Die Ukraine und ihre Atomkraftwerke – eine potentielle Gefahr für die Welt

Die Ukraine besitzt die in Europa dichteste Ansammlung von Atomkraftwerken nach Russland und dabei auch das größte und leistungsstärkste Kernkraftwerk Europas, das AKW Saporischschja. Der Reaktorunfälle in Tschernobyl und Fukushima hat der Welt einmal mehr die Gefahr von Atomenergie verdeutlicht. Versprechen sind getroffen worden und immer wieder soll mehr Geld investiert werden um AKWs scheinbar „sicherer“ zu machen. Ein Kommentar unseres Volontärs Alexander Gutmann.

Im Kraftwerk Saporischschja kam es am 28.11.2014 zu einem Störfall. Das AKW befindet sich am Fluss Dnjepr und speist seine Kühlwassersysteme über den Wasserlauf des Flusses, der durch die gesamte Ukraine fließt und schließlich im Schwarzen Meer mündet. Alle Reaktoren der Anlage sind ab der 80iger in der UdSSR konzipiert und bis in die 90iger errichtet worden. Das Hauptproblem der Bauart der Reaktoren vom Typ WWER 1000/320 ist, dass sie Druckwasserreaktoren sind und deshalb einen stetigen Zulauf von enormen Mengen an Wasser bei einer geringen Anzahl von Kühlwasserrohren benötigen, damit eine Kühlung des Stahls des Reaktordruckbehälters ausreichend gewährleisten zu können. Hierbei stellt sich weiterführend auch die Frage nach der Reife eines solchen Reaktorsystems. Dieser Reaktortyp ist als experimenteller Reaktor in der UdSSR geplant gewesen und sollte seine Reife im Betrieb unter Beweis stellen und den Atomaufsichtsbehörden in der Sowjetunion Erkenntnisse, über das in den 80igern leistungsstärkste System der Energiegewinnung durch Kernspaltung, bringem Der Zusammenbruch der UdSSR und die damit verbundenen Baustopps weiterer Reaktoren dieser Art in Tschechien und Weißrussland u.A. und ebenso die Stagnation der Investitionen von staatlicher Seite in Forschungsprojekte für Atomreaktoren sorgten dafür, dass eine weitere Forschung an der Sicherheit dieser Systeme erst wieder 1996 begonnen wurde und dieses Mal unter Aufsicht der Energiebehörden Europas.

Ukraine hängt an AKWs und doch fehlt das Fachpersonal

Seit der Abschaltung der Reaktorblöcke von Tschernobyl wird rund 60 bis 70% des Energiebedarfs der Südukraine durch diese eine Anlage gedeckt und wird daher ständig ausgebaut. Ein solches System der „neuen“ experimentellen Reaktoren setzt auch eine angemessene Wartung der Wasserzuläufe und der Außenhüllen voraus. Doch auch hier ergeben sich weitere Probleme, deren Folgen immer öfter zu Tage treten werden. Denn nicht nur die Forschung und die Investition in verbesserte Sicherheitstechnik kamen durch das Ende des Warschauer Paktes zum Erliegen. Viel wichtiger für Reaktoren, deren Betrieb einerseits und deren Sicherheit andererseits von einer konstanten Wartung abhängt, sind Arbeiter die als Wartungspersonal diese Reaktoren und besonders die Kühlwasserzuläufe regelmäßig kontrollieren und für die Instandsetzung der Rohre zuständig sind. Zu sowjetischen Zeiten hat die Ukrainische Sowjetrepublik sein qualifiziertes Wartungspersonal für besonders Wartungsintensive Reaktoren aus der verbündeten Volksrepublik Polen angeworben, mit Löhnen die über dem Durchschnitt des Verdienstes der ukrainischen und polnischen ArbeiterInnen lagen und subventionierte großzügig den Bau ganzer Siedlungsgebiete für Arbeiterfamilien aus Polen in der Nähe der Kraftwerke und in angrenzenden Städten. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion fehlten der Ukraine einerseits die Mittel um weiterhin überdurchschnittliche Löhne zahlen zu können und zugleich wuchs der Rassismus und Nationalismus in der Ukraine immer weiter gegenüber der polnischen Arbeiterschaft, die teilweise deutlich modernere Wohnanlagen besaßen. Darüber hinaus entschied sich die Regierung unter Kutschma, dass die EU die Finanzielle Hauptlast für weitere Instandsetzung tragen sollte, wodurch in der Interims und Verhandlungsphase mit der EU zwischen 1991 und 2000 ein Großteil der Eigenfinanzierung auf ein Minimun gesunken war.

Woher kommt das Geld und wohin geht es?

Dies führte zu einem doppelten Ausreisewellen der polnischen Bevölkerung und zu einem Beschäftigungsvakuum in Atomkraftwerken. Bis 1998 sind knapp 90% des polnischen Fachpersonals ausgewandert, ebenso wie das ukrainische Fachpersonal, welches durch Betreiber von Atomkraftwerken vorwiegend aus Frankreich und Russland abgeworben worden sind. Zugleich ist dies aber auch ein Hauptfaktor der Korruption im Land: Durch minimal-Investitionen der ukrainischen Regierung in die AKWs, flossen vermehrt EU-Gelder in die Instandsetzung. Doch Gleichzeitig versuchte man die Gewinne der fossilen Energieträger zu privatisieren. Jedoch gibt es keine Zweckanbindung für die Gelder in der Ukraine, weshalb die Einnahmen aus dem Energiesektor über die Kasse des Staatseigenen Energieunternehmens „National Nuclear Energy Generating Company Energoatom“ in den Staatshaushalt geflossen sind, aber seit 2006 nicht mehr reinvestiert wurden, sondern durch Gelder der EU-Abteilung der IAEA dem Ukrainischen Staat ersetzt. Die EU Gelder jedoch werden viel dringender für den Sarkophag um die tote Anlage in Tschernobyl benötigt, denn der erste nach der Atomkatastrophe 1986 gebaute Sarkophag ist rissig und bislang sind nur 50 Prozent des neuen Sarkophags fertiggestellt. Durch den Bürgerkrieg in der Ukraine, fällt Russland als Geldgeber aus. Da Russland jedoch mit 1/3 der Kosten beteiligt war, wird sich der Bau noch um Jahre verschleppen. Ebenso ist es bei solchen Geschehnissen vollständig unverständlich, dass es immer noch Atomkraftwerke in der Ukraine gibt und diese statt Schritt für Schritt abgeschaltet zu werden, noch vergrößert werden sollen. Die Ukraine ignoriert weiter das Problem der AKWs, denn sie sind ein Garant für Arbeitsplätze und für 65% des kompletten Energiebedarfs der Landes seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs. Statt in die Zukunft zu investieren und auf die Sicherheit der Bevölkerung zu achten, geht es selbst bei solch dringenden Gefahren doch nur wieder um Gewinn. Schulungsprogramme und breit angelegte Investitionen in Hochschulbildung und den Übergang auf erneuerbare Energien und endgültigen Stopp der Atomkraftwerke sind nicht in Sicht.

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