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Die Ursprünge der Hamas

Wenig ist hierzulande über die Hamas bekannt. Bis auf Zuschreibungen wie „radikalislamistisch“ oder „Terrororganisation“ liest und hört man kaum etwas. Mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor veröffentlichen wir einige Kapitel des Buches Kein Land in Sicht? Gaza zwischen Besatzung, Blockade und Krieg von Johannes Zang, das in diesem Jahr im PapyRossaVerlag erschienen ist. Der Text beleuchtet Aspekte von Ursprüngen und Ideologie der palästinensischen Gruppe und bringt hoffentlich etwas Licht in die Blackbox Hamas.

Mitte 2024 lag ein einziges aktuelles Buch in deutscher Sprache zur Hamas vor: das von Joseph Croitoru (2024). Die Bücher von Helga Baumgarten und Khaled Hroub erschienen etwa 15 Jahre zuvor. Natürlich sind neuere, seriöse Analysen zu finden, etwa im Palestine-Israel Journal oder bei der International Crisis Group. Trotzdem bleibt manches unklar oder erscheint widersprüchlich. Das ist zum einen der Hamas-eigenen Verschwiegenheit geschuldet, zum anderen unterschiedlicher Positionen zwischen Hamas-Funktionären im Gazastreifen, im Westjordanland oder im Exil. Ein weiterer Grund für Kenntnislücken ist die schwierige, zeitweise unmögliche Einreise in den Gazastreifen. Auf den folgenden Seiten liefere ich zumindest einige Verständnisfacetten für die Lücke zwischen 2006 und 2024, zudem verschiedene O-Töne und Aspekte, die in der deutschen Berichterstattung kaum erwähnt wurden.

Die 2010 geäußerte Prognose von Khaled Hroub lässt vor der Folie des 7. Oktober 2023 manches in anderem Licht sehen: »Innerhalb Palästinas hängt es … weitgehend von der Politik Israels ab, ob sich die Hamas künftig mehr in die radikalere oder in die gemäßigtere Richtung entwickelt.«

Wie entstand die Hamas?

Eine positive Nebenwirkung zeitigte der Sechs-Tage-Krieg 1967, in dem Israel unter anderem den Gazastreifen und das Westjordanland eroberte. Fortan war etwas möglich, was knapp 20 Jahre undenkbar war: als Palästinenser jederzeit im eigenen Wagen von Gaza nach Bethlehem, Ostjerusalem oder Nablus zu fahren und umgekehrt. Mehr noch: Auch in israelischen Städten wie Tel Aviv oder Tiberias sah man nun palästinensische Autos, die eigens gekennzeichnet waren. Die neue Bewegungsfreiheit kam indes auch den Muslimbrüdern zupass.

1928 in Ägypten gegründet, engagierten sich die Muslimbrüder seit Anfang der 1940er Jahre in Palästina zunächst friedlich-zivilgesellschaftlich: in Bildung, Erziehung sowie der Weitergabe und Förderung ihres Glaubens. 1948, im ersten israelisch-arabischen Krieg, waren dann aber »knapp fünfhundert Muslimbrüder auf Seiten Ägyptens, Jordaniens und Syriens an den Kampfhandlungen gegen Israel beteiligt«, erklärt der Orientalist Michael Kreutz.

Ab 1967 entdeckten sie eine weitere Aufgabe. »Neu«, schreibt die deutsche Politologin Helga Baumgarten, »war eine landesweite Initiative …, in der sich die Muslimbrüder intensiv auf den Bau neuer Moscheen konzentrierten.« Von 1967 bis 1987 stieg die Zahl der Moscheen im Westjordanland von 400 auf 750, im Gazastreifen verdreifachte sie sich von 200 auf 600.

Wie nun aus der ägyptischen Muslimbruderschaft im Zuge der ersten Intifada 1987/88 die palästinensische Hamas entstand, erklärt die in Jerusalem lebende Hamas-Expertin Baumgarten mit einem Zitat von David Shipler, einem ehemaligen Korrespondenten der New York Times. Ihm hatte der damals für Gaza zuständige israelische Militärgouverneur Yitzhak Segev anvertraut, dass er selbst die islamische Bewegung in Gaza »als Gegengewicht gegen die PLO und die Kommunisten finanziert« habe. Eine Parallele zur US-amerikanischen Unterstützung der Taliban-Vorläufer in Afghanistan, der Mudschahedin?

Den israelischen Palästina-Kenner Danny Rubinstein (Jg. 1937) konfrontierte ich mit dieser These israelischer Hilfestellung bei der Geburt der Hamas. Als er Ende der 1960er Jahre als Journalist anfing, »waren überall in der Welt die marxistischen Organisationen der Feind«. Der Journalist führte die RAF an, »die den Palästinensern geholfen hat, das Flugzeug nach Uganda zu entführen« (1976). Er nannte den Anschlag der japanischen Roten Armee auf den Flughafen Tel Aviv (1972, 26 Tote), bevor er endlich die Frage aller Fragen beantwortete. »Es gab eine Art Zusammenarbeit zwischen Israel und den Frommen, den islamischen Organisationen. Sie waren vereint im antimarxistischen Block. Vor diesem Hintergrund unterstützte Israel, nein, das ist das falsche Wort, es ebnete der islamischen Bewegung den Weg. Vor dem Dilemma Islam oder Marxismus entschied sich Israel für den Islam.«

Khaled Hroub, aus einem Flüchtlingslager bei Bethlehem stammender Journalist und Dozent an der Universität Cambridge, erwähnt in seinem 2010 verfassten Buch nichts von einer möglichen Rolle Israels bei der Entstehung der Hamas. Nüchtern schreibt er: »Formell wurde die Hamas am 14. Dezember 1987 mittels eines offiziellen Kommuniqués gegründet, mit dem die Organisation einige Tage nach Ausbruch der ersten palästinensischen Intifada am 8. Dezember an die Öffentlichkeit trat.« Mit der Gründung habe die Muslimbruderschaft auch auf Druck reagiert, so Hroub, und auf internen Streit wegen ihrer »passiven Haltung« gegenüber der israelischen Besatzung. »Mit Ausbruch der Intifada gewannen die Vertreter einer Konfrontationspolitik an Boden«, erklärt Hroub. Diese sahen »eine strategisch einmalige Gelegenheit, sich dem Aufstand nicht nur anzuschließen, sondern … eine Führungsrolle zu übernehmen. Genau dies tat sie mit der Gründung der Hamas.«

Wie schildert Mosab Hassan Yousef die Entstehung der Hamas?

2010 erschien das Buch »Sohn der Hamas. Mein Leben als Terrorist« von Mosab Hassan Yousef. Darin schildert der 1978 bei Ramallah geborene Yousef seine Kindheit und seine Familiengeschichte, die Haftzeiten seines Vaters in Israel (dreizehnmal), seine eigene Zusammenarbeit mit dem israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Bet und schließlich seinen Wandel: die Abkehr vom Islam, den Weg zum Christentum und in die USA. Er – israelischer Deckname Grüner Prinz – widerspricht in seinem auf Englisch, Spanisch, Italienisch, Niederländisch und Deutsch erschienenen Buch gängigen Darstellungen (z. B. der bei Wikipedia) zur Hamas-Genese. Deren Wurzel sei schon 1986 mit einem »geheimen, historisch bedeutsamen Treffen in Hebron« gelegt worden – unter Teilnahme von sieben Männern:

  • Der an den Rollstuhl gefesselte Scheich Ahmad Yassin, »der später der geistige Führer der neuen Organisation werden würde«
  • Mohammed Jamal al-Natsheh aus Hebron
  • Jamal Mansur aus Nablus
  • Scheich Hassan Yousef (»mein Vater«)
  • Mahmud Muslih aus Ramallah
  • Jamil Hamami aus Jerusalem
  • Ayman Abu Taha aus dem Gazastreifen

Nachdem sie in der Muslimbruderschaft jahrelang darüber debattiert hatten, ob und wie man gegen die Besatzungsmacht Israel kämpfen sollte, seien die sieben Männer 1986 »schließlich bereit zum Kampf« gewesen, so der Autor. »Sie einigten sich darauf, mit einfachem zivilem Ungehorsam zu beginnen – Steinwürfe und verbrannte Reifen.« Ziel sei es gewesen, das eigene Volk »wachzurütteln, zu vereinigen und zu mobilisieren. Das Volk sollte verstehen, dass es die Unabhängigkeit unter dem Banner Allahs und des Islams brauchte. Damit war die Hamas geboren. Und mein Vater erklomm einige weitere Sprossen auf der Leiter des Islam.«

Wie verhielt sich Israel gegenüber der Hamas?

Die Politik Israels gegenüber der Hamas in den sechs Monaten nach deren Gründung charakterisiert Helga Baumgarten als »Politik der freundlichen Duldung«. In dieser Zeit – die erste Intifada tobte – fanden Treffen zwischen israelischer Führung und Armee auf der einen Seite und Hamas-Mitgliedern auf der anderen statt. Im Mai 1988 lud beispielsweise Außenminister Shimon Peres die wichtige Führungsfigur Mahmoud al-Zahar ein, einen Monat später wurde letzterer von Verteidigungsminister Rabin eingeladen, ausgerechnet von jenem Mann, der in diesem Volksaufstand seine Soldaten aufforderte, den Steinewerfern die Arme zu brechen. Hamas-Offizielle wurden mehrfach von der israelischen Presse interviewt, das geistliche Oberhaupt und Hamas-Mitgründer Scheich Ahmed Yassin im September 1988 sogar live im israelischen Fernsehen.

Doch wenig später begann Israel, im großen Stil Hamas-Mitglieder zu verhaften, »fast unmittelbar nachdem die Armee Informationen über den Aufbau eines regelrechten bewaffneten Untergrundes durch die Hamas erhalten hatte«. Fortan kam es wiederholt zu Verhaftungswellen, die größte davon im Dezember 1992 nach etlichen Hamas-Anschlägen: 1.600 Aktivisten der Hamas und des Islamischen Dschihad wurden verhaftet, 415 weitere aus den Führungskreisen der beiden Organisationen wurden in den Libanon ausgewiesen und hausten dort ein ganzes Jahr in einem Zeltlager. »In Jerusalem, wo man die Friedensverhandlungen mit der PLO vorantreiben wollte, ging man davon aus, dass diese drakonische Strafmaßnahme die beiden Islamisten-Organisationen schwächen würde. Doch weit gefehlt«, erklärt der Historiker Joseph Croitoru.

Auch in den folgenden Jahren wurden Hamas-Leute verhaftet, wieder freigelassen, vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad ins Visier genommen oder liquidiert. 1997 überlebte Khaled Meshal (auch Khalid Maschaal) einen James-Bond-gleichen Anschlag seitens des Mossad in Amman. Dessen Agenten hatten dem Chef des Hamas-Politbüros ein Nervengift ins Ohr gespritzt. Das Attentat schlug fehl, zwei der acht israelischen Agenten wurden festgenommen. König Hussein von Jordanien war schockiert, empört und verlangte ein Gegengift von Israels Führung, die das, wenn auch widerwillig, aushändigte. Meshal überlebte. Laut Khaled Hroub ließ Israel »keine Gelegenheit verstreichen, Hamas-Führer zu ermorden«. Bereits ein Jahr zuvor war der Bombenbauer, das Hamas-Mastermind Yahya Ayyash, Spitzname »al-muhandis« (arab. Ingenieur), zu Tode gekommen: durch ein mit Sprengstoff präpariertes Mobiltelefon, angeblich lanciert vom israelischen Inlandsgeheimdienst.

2004 liquidierte die israelische Luftwaffe den erwähnten Hamas-Mitgründer Scheich Ahmed Yassin.

Das US-amerikanische Autorenduo Mearsheimer/Walt wies in seinem Buch »Die Israel Lobby« darauf hin, dass die drei Hellfire-Raketen, die Yassin direkt nach dem Morgengebet in einer Moschee trafen, aus den USA stammten. »Das wurde allgemein als ernster Schlag gegen die Position der USA im Nahen Osten angesehen – nicht nur wegen der Waffen aus den USA, sondern auch, weil man in der arabischen Welt vielfach glaubte, die Regierung Bush habe Israel grünes Licht gegeben, einen gelähmten Mann im Rollstuhl zu töten.« Nicht einmal einen Monat später tötete Israel den politischen Führer der Hamas, al-Rantisi. Die Nahostexpertin Margret Johannsen vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg meint, die gezielte Tötung von Hamas-Führern habe Israel nicht mehr Sicherheit gebracht. »Sie wurden als tickende Bombe bezeichnet. Damit hat Israel ihre völkerrechtswidrige Liquidierung begründet, aber weitere Anschläge nicht verhindert.«

Der israelische Friedensaktivist Uri Avnery hatte bereits früh auf eine andere Dimension der Tötung des Scheichs hingewiesen, dessen Bedeutung weit über das Geschehen im Gazastreifen hinaus kaum überschätzt werden kann: Er nannte die Tötung »nicht nur ein Verbrechen, sondern einen Akt der Dummheit«. Denn sie hebe den Konflikt von der Ebene eines nationalen und lösbaren Konflikts auf die Stufe eines religiösen, der naturgemäß unlösbar sei.

Wie ist die Hamas strukturiert?

»Den genauen ›Kommando- und Kontrollmechanismus‹ zwischen der politischen Führungsspitze und dem militärischen Flügel Izzedin al-Qassam hält die Hamas bewusst unpräzise«, erklärt Khaled Hroub. Der Begriff »politischer Flügel« oder Politbüro taucht selten in den Medien auf, vom bewaffneten Arm (seit 1992 Brigaden des Märtyrers Izzedin al Qassam) ist bei Raketen- oder Mörserbeschuss auf Israel die Rede, das die Hamas nur »das zionistische Gebilde« nennt.

Die Brigaden gebärden sich wie eine reguläre Armee und verfügen laut Joseph Croitoru, Autor des Buches »Die Hamas«, über eine Elite- und Raketeneinheit samt Drohnen (»Luftwaffe«) sowie ein Marine-Kommando. Zu Propagandazwecken lassen sie regelmäßig vermummte Infanteristen aufmarschieren oder in Pick-ups vorfahren. Die Brigaden verfügten 2009 über 7.000 Kämpfer und 2018 über doppelt so viele. Vor dem 7. Oktober 2023 sollen es 30.000 gewesen sein, wovon ein Drittel laut israelischer Armee bis April 2024 angeblich eliminiert wurde.

Selbst für Croitoru ist bei der Hamas manches bis heute geheim und undurchsichtig: etwa die Struktur der Brigaden oder die Besetzung der Schura/Shoura, des Rates, den Hroub »Konsultativrat« nennt. Dieser ernennt die Mitglieder des Politbüros, das aus Gründen von Kontaktmöglichkeiten und Finanzierung teils im Ausland angesiedelt ist.

Gut sichtbar und zugänglich waren von Anfang an dagegen die sozialen und karitativen Einrichtungen in und um die Moscheen, etwa Suppenküchen, Schulen und Sportvereine. Hroub nennt es »Wohltätigkeitsarbeit an der Basis«, ein Erbe der Muslimbrüder, aus denen die Hamas hervorgegangen ist.

In punkto Ziele gibt es oft Spannungen zwischen politischem und militärischem Arm, ebenso bezüglich der Verwendung von Spenden. Um das zu vermeiden, wurde nach Meinung von Croitoru »2017 mit Jahia Sinwar zum ersten Mal ein Angehöriger der Qassam-Brigaden zum politischen Chef der Hamas im Gazastreifen ernannt.«

Wann griff die Hamas erstmals zu Gewalt?

Den ersten palästinensischen Selbstmordanschlag verübte 1974 die Volksfront für die Befreiung Palästinas – Generalkommando.Sie tötete in der Kleinstadt Kirjat Schmona nahe der libanesischen Grenze 18 Israelis, darunter acht Kinder, während der jüdischen Pessachfeiertage – über zehn Jahre vor der Gründung der Hamas. Doch wann griff diese erstmals zur Gewalt? Die Recherche gestaltet sich schwierig.

Die Angaben von Michael Kreutz auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung sind irreführend: Der Politologe schreibt unter Berufung auf eine US-amerikanische Quelle, die Hamas habe »in den 1980ern Anschläge auf Kinos, Bars und Kasinos« verübt und mit dem Waffenschmuggel begonnen. Der in England lehrende Palästinenser Khaled Hroub, Autor eines Buches über die Hamas, liefert korrekte Fakten, aber nicht die ganze Wahrheit: »Die Hamas wurde 1987 gegründet, die Selbstmordattentate … begannen jedoch nicht vor 1994. Zur ersten Welle von Selbstmordattentaten kam es als Vergeltung für das im Februar 1994 verübte Hebron-Massaker, bei dem ein fanatischer israelischer Siedler in der Ibrahim-Moschee in Hebron 29 betende Palästinenser tötete.«

Croitoru indes datiert das erste Selbstmordattentat auf den 16. April 1993: Da fuhr »der erste Todesfahrer der Hamas« mit einer Sprengladung in seinem Fahrzeug zwischen zwei Busse vor einem Imbisslokal im Jordantal: Ein dort angestellter Palästinenser mit israelischer Staatsangehörigkeit und der Attentäter verloren das Leben, acht Menschen, mehrheitlich Soldaten, wurden verletzt. Enthielt sich die Hamas davor sechs Jahre lang der Gewalt?

Beim Sender Al Jazeera findet sich das fehlende, leider auch nicht vollständige Puzzleteil. Auf deren Internetseite hat Danylo Hawaleshka die cartoonartig bebilderte Hamas-Geschichte mit kurzen Bildunterschriften versehen. Beim sechsten Bild heißt es: »1989 führte die Hamas ihren ersten Angriff auf Israel aus, indem sie zwei Soldaten entführte und tötete; das führte zur Verhaftung von Yassin«, also des spirituellen Oberhaupts Scheich Ahmed Yassin. Einzelheiten liefert der langjährige Herausgeber Hawaleshka nicht. Die findet man selbst auf der Seite des israelischen Außenministeriums nicht, jedoch auf der der israelischen Armee IDF (Israeli Defence Forces). Klar wird schnell: Beide Opfer standen am Straßenrand, um per Anhalter zu fahren. »Zwei Hamas-Terroristen, als religiöse Juden verkleidet, kidnappten Sergeant Avi Sasportas im September 1989. Israelische Ermittler gehen davon aus, dass die Täter ihn brutal ermordeten, kurz nachdem er ins Auto eingestiegen war. In einem ähnlichen Fall später im selben Jahr entführten Hamas-Terroristen den Corporal Ilan Saadon. Obwohl er sich zur Wehr setzte, erschossen sie ihn und warfen die Leiche auf einen Müllplatz.«

Bei Wikipediafinden sich dazu bei identischer Schilderung der Tötungsumstände unterschiedliche Zeitangaben: Februar beziehungsweise Mai 1989.

Auf der IDF-Internetseite listet diese für die eineinhalb Jahre von 1. Januar 2013 bis Juni 2014 genau 64 Entführungsversuche durch palästinensische Terroristen auf, »in einigen Fällen war Hamas erfolgreich«.

Was steht in der Hamas-Charta von 1988?

Hamas ist zweierlei: als Akronym die Abkürzung für Harakat almuqawama al-islamiyya, Islamische Widerstandsbewegung. Zum anderen bedeutet das arabische Wort hamas »religiöser Eifer und Begeisterung«.

Die Gründungscharta der Hamas von 1988 erklärt als Ziel, »die Fahne Allahs über jedem Zoll von Palästina aufzuziehen« (Art. 6). Palästina dürfe, da islamisches Heimatland, niemals Nicht-Muslimen überlassen werden. Es sei »eine islamische Schenkung (waqf), geheiligt für zukünftige muslimische Generationen bis zum Tag des Gerichts« (Art. 11). Deshalb dürften weder Präsidenten noch Könige einen Teil davon abgeben.

Als Fernziel gilt die Errichtung eines islamischen Gottesstaates. Der Dschihad, der Heilige Krieg, sei Pflicht für jeden Muslim. Friedensinitiativen oder »sogenannte friedliche Lösungen« widersprechen den Überzeugungen der Hamas, erklärt Artikel 13 der Charta.

Artikel 31 von insgesamt 36 befasst sich mit den monotheistischen Religionen Judentum und Christentum. Diese könnten unter dem »Flügel des Islam in Frieden und Ruhe miteinander koexistieren«.

Der genannte Autor Khaled Hroub, an der Cambridge University für das Arab Media Project verantwortlich, nennt als Hauptthema der im August 1988 verfassten und »voreilig und ohne ausreichende Beratung« veröffentlichten Charta, »dass Palästina ein arabisches und muslimisches Land ist, das von der Herrschaft des Zionismus befreit werden muss«. Hroub ist der Hinweis wichtig, »dass dem Dokument in einem Großteil der Anti-Hamas-Literatur eine übertriebene Bedeutung beigemessen wird«. Der Vorwurf, die Charta rufe zur Vernichtung Israels oder gar zur Ausrottung der Juden auf, ist laut Hroub »nicht haltbar«. Wegen der Rhetorik sowie der »zügellosen Verallgemeinerungen« mit daraus folgendem Imageschaden wolle die Hamas die Charta »einen stillen Tod sterben« lassen.

Was hat Rabbi Menachem Froman mit der Hamas zu tun?

Ein Israeli, der wiederholt mit Hamas-Führern redete, war Rabbi Menachem Froman. Er, der seine ganze Familie in der Shoa verloren hatte, lebte mit Frau und zehn Kindern in der jüdischen Siedlung Tekoa, am Fuße der Besichtigungsstätte Herodion, unweit von Bethlehem. Mehrmals traf er den Hamas-Gründer Scheich Yassin zwischen 1989 und 1997 im Gefängnis. Nach dessen Entlassung sahen sich die beiden in Gaza wieder. Vor Hunderten seiner Anhänger und der Presse erklärte der seit seiner Jugend gelähmte Scheich: »Dies ist der Rabbi, mit dem ich mehrere Gespräche während meiner Haft hatte. Er hat immer einen Waffenstillstand auf religiöser Basis vorgeschlagen. Und ich stimme einem solchen zu.«

Nachdem Scheich Yassin 2004 von der israelischen Luftwaffe getötet worden war, setzte sich Froman mit anderen Hamas-Vertretern wiederholt an einen Tisch, nachweislich bis 2008. Mehr als einmal soll er aus deren Mund den Satz gehört haben: »Mit dir würden wir in fünf Minuten Frieden schließen.« Ließe die israelische Regierung Rabbiner bei Friedensverhandlungen zu, dann »würde uns vielleicht Frieden mit dem Islam geschenkt«, glaubte Froman.

Als er 2013 im Alter von 68 Jahren einer Krebserkrankung erlag, schrieb Israelnetz, »eine der schillerndsten Figuren Israels« sei gestorben, »der Gründer der Siedlerbewegung, Friedensaktivist, Freund von Jasser Arafat und des geistigen Führers der Hamas-Bewegung, Scheich Ahmed Jassin«. Eine von Fromans Überzeugungen lautete, das Heilige Land sei das Land Gottes. »Die ganze Welt, besonders das Heilige Land, gehört Gott. Man kann deshalb nicht sagen, ein Mensch nehme dem anderen Land weg. Denn die Menschen sind nicht die Eigentümer dieses Landes, weder der Jude noch der Araber oder der Christ. Wir sind alle nur Gäste im Lande Gottes.«

Das Buch Kein Land in Sicht? Gaza zwischen Besatzung, Blockade und Krieg von Johannes Zang ist für 19,90 Euro bei PapyRossaVerlag erhältlich.

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