rücksicht geboten. Allerdings bleibt offen, wie weit AfDler dabei gehen. Wenn der rechte Patriot ihnen tendenziell so etwas wie eine liberale Weichei-Mentalität und mangelnde Härte zuschreibt, fragt sich, ob alle, die einen harten Staat befürworten, sich auch vergegenwärtigen, was mit ihm auf sie zukommt. Das Beispiel Singapur liefert dafür Anschauungsmaterial. Im Wikipedia-Artikel Singapur heißt es:
„In Singapur werden bei schweren Straftaten (zum Beispiel Vergewaltigungen), häufig aber auch bei einer Reihe von nach europäischem Maßstab als Ordnungswidrigkeiten zu betrachtenden Taten, zusätzlich zu einer Gefängnisstrafe auch Körperstrafen verhängt. Vollstreckt werden diese ausschließlich gegen Männer im Alter zwischen 16 und 50 Jahren, die altersunabhängig mit bis zu 24 Hieben in einem Durchgang auf das entblößte Gesäß gezüchtigt werden. Bei diesem sogenannten Caning wird der Delinquent über einen Prügelbock gespannt und erhält von einem speziell ausgebildeten Justizbeamten in einem festgelegten Verfahren mit einem langen Rohrstock schwere Schläge, die zu bleibenden Narben führen. Der Zweck ist das Erreichen maximaler Qualen bei kleinstem dauerhaftem Schaden. Der dabei verwendete Rohrstock ist etwa 1,20 Meter lang und 13 Millimeter dick, jedoch extrem elastisch; die Ausbilder sind gehalten, mit dem Stock Geschwindigkeiten von mindestens 160 km/h zu erreichen und beim Auftreffen auf das Gewebe den Stock zu ziehen, um bei jedem Schlag die Haut aufzureißen.“ Nicht, dass der Liberalismus vor Härten gegen die Individuen schützt. Aber immerhin, so lautet ein Einwand gegen die Position unbürgerlicher Härte, bewahrt er vor offiziell vorgesehenem und explizit angeordnetem Prügelstrafen-Sadismus. Wenn Polizisten, wie in Hamburg publik geworden, Demonstranten mit „Schmerzgriffen“ traktieren, stößt das in der Öffentlichkeit auf Protest.
Der rechte Patriot wird kaum Einwände dagegen haben, dass bei den AfDlern das Nach-unten-Treten gegen die Migranten eine große Rolle spielt. Er wird aber meinen, der AfD fehle eine eigene substanzielle positive Idee für die Nation. Die Rede vom „christlichen Abendland“ sei nicht mehr als das undeutliche Kontrastbild zur „islamischen Gefahr“. Entsprechende Werte würden von AfDlern nicht mehr praktiziert oder gefüllt als von Nicht-AfDlern. (Vgl. auch die Häufung von Delikten bei AfD-Bundestagsabgeordneten, vgl. unter anderem hier). Saubermänner und -frauen sehen anders aus, meint der rechte Patriot.
Schon angesichts des bescheidenen Ansinnens, auf ein bisschen Tempo beim Autofahren zu verzichten und einige Unbequemlichkeiten zu erdulden, benähmen sich die AfD-Leader wie Anführer einer Autofahrer-Partei. Wo Ökos für Verzicht zugunsten von Mutter Erde eintreten, sehen AfDler einen „Krieg gegen die Autofahrer und das Auto“. Wer so fixiert auf seine partikularen Interessen sei, mit dem sei kein Staat zu machen. Dabei könnten AfDler sich zumindest in Einem bei den radikalen Ökos etwas abgucken. Wenigstens sie hätten einen positiven Begriff vom Opfer. Bei der AfD herrsche stattdessen kleinlicher Krämergeist und ebenso ängstliche wie fanatische Besitzstandswahrungsmentalität. Meckerer und Motzer, die an allem Anstoß nehmen, was ihrem überkompensatorisch aufgeblähten Ego als Kränkung erscheint, bilden eine traurige Truppe. Sie sei das extreme Gegenteil zu dem, was von Leuten, die ihre Nation radikal nach vorne bringen wollen, an Mentalität und Charakter geboten werden müsse, meint der rechte Patriot. Beim AfD-Personal handle es sich um Leute, die „die nationale Sache“ zum Anlass nehmen für Pöstchenjägerei und Pfründnerinteressen sowie Profilneurose und Geltungssucht. Die Dominanz von Ressentiment und Neid lasse es nicht zu, nach so etwas wie „zeitgemäßem Heroismus“ (Dieter Thomä: Warum Demokratien Helden brauchen. Berlin 2019) auch nur ernsthaft zu fragen.
Der rechte Patriot meint: Die AfD ist gegenfixiert auf all das, was sie für eine Bevormundung des freien Individuums hält. Dieses Plädoyer für die Freisetzung individueller Beliebigkeit, die Diversifizierung individueller Lebensstile und der Kult partikularer Distinktion (jeder anders als der andere) gilt vom Standpunkt des starken Staates als billigende Inkaufnahme von Unsicherheit. Zugleich tut die AfD an anderer Stelle so, als gehe es ihr um Sicherheit. Sie spielt in Bezug auf die Klimakrise die Unmöglichkeit einer 150 Prozent richtigen wissenschaftlichen Aussage über die zukünftige Entwicklung gegen jede Aussage über das Klima aus. Im AfD-Grundsatzprogramm heißt es: „Die Aussagen des Weltklimarats, dass Klimaänderungen vorwiegend menschengemacht seien, sind wissenschaftlich nicht gesichert. Sie basieren allein auf Rechenmodellen, die weder das vergangene noch das aktuelle Klima korrekt beschreiben können.“ Dazu bemerkt Hans Babendreyer zu Recht: „‚Vorwiegend’ – also doch so ein bisschen? Und wie korrekt ist ‚korrekt’? Welche Kommastelle? Und ‚nicht gesichert’? Wie sicher ist ‚sicher’? Auch medizinische Diagnosen sind oft nicht ‚sicher’ – die einzige wirklich sichere stellt der Pathologe nach Sektion der Leiche – aber man wird doch lieber auf hinreichenden Verdacht hin behandeln.“ Was für ein durchschaubarer Advokatentrick, mit unerfüllbaren Anforderungen an die Sicherheit wissenschaftlicher Aussagen ein von negativen Entwicklungen des Klimas freies Dasein zu verspielen.
Die AfD nimmt in Bezug auf die EU den Standpunkt nationaler Souveränität und Unabhängigkeit ein und ignoriert beflissen den positiven Beitrag der EU zum Erfolg der „deutschen Wirtschaft“. Diese Partei spielt ein Gefühl nationaler Ungebundenheit gegen den Nutzen von internationaler Vernetzung für die deutsche Wirtschaft aus. Die AfD zeigt in ihrem Protest gegen vermeintliche oder wirkliche Beschränkungen individueller Freiheit Sympathie für ein Minimalstaatskonzept. Diese Partei stellt die Möglichkeit des Individuums, so zu handeln, wie es ihm beliebt, über die Macht des Staates. Zugleich spricht sich die AfD für eine starke Nation aus. Diejenigen in der AfD, die einen starken nationalen Sozialstaat befürworten, widersprechen damit aber wiederum faktisch der Vorstellung des auf sich gestellten starken Individuums. Die Parteinahme für einen starken nationalen Sozialstaat steht neben dem Plädoyer für möglichst wenig Staat, das im Protest gegen Einschränkungen der individuellen Willkürfreiheit steckt. Der Staat soll, so die AfD, nach außen gegen andere Nationen und vor allem gegen Migranten Stärke beweisen, im Inneren aber sich klein machen, wenn es um Opfer der Individuen für die Nation geht. Die AfD agiert nicht nur gegen den „Soli“ wie eine Steuersenkungspartei. Der Staat soll nach Ansicht der AfD ein möglichst billiger Dienstleister sein, seine Leistungen gelten der gleichen Partei aber überall als zu wenig.
Die Anhänger der AfD müssen, wenn sie einen ihrer Standpunkte vertreten, andere im gleichen Moment vergessen. Sie können nur von einer Position zur anderen driften. Die verschiedenen AfD-Positionen passen nicht zusammen. Sie widersprechen einander.
Eine Antwort
„Wer als rechter Patriot für ein starkes Deutschland eintritt, sollte, so möchte man meinen, eine „starke deutsche Wirtschaft“ befürworten und sich freuen, dass Deutschland die ökonomisch und politisch stärkste Macht in Europa ist. Wenn kleinere europäische Länder darüber klagen, „Deutschland“ würde von der EU am meisten profitieren, dann dürfte der rechte deutsche Patriot dieses Klagelied befriedigt wahrnehmen.“
„Rechte“ Patrioten wissen, dass der deutsche Export dank des Euros billiger ist. Richtig. Sie wissen aber auch, dass die Südländer nicht abwerten können und infolge dessen, in letzter Konsequenz deutsche Sparer die Südländer und damit indirekt unsere Exportwirtschaft subventionieren müssen. Der Euro scheitert. Das weiß der AfD-Wähler. Und darum macht er sich Sorgen – um sein Geld. Steigt Deutschland aus dem Euro aus, bricht der Export ein, bleibt Deutschland im Euro, krachen unsere Banken zusammen. Was ist besser?
Deutschland braucht junge Migranten. Richtig. Die meisten jungen Migranten sind aber ungebildet und sehr oft illiterat. Ein Asylbewerber kostet in seinem Leben ca. 450.000 Euro. Was ist besser? Zuwanderung oder nicht Zuwanderung?
Migranten schneiden im Unterschied zu herkunftsdeutschen Schülern im durchschnitt massiv schlechter ab. Sie stellen derzeit 47% der unter 16-Jährigen in Westdeutschland. Alternative?
Das Deutsche Schulsystem ist in manchen Bundesländern praktisch zusammengebrochen. Das Bildungsniveau in Bremen bewegt sich auf dem untersten Level. Wäre Privatunterricht nicht gleich besser?
Der Autor dieses Artikels versteht offensichtlich nichts von ökonomischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen. Er sollte sich lieber einmal gründlich informieren bevor er mit unqualifizierten Anwürfen um sich wirft. Man kann als AfD angesichts eines nationalen Scherbenhaufens keine widerspruchsfreien Position beziehen, weil die Konsequenzen verheerend wären. Das ist aber nicht die Schuld der AfD.